Als Chef akzeptiert, Teil 1

| Alice Dehner
Als-FK-akzeptiert1.jpg

Im Wirtschaftsteil der „Zeit“ vom 16. Februar 2017 konnte man unter der Überschrift „Hör zu, Boss“ folgendes Lesen: „Je kenntnisreicher und selbstbewusster die Mitarbeiter sind, desto unzufriedener sind sie mit ihren Vorgesetzten. Zwei Drittel der Angestellten halten ihren Chef für charakterlich und fachlich ungeeignet. Das geht aus einer Umfrage der Personalberatung Rochus Mummert unter 1000 deutschen Angestellten aus dem Jahr 2016 hervor. Besonders kritisierten die Befragten, dass ihre Vorgesetzten die Arbeit ihrer Leute nicht anerkennen würden und sie nicht richtig förderten. Auch die Führungskräfte sind unzufrieden - mit sich. Mehr als drei Viertel der Befragten finden, dass sich die Führungskultur grundlegend ändern müsse…“

Der radikale Ansatz, auf Vorgesetzte gleich ganz und gar zu verzichten ist allerdings keine Lösung. Firmen ganz ohne Chefs funktionieren ab einer gewissen Größe nicht mehr. Denn „Holokratie (das ist eine Organisationsform, in der alle Mitarbeiter in ihrem Bereich autonom und ohne Absprache Entscheidungen treffen) ist ein perfektes Modell für eine Welt mit perfektem Menschen.“ Die haben wir leider noch nicht. Es gibt immer noch genügend sehr wertvolle Mitarbeiter, die, aus welchen Gründen auch immer, gar nicht so viel Verantwortung übernehmen wollen - sie wollen geführt werden. Und schnelle Entscheidungen sind auch kaum zu erwarten, wenn in einer groß gewordenen Firma komplexe Sachverhalte erst mal des Langen und des Breiten von allen diskutiert werden müssen. Das klappt noch mit fünfen, mit fünfzig Mitarbeitern schon nicht mehr. Gerade die heute notwendigen schnellen Entscheidungen, der Mut zu raschen Veränderungen sorgen dafür, dass ein Experte wie Andreas Engelen, Professor für Unternehmensführung an der TU Dortmund, sagt: „Es braucht heute nicht weniger Führung, sondern mehr.“

Wir glauben, dass die meisten Führungskräfte Menschen sind, die ihr Bestes geben. Aber klar ist auch, dass Führungskräfte heute etwas Anderes können müssen als früher. Das Schlüsselwort dafür ist Kommunikation. Aber nicht wie früher „Ich kommuniziere euch, was ihr zu tun habt und ihr kommuniziert mir, dass prima ist, was ich mache!“ Wie die eingangs zitierten Umfrage-Ergebnisse belegen, ist die Akzeptanz der Mitarbeiter unerlässlich, um sich als Chef oder Chefin zu etablieren - und das kann er oder sie nur durch ihr eigenes Verhalten beeinflussen. Dazu gehört aber mehr, als nur „das Gute zu wollen“ - es muss auch adäquat kommuniziert werden, damit es richtig ankommt. Dazu muss man sich als Führungskraft zum Beispiel darüber im Klaren sein, dass es so etwas wie eine „implizite Kommunikation“ gibt. Die implizite Kommunikation, also das, was im Gesagten unausgesprochen mitschwingt, vielleicht ohne dass man selbst das will oder überhaupt merkt, ist häufig bedeutungsvoller und einflussreicher als das, was die Worte eigentlich bewirken sollten.

Wenn Eltern zum Beispiel in der wohlmeinenden Absicht, ihre Kinder zu unterstützen, unentwegt bei den Hausaufgaben kontrollieren oder helfen, so vermitteln sie die implizite Botschaft, die dann auch bei den Kindern ankommt „Wir trauen dir nicht zu, dass du das allein schaffst!“ Führungskräfte, die Mikro-Management betreiben und jedes kleinste Detail selbst steuern, fördern eher die Passivität ihrer Mitarbeiter, statt ihnen ein Vorbild zu sein, wie man „gründlich arbeitet“, denn die implizite Botschaft lautet eben „Ihr macht es ja doch nicht richtig.“

Ein weiteres Beispiel für eine ungewollt gegebene implizite Botschaft könnte sein, dass ein Chef ganz ohne Hintergedanken fragt: „Wollen wir uns einmal gemeinsam anschauen, was da schiefgegangen ist, damit das in Zukunft verhindert werden kann?“ und beim Mitarbeiter ankommt „Wie konnten Sie nur so einen Mist machen?“ Kommunikation ist eben ein vielschichtiger Vorgang, der immer auch auf mehreren Ebenen stattfindet. Und bei diesem Beispiel hat der Chef es versäumt, die Kontext-Ebene, auf der das Gespräch stattfinden soll, eindeutig klar zu machen.

Er hätte das machen können, wenn er etwas über „Kontext-Markierer“ gewusst hätte. Wissen Sie, was Kontextmarkierer sind? Das sind jene Zeichen, die unmissverständlich klarmachen, in welchem Kontext ein Gespräch stattfinden soll. Das anschaulichste Beispiel dafür ist die weiße Fahne. Wenn in einer Kriegssituation die weiße Fahne gehisst wird, wissen die streitenden Parteien, dass die Waffen für den Moment schweigen sollen, weil man nicht schießen, sondern verhandeln will. Dazu wird die weiße Fahne jedoch nicht einfach kurz aus dem Schützengraben gehalten, sondern sie wird so lange und ausgiebig geschwenkt, bis man sicher sein kann, dass die andere Seite das Zeichen verstanden hat. Auch der beste Kontextmarkierer nützt nur etwas, wenn der Gesprächspartner ihn wahrgenommen und verstanden hat. Das heißt, der Chef im obigen Beispiel hätte seinem Mitarbeiter mittels eindeutiger Kommunikation zunächst einmal die beruhigende Sicherheit geben müssen, dass es nicht darum geht, ihn für einen Fehler zur Schnecke zu machen, sondern dass ihm wirklich nur daran gelegen ist, die mögliche Fehlerquelle aufzuspüren, um sie unschädlich zu machen. Kontextmarkierer werden immer dann gebraucht, wenn möglicherweise unterschiedliche Erwartungen an den Verlauf oder das Ergebnis eines Gesprächs bestehen. Wie viele Missverständnisse und Enttäuschungen könnten vermieden werden, wenn diese kleine Kenntnis über Kommunikation bei viel mehr Führungskräften vorhanden wäre. Und es gibt noch so viel mehr…Doch dazu im nächsten Newsletter mehr.