Im Interview mit Ulrich Dehner 2 – Erfolgreiche Nachfolge im Familienunternehmen: Herausforderungen und Lösungsansätze

Familienunternehmen sind ein zentraler Bestandteil der deutschen Wirtschaft und prägen die Kultur vieler Branchen. Sie machen fast 90 % aller aktiven Unternehmen in Deutschland aus. Doch die Übergabe von einer Generation zur nächsten ist oft mit Herausforderungen verbunden, die sowohl die familiäre als auch die unternehmerische Ebene betreffen. Konflikte zwischen Tradition und Innovation, Erwartungen der Eltern und Visionen der Kinder – diese Themen sind nicht nur emotional aufgeladen, sondern entscheidend für die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Nachdem wir uns im vergangenen Teil bereits dem Thema gewidmet haben, führen wir dies nun weiter aus.
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Ulrich, herzlich willkommen auch zum zweiten Teil des Gesprächs. Fangen wir direkt mit der ersten Frage an: Welche Konflikte können bei dem Thema Nachfolge entstehen und wie kann man diese lösen?

Ulrich Dehner: Ein häufiger Konflikt bei Unternehmensnachfolgen entsteht durch unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen zwischen der Gründergeneration und den Nachfolgern. Oftmals haben Eltern das Unternehmen mit viel Einsatz und praktischer Erfahrung aufgebaut, während die nächste Generation, häufig akademisch ausgebildet, neue Methoden und Ansätze einbringen möchte. Dies kann dazu führen, dass die Nachfolger bestehende Strukturen hinterfragen und Veränderungen vorschlagen, während die Eltern sich in ihrer bisherigen Arbeit entwertet fühlen. Diese Dynamik kann schnell in Abwertungsspiralen münden, bei denen weder die Leistung der Eltern noch die Ideen der Kinder ausreichend gewürdigt werden. Um diese Konflikte zu lösen, ist Wertschätzung ein zentraler Ansatz. Es ist wichtig, die bisherigen Erfolge anzuerkennen und gleichzeitig Raum für neue Ideen zu schaffen. Regelmäßige, offene Gespräche, moderiert durch externe Coaches oder Berater, können helfen, gegenseitiges Verständnis zu fördern. Dabei sollten klare Verantwortlichkeiten definiert werden, um Unsicherheiten und Reibereien zu vermeiden.

Ein weiterer Konfliktpunkt ist das Thema Loslassen. Für Eltern kann es eine große Herausforderung sein, Verantwortung abzugeben und zu akzeptieren, dass die Nachfolger das Unternehmen nach ihren eigenen Vorstellungen führen werden. Hier hilft es, sich bewusst zu machen, dass das Ziel die Übergabe eines funktionierenden Unternehmens ist, das langfristig erfolgreich bleibt – auch wenn dies Veränderungen erfordert. Schließlich kann es auch zu Problemen kommen, wenn die Nachfolger keinen Bezug oder keine Motivation für die Übernahme des Unternehmens haben. In solchen Fällen ist es oft besser, die Kinder ihren eigenen Weg gehen zu lassen und stattdessen externe Führungskräfte einzusetzen, um das Unternehmen zu erhalten. Zwang führt meist nicht nur zu unglücklichen Nachfolgern, sondern gefährdet auch den Fortbestand des Unternehmens. Eine erfolgreiche Nachfolge erfordert also gegenseitigen Respekt, klare Kommunikation und die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen – sowohl auf Seiten der Eltern als auch der Nachfolger.

Du erwähnst, dass eine Abwertungsspirale beginnen kann, wenn die Nachfolgegeneration aus dem Studium zurückkehrt. Was ist aus deiner Sicht der Weg raus aus dieser Abwertungsspirale?

Ulrich Dehner: Der Schlüssel, um eine Abwertungsspirale zu durchbrechen, liegt darin, die Stärken der Nachfolgegeneration zu erkennen und aktiv wertzuschätzen. Statt sich darauf zu fokussieren, was möglicherweise nicht funktioniert, sollte der Blick auf die Fähigkeiten der Nachfolger gelenkt werden, die sie mitbringen – oft Kompetenzen, die die vorherige Generation in dieser Form nicht hat. Ein persönliches Beispiel: Ich selbst bin eher auditiv und weniger visuell orientiert. Als es um die Gestaltung des Logos für die Dehner Academy ging, war mir bewusst, dass ich dafür nicht der richtige Ansprechpartner bin. Deshalb habe ich diese Entscheidung an diejenigen delegiert, die eine ausgeprägte visuelle Stärke haben. Meine Aufgabe bestand lediglich darin, ein Veto einzulegen, falls ich mich gar nicht mit dem Ergebnis identifizieren konnte. Das Vertrauen in die Fähigkeiten der anderen und die Akzeptanz ihrer Expertise haben nicht nur zu einem besseren Ergebnis geführt, sondern auch zu einer deutlichen Entlastung für alle Beteiligten.

Um eine Abwertungsspirale zu vermeiden, ist es daher entscheidend, die individuellen Stärken aller Beteiligten bewusst zu nutzen und ihnen den entsprechenden Raum zu geben. Das schafft nicht nur Vertrauen und Wertschätzung, sondern führt auch dazu, dass jeder seinen Bereich optimal gestalten kann. Offene Kommunikation und die Bereitschaft, Verantwortung abzugeben, sind dabei wesentliche Faktoren. So wird die Zusammenarbeit auf Augenhöhe gefördert, und die Nachfolge wird zu einem gemeinsamen Erfolg.

Das sehe ich genauso, denn dieses Anerkennen der unterschiedlichen Stärken und der gegenseitige Respekt dafür haben uns sehr geholfen, Konflikte zu lösen. Ein anderes Problem, das du benannt hattest, war die Sache, dass Eltern loslassen lernen müssen. Was ist da für dich ein guter Weg oder was ist entscheidend, damit das funktionieren kann?

Ulrich Dehner: Loslassen gelingt, wenn Eltern akzeptieren, dass ihre Nachfolger das Unternehmen zu ihrem eigenen machen müssen, um sich wirklich damit zu identifizieren. Ein guter Ansatz ist, anfangs in weniger kritischen Bereichen Entscheidungen den Nachfolgern zu überlassen – auch wenn diese anders ausfallen, als man selbst entscheiden würde. Dabei entsteht oft die Erkenntnis, dass ihre Entscheidungen nicht nur anders, sondern häufig sogar besser sind. Das fördert Vertrauen in ihre Urteilskraft und zeigt, dass der eigene Weg nur einer von vielen möglichen ist. Wichtig ist, sich immer wieder bewusst zu machen, dass der eigene Einfluss irgendwann endet. Damit das Unternehmen langfristig erfolgreich bleibt, müssen die Nachfolger Spaß an ihrer Arbeit haben und das Unternehmen als ihr eigenes verstehen – nicht als das der Eltern. Veränderungen sind Teil dieses Prozesses, und sie zuzulassen ist entscheidend für eine gelungene Übergabe.

Wie wichtig ist Persönlichkeitsentwicklung und Konfliktmanagement in der Unternehmensnachfolge, und welche Rolle spielen diese Aspekte deiner Meinung nach für den Erfolg des Übergabeprozesses?

Ulrich Dehner: Konfliktmanagement ist ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Nachfolge. Besonders wichtig ist es, Fragestrategien anstelle von Argumentationsstrategien zu nutzen. Wenn ich frage, statt zu argumentieren, verstehe ich die Position meines Gegenübers besser, und es entsteht das Gefühl, dass ich mich wirklich um sein Anliegen bemühe. Ebenso bedeutsam ist die eigene Persönlichkeitsentwicklung. Es hilft, sich bewusst zu machen, dass man mehr ist als nur Unternehmer. Wer sich ausschließlich mit dieser Rolle identifiziert, hat oft Schwierigkeiten, loszulassen. Wenn ich jedoch andere Interessen und Facetten in meinem Leben habe, fällt es mir leichter, einen Abschnitt abzuschließen und einen neuen zu beginnen – sei es bei der Unternehmensführung oder in anderen Bereichen. Sich diese Vielseitigkeit immer wieder bewusst zu machen, erleichtert den Übergabeprozess erheblich.

Im letzten Teil haben wir über Rollen und mögliche Rollenkonflikte in Familienunternehmen gesprochen und betont, wie wichtig es ist, diese klar zu trennen. Hast du konkrete Tipps oder Strategien, wie Familienunternehmen diese Trennung in der Praxis umsetzen können, um Konflikte zu vermeiden?

Ulrich Dehner: Eine Möglichkeit, Rollen in Familienunternehmen klar zu trennen, besteht darin, sich bewusst zu machen, in welcher Rolle man gerade spricht – oft wird das auch als "den passenden Hut aufsetzen" bezeichnet. Es hilft, hierfür klare Ankerpunkte zu schaffen. Ein Beispiel aus meiner Erfahrung: In einem Familienunternehmen mit drei Brüdern, von denen einer als Geschäftsführer und die anderen als Bereichsleiter tätig waren, eskalierten Meetings regelmäßig. Das Problem war, dass die Rollen ständig gewechselt wurden – mal sprachen sie als Brüder, mal als Bereichsleiter mit dem Geschäftsführer, dann wieder als gleichberechtigte Inhaber.

Die Lösung war simpel, aber effektiv: Für Gespräche zwischen Geschäftsführer und Bereichsleitern wurde der Raum des Geschäftsführers genutzt, um die Hierarchie zu verdeutlichen. Für Entscheidungen als Inhaber gingen sie in den Besprechungsraum, wo sie als gleichberechtigte Partner agierten. Und private Gespräche als Brüder fanden nur noch außerhalb der Firma statt, beispielsweise zu Hause. Durch diese räumliche Trennung wurde die jeweilige Rolle klar definiert, was die Kommunikation deutlich entspannte und Konflikte minimierte.

Wenn Sie mehr Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken, möchten, dann hören Sie gerne in den Business-Podcast von Alice Dehner rein.