Agilität kontra Jobfrust

| Alice Dehner
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In einem kürzlich erschienenen Newsletter schrieb ich sinngemäß, Agilität sei in aller Munde. Liest man den von Haufe herausgegebenen „Agilitätsbarometer 2017“, der auf einer Befragung beruht, die Infratest für Haufe durchgeführt hat (befragt wurden 1812 Mitarbeiter und 1006 Führungskräfte aus Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich und der Schweiz), muss man jedoch zu einer anderen Einschätzung kommen. Denn bei dieser Studie stellte sich heraus, dass Wissen und Kenntnis über agile Methoden nach wie vor gering sind. 90% der Mitarbeiter und 70% der Führungskräfte gaben an, sie nie zu nutzen. Auch Begriffe wie „Scrum“, „Swarming“ oder „Holokratie“ waren für 80% der befragten Mitarbeiter böhmische Dörfer. Auch agile Projektarbeit findet nur in etwa 10% der befragten Unternehmen statt. Wer agile Methoden nutzt, ist jedoch weitgehend davon überzeugt - jedenfalls sieht die überwiegende Mehrzahl positive Auswirkungen auf Effizienz und Effektivität.

 

Immer noch überwiegen in unseren Breiten die klassisch-hierarchischen Führungsmodelle, die Verbreitung hat, verglichen mit der letztjährigen Befragung, sogar zugenommen. Dabei ist der positive Effekt partizipativer oder transformationaler Führung inzwischen wissenschaftlich gut abgesichert. Der Knackpunkt ist vermutlich folgender:

Wer sich in Richtung agiler Unternehmensstrukturen verändern will, muss den eigenen Führungsstil verändern. Sagen, wo’s langgeht, geht eben nicht mehr! Gefragt, und zwar zwingend gefragt, sind viel mehr: Delegation von Entscheidungskompetenz, Beteiligung der Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen, höhere Autonomie für die Mitarbeiter.

 

Wenn das einmal gegeben ist, dann ändern sich vielleicht auch einmal die Ergebnisse von Umfragen über Mitarbeiterzufriedenheit. Denn ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass die anhaltenden Klagen der Mitarbeiter über mangelnde Wertschätzung zum Beispiel damit zusammenhängen, dass die Mitarbeiter immer noch zu sehr als „Untergebene“ angesprochen werden, die die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen sollen. Erhielten sie mehr Entscheidungskompetenz, würde man sie ernsthaft einbinden in Entscheidungsprozesse, wäre das eine tatsächliche Wertschätzung ihrer Kompetenz. Damit stiege vermutlich nicht nur die Freude an der Arbeit, sondern auch die Eigeninitiative - deren Mangel von den befragten Führungskräften beklagt wurde (Quelle: Studie von meinestadt.de, Axel Springer Digital Classifieds, bei der 1112 Mitarbeiter und Führungskräfte befragt wurden). Die Chefs, die übrigens grundsätzlich mit ihrer eigenen Arbeit zufrieden waren, gaben an, dass Passivität und mangelnde Eigeninitiative das ist, was sie am meisten bei ihren Mitarbeitern stört, darauf entfielen nämlich 72%.

 

Ich sehe da einen Zusammenhang: Wenn es stimmt, dass klassisch-hierarchische Führungsmodelle gerade wieder auf dem Vormarsch sind, kann man davon ausgehen, dass Führungskräfte, ganz besonders, wenn sie unter Druck sind, aus dem sogenannten „Steuernden Eltern-Ich“ mit ihren Mitarbeitern kommunizieren. Eine Kommunikationsregel der Transaktionsanalyse besagt, dass das „Steuernde Eltern-Ich“ das „Angepasste Kind-Ich“ des Gegenübers anspricht, das allermeistens aus diesem Ich-Zustand heraus reagiert. Eigeninitiative ist jedoch nicht die Sache des angepassten Kindes - es tut brav, was man ihm sagt und wartet auf die nächste Anweisung.

 

Chefs, die Eigeninitiative fördern und Passivität in Mitdenken und Tatkraft umwandeln wollen, sollten vielleicht doch bei sich selbst anfangen, statt die Verantwortung allein den Mitarbeitern zu suchen. Eine Möglichkeit, viel über wirkungsvolle Kommunikation und über agile Methoden zu erfahren, bietet unsere Reihe „“.