Innere Verbote und wie sie unser Leben beeinflussen

Dass Resilienz entscheidend ist, damit wir auch unter widrigen Umständen lösungsorientiert bleiben und uns neuen Situationen anpassen können, ist hinlänglich bekannt. Auch spielt sie beim Umgang mit eigenen Erfolgen und Misserfolgen eine Rolle und ist ausschlaggebend dafür, wie wir diese bewerten. Dennoch scheint es unglaublich erfolgreiche Menschen zu geben, die offensichtlich gar keine Misserfolge haben, mit denen sie hadern könnten. Allerdings sind sie, wie ich häufig erlebe, nicht resilient im Sinne von souverän, entspannt und lösungsorientiert
shutterstock_1691936806.jpg

Shutterstock.com | Lightspring

Oft steigt der Stresspegel solcher nach außen erfolgreichen Personen bis ins ungesunde Maß, wenn etwas Unvorhergesehenes passiert. Die überträgt sich sofort aufs Unternehmen oder Team, zum Beispiel in Form absoluten Überreagierens. Gerne möchte ich Sie an meiner eigenen Geschichte teilhaben lassen und an den weisen Worten meiner Großmutter.

Auch wenn ich heute in unserem Familienunternehmen arbeite, war dieser Weg nicht von Beginn meiner beruflichen Laufbahn an vorgezeichnet. Zum Entsetzen meiner Großmutter schlug ich nach dem Abitur eine vollkommen andere Richtung ein und absolvierte eine Ausbildung als zeitgenössische Tänzerin und Tanzpädagogin. Als meine Großmutter davon erfuhr, erzählte sie mir eine Geschichte von der Tochter ihrer Freundin. Diese hatte ein ebenso herausragendes Abitur wie ich und das genutzt, um Jura zu studieren. Sie legte eine Blitzkarriere bis in Oberste Gericht hin. Sie schloss mit den Worten: „Ob sie glücklich ist, weiß ich nicht. Aber sie hat doch was erreicht.“ Das war ein Moment großer Erkenntnis für mich. Heute beobachte ich oft Manager und Managerinnen, bei denen mir sofort dieser Satz in den Sinn kommt und ich denke: „Ob sie glücklich sind, weiß ich nicht, aber sie haben doch was erreicht. Sie wirken getrieben vom Erfolg.“

Sei nicht erfolgreich

Bei solchen erfolgsgetriebenen Menschen stelle ich immer wieder fest, dass es gefühlt keine Pause geben darf, kein Feiern des Erreichten. Es wird hingegen sofort die nächste Messlatte definiert, mit der man seine Kompetenz beweisen kann. Glück oder Zufriedenheit sind nur zweitrangig, was sich auch im Stresslevel widerspiegelt. Dieser scheint ständig latent vorhanden zu sein und wächst enorm bei unvorhergesehenen Situationen oder Einflüssen. Die Intension für den Erfolg liegt ganz oft nicht im Erreichen von Zielen, sondern vielmehr darin, Misserfolge zu verhindern. Und dafür wird alles Menschenmögliche unternommen. Leider oft gepaart mit jeder Menge Stress. Diese Verhaltensmuster stammen meist aus der Kindheit – so geht man in der Transaktionsanalyse davon das, dass wir in unserer Kindheit sehr tiefe, unbewusst wirkende Glaubenssätze in Form von Verboten bilden. Eric Berne, Begründer der Transaktionsanalyse, hat zwölf Grundmuster dieser Verbote definiert. Eines davon lautet: „Sei nicht erfolgreich.“ Generell können wir diesen Verboten folgen oder dagegen ankämpfen.

Den eigenen Erfolg nicht genießen

Menschen, die dem Verbot „sei nicht erfolgreich“ folgen, gestalten ihr Leben so, dass sie sich immer kurz bevor sie etwas erreichen, selbst sabotieren. Nehmen wir zum Beispiel einen Jura-Studenten, der vor dem Staatsexamen steht. Er ist sehr gut vorbereitet und am Abend vor dem Examen denkt er, er müsse möglichst entspannt sein, um eine gute Prüfung abzulegen. Das ist er besonders dann, wenn er am Abend zuvor ein Bier mit seinen Freunden getrunken hat. Diesem Gedanken folgend verabredet er sich und es werden plötzlich ein paar Bier zu viel. Am nächsten Tag ist er dementsprechend nicht entspannt, sondern völlig verkatert und nicht in der Lage, eine gute Prüfung abzulegen. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die gegen das Verbot ankämpfen. Diese sind in der Regel sehr erfolgreich, doch getrieben von der Angst zu scheitern – somit können sie ihre eigenen Erfolge nicht feiern oder genießen. Ganz nach dem Motto meiner Großmutter: „Ob sie glücklich sind, weiß ich nicht, aber sie haben doch was erreicht.“

Schulen und Unternehmen fördern negative Muster

Die Grundmuster, nach denen Menschen handeln, werden oft durch das Verhalten der Eltern geprägt. Zum Beispiel wenn diese suggerieren, dass das Kind ohne sie nichts schaffen würde und fast schon eine Null-Fehler-Toleranz vorleben. Typisch hierfür ist, dass sofort die Fehler analysiert werden, wenn das Kind eine Zwei in einer Schularbeit bekommt und dann darauf hingewiesen wird, dass durch die Vermeidung von ein paar dummen Fehlern auch eine Eins möglich gewesen wäre. Auch Konstellationen unter Geschwistern führen zu diesem Verbots-Grundmuster. Die Jüngsten zum Beispiel können oft bei Diskussionen am Essenstisch noch keine relevanten Beiträge leisten oder es wird als süß und naiv abgetan, wenn sie etwas inhaltlich nicht so Fundiertes sagen. In unserer Kultur ist ein solches Verhalten weit verbreitet und wird noch immer später von Unternehmen gefördert.

Wie auch immer das Verbot „sei nicht erfolgreich“ vermittelt wird, geht jemand dagegen an, hat es immer den gleichen Effekt, nämlich, dass man allen beweisen will, dass man es doch kann. Das ist ein stiller und heimlicher Beweis, der leider nie vollendet ist und dazu führt, dass ein Scheitern absolut inakzeptabel ist. Zur Not muss eben noch härter gearbeitet werden, um den Erfolg sicherzustellen. Gleichzeitig herrscht auch die innere Sorge vor, dass irgendwann jemand entdeckt, dass man eigentlich doch nicht gut genug ist. Und auch das muss unter allen Umständen verhindert werden. Sie merken schon, wie viel Sprengstoff Richtung Stress in dieser Dynamik liegt.

Reflexion – ein erster Schritt

Erkennt man diese Dynamik und den Stress bei sich selbst, hilft die Auseinandersetzung mit folgenden Fragen:

  • Wem will ich etwas beweisen und wann ist der Beweis letztlich erbracht?
  • Ist der Zeitpunkt gekommen, an dem ich mich von alten Mustern lösen könnte?
  • Bin ich wirklich noch die kleine Schwester oder der kleine Bruder?
  • Wie kann ich meinen nächsten Erfolg feiern?
  • Auf welche Herausforderungen habe ich Lust?
  • Was würde mir Spaß machen?
  • Was macht mir bereits Spaß an meiner Arbeit?
  • Wovon sollte ich mehr machen?

Eine Reflexion allein reicht noch nicht, um festgefahrene Verhaltensmuster zu lösen und sich von diesem Stress zu befreien, ist aber ein wichtiger erster Schritt. Danach hilft ein Introvision Coaching, um den inneren Alarm in der Amygdala, der in Form von Hormonausschüttungen für Stress zuständig ist, von diesem inneren Verbot zu lösen und so wirklich zu Gelassenheit zu kommen.

Im Business Podcast von Alice Dehner gibt es weitere Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken.