Halali und Horrido

| Alice Dehner
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In der urzeitlichen Gesellschaft, über die wir zwar so gut wie nichts wissen, da sie sich in jener glücklichen Zeit abspielte, als Spuren, die der Mensch hinterließ, tatsächlich größtenteils irgendwann gelöscht waren, gab es, da ist sich die Forschung sicher, zwei Typen von Nahrungsbeschaffern, Sie wissen Bescheid: die Jäger und die Sammler. Angeblich stecken uns die damaligen Prägungen ja immer noch in den Knochen, respektive den Genen. Das ist insofern beruhigend, als es ein wunderbares Erklärungsmodell hergibt für alle Fälle menschlichen Verhaltens, über die ein intelligenter Roboter nur den Kopf schütteln kann - oder, auch dieser Gedanke ist nicht abwegig, ein intelligentes Tier, ich verweise den geneigten Leser auf meine Kolumne vom April.

Was ich weniger beruhigend an dem Modell finde, ist, dass sich die Gesellschaft inzwischen doch insofern weiterentwickelt hat, als wir mittlerweile auch Kunden und Konsumenten sind. Also, um es ganz deutlich zu sagen, im heutigen Wirtschaftsleben treffen Jäger und Sammler auf Kunden und Konsumenten. Das Geld des Kunden wird gejagt, die Daten des Konsumenten werden gesammelt. Manchmal vermischt sich auch das eine mit dem anderen und dann hat man als Kunde und Konsument überhaupt keine Chance.

Man hat jedoch - doch, das immer - die Wahl, welcher Metaphern man sich bedient. Metaphern sind jene bildlichen Vergleiche, mit denen man so schrecklich auf die Schnauze fallen kann. Deshalb kann man, finde ich, eigentlich gar nicht vorsichtig genug sein, welche man wählt, vor allem als, sagen wir mal, Chef der größten deutschen Bank mit gewaltigem Imageproblem. Andersrum ausgedrückt: Wären Sie im Fall, dass Sie nolens volens Kunde und Konsument sein müssen - irgendwie muss man ja durch das moderne Leben kommen - gern die Beute?

Wenn man als Ottilie Normalverbraucherin nun leider nicht wirklich die Wahl hat, sondern sich ja doch nur entscheiden muss, wessen Kunde und Konsument man ist, dann möchte man doch wenigstens mit dem Anschein von Wohlwollen und Wertschätzung, die einem entgegengebracht werden, im gierigen Rachen desjenigen landen, der nur will, was er für mein Bestes hält, mein Geld. Wenn Herr Sewing als neuer Chef der Deutschen Bank nun in seinem ersten Brief an die Mitarbeiter alle auffordert, diese müssten wieder die Jägerqualitäten in sich entwickeln, empfinde ich das nicht gerade als Einladung, mich der Dienste dieser Bank zu bedienen. Vielleicht bin ich ein bisschen empfindlich, aber auf mich wirkt das eher wie eine Drohung. Was machen Jäger schließlich? Sie liegen auf der Lauer, um etwas zu erlegen, zur Strecke zu bringen, ihm anschließend das Fell über die Ohren zu ziehen, es auszuweiden und es letztendlich aufzufressen. Seit einiger Zeit, das muss am fortschreitenden Alter liegen, bin ich nicht mehr so flott im Rennen, und wenn da einer mit Jägerqualität hinter mir her ist, oh lala! Ich könnte nicht sagen, dass mir das schmeichelt. Nein, ich empfinde das als echte Beeinträchtigung meiner Lebensqualität. Was ich ernstlich befürchte: Gesund ist das Gejagtwerden nicht!

Was auch nicht gesund ist, damit verrate ich Ihnen nichts Neues, ist Zucker. Zucker ist für mindestens die Hälfte aller sogenannten Zivilisationskrankheiten verantwortlich und für Fettleibigkeit und für generelle Hirnerweichung sowie Fußpilz, Legasthenie und eine Vorliebe für deutsche Schlager mit dämlichen Texten. Zucker ist von übel und man sollte ihn jagen, wann immer es geht. Leider hat er perfide Methoden entwickelt - also der Zucker, nicht etwa die Lebensmittelindustrie - sich zu verstecken, sodass man ihn so wenig sieht, dass man glatt vergisst, dass er da ist und, zack, schon wieder eine Cola mit hundert Gramm Zucker auf ich weiß nicht wie wenig Milliliter Flüssigkeit getrunken hat. Stellen Sie sich mal vor, wenn schon hundert Gramm Zucker so unglaublich gefährlich und schädlich sind, wie gefährlich und schädlich ist dann erst ein Zuckerberg?!

Womit wir bei der zweiten urzeitlichen Form der Nahrungsbeschaffung wären, dem Sammeln. Aber das ist ein anderes Thema und wird in einem der nächsten Beiträge ausführlich behandelt, wenn ich alle meine Daten dazu beisammen habe. Bis dahin kann ich nur raten, Lichter und Lauscher, wie wir Jäger sagen, offen zu halten und auf kein Jägerlatein reinzufallen. Und damit erstmal Weidmanns Dank!