Konflikte lösen - Teil 2
| Ulrich DehnerZukunft statt Vergangenheit
Wichtig ist es in die Zukunft zu sehen, statt die Vergangenheit klären zu wollen und sich eher mit der Frage, „wie wollen wir mit dem, was passiert ist, in Zukunft umgehen“, zu befassen.
Statt endlos Zeit damit zu vergeuden, die Vergangenheit, die sich ohnehin nicht mehr einholen lässt, zweifelsfrei und „historisch richtig“ zu rekonstruieren, ist es viel nützlicher, sich gemeinsam zu überlegen, wie man einen solchen Konflikt in Zukunft verhindern kann.
Was kann man tun, damit ein solcher Fehler, eine solche Panne, möglichst nicht mehr vorkommt?
Wie will man in Zukunft miteinander umgehen, damit die Kommunikation reibungslos klappt?
Welche Regeln will man gegebenenfalls vereinbaren, um zukünftige Konflikte zu vermeiden.
Angriffe und Spitzen ignorieren
Konflikte sind oft von großer Verärgerung begleitet, die sich durch verbale Attacken wie Ironie, Provokationen oder auch lautstarkes Schimpfen äußert. Der Verärgerte lässt Dampf ab und schießt dabei auch mal über das Ziel hinaus. Für den Verlauf eines Konflikts ist es besser, diese Verbalattacken nicht persönlich zu nehmen, sondern dem Konto „Verärgerung“ zuzuschreiben. Denn wenn man sich verteidigt oder zum Gegenangriff übergeht, wird die Situation immer weiter eskalieren, statt sich zu klären.
Um gelassen zu bleiben und sich nicht persönlich getroffen zu fühlen, ist es hilfreich sich klarzumachen, dass sich jeder, auch man selbst, aus Wut schon mal im Ton vergriffen hat und Dinge gesagt hat, die einem hinterher leidtun.
Auf die Beziehungsebene wechseln
Diese Strategie kann man anwenden, wenn die Verbalattacken des anderen so heftig werden, dass man sie nicht mehr einfach übergehen kann oder wenn die Beziehung anderweitig sehr gestört ist.
Gerade im geschäftlichen Kontext löst es oft Überraschung aus, wenn man die Sachebene verlässt, um über die Art und Weise zu sprechen, wie man gerade miteinander umgeht. Doch wenn die Wut beim anderen überhandnimmt, ist das oft eine gute Möglichkeit, ihn zu stoppen.
Den emotionalen Stellenwert erkennen
Dieser Punkt ist besonders wichtig für Leute, die mit Reklamationen umgehen müssen, denn sie müssen ein Sachproblem plus die damit einhergehende Verärgerung behandeln. Wenn Menschen den Eindruck haben, dass ihr Gegenüber nicht wahrnimmt, wie unangenehm für sie der Anlass des Konflikts ist, wenn sie glauben, der andere nimmt ihre Beschwerden auf die leichte Schulter, neigen sie noch schneller dazu, ihren Ärger oder ihre Wut eskalieren zu lassen. Fühlen sie sich hingegen auch emotional gut versorgt, können sie wieder auf die Ebene des Erwachsenen-Ich wechseln.
Solange der Kunde noch völlig emotional reagiert, ist es sinnlos, Lösungsvorschläge zu machen. Es ist wichtig, ihm erst Gelegenheit zu geben, seinen Ärger loszuwerden und ihm zu zeigen, dass man seinen Ärger ernst nimmt.
Deutliche Kontextmarkierer setzen
Viele Konflikte lassen sich vermeiden, wenn man durch Wortwahl und gegebenenfalls Mimik und Gestik sehr deutlich macht, in welchem Kontext man das Gespräch angesiedelt sehen möchte.
Beispiel: Ein Chef, der über Ursachen eines Fehlers und Möglichkeiten seiner zukünftigen Vermeidung sprechen will, muss seinem Mitarbeiter sehr deutlich klarmachen, dass er nicht vorhat „Gerichtssaal“ mit ihm zu spielen, um ihn abzuurteilen. Damit erspart er sich lange Verteidigungsreden, Beweisführungen, Zeugen aussagen und möglicherweise auch „Notlügen“.
Die hierarchischen Ebenen respektieren
Falsche Beziehungsgestaltung sorgt häufig dafür, dass berechtigte inhaltliche Forderungen nicht mehr durchgesetzt werden können. Ein neuer Chef zum Beispiel, der sich schon mehrfach darüber geärgert hat, dass der vorherige Chef der Abteilung, der jetzt über ihm sitzt, immer wieder an ihm vorbei Aufgaben an seine Mitarbeiter delegiert, stellt seinen Vorgesetzten zur Rede: „Das muss jetzt sofort aufhören, das lasse ich mir nicht länger bieten!“ - was der sich so natürlich nicht gefallen lassen kann und deshalb wenig kooperativ auf die Beschwerden seines Untergebenen eingeht. Durch das Zur-Rede-Stellen stellt sich neue Abteilungsleiter beziehungsmäßig über seinen Chef, was dazu führt, dass dieser nicht mehr so ohne weiteres dem Anliegen entgegenkommen kann, denn er wird dadurch psychologisch entmachtet. Wenn er die Machtverhältnisse wiederherstellen will, muss er einfach nur „Nein“ sagen, denn damit ist klar, wer die Macht hat.
Ich-Botschaften geben statt Du-Botschaften
Ich Botschaften tragen zur Deeskalation bei, denn man legt durch sie den anderen nicht fest, sondern schildert nur, was dessen Verhalten bei einem selbst auslöst. Darüber kann man nicht streiten, wohingegen Du-Botschaften endlose Diskussionen verursachen können.
Beispiel Du-Botschaften: Ein Kollege wirft dem anderen vor: „Sie suchen sich immer nur die leichten und angenehmen Aufgabe raus. Den ganzen Mist darf immer nur ich machen“.
Der andere wehrt sich: „Sie arbeiten einfach zu langsam. Meine Aufgaben kann man Ihnen gar nicht geben, sonst würden wir gar nicht fertig werden.“
Der erste: „Wenn Sie nicht immer so unkollegial wären, sich die einfachen Aufgaben rauszupicken, könnte man die Arbeit gerechter verteilen, dann wäre ich auch schneller fertig. Ich habe immer die komplizierten Sachen, die dauern einfach länger! Sie sind doch zu bequem, sich in die komplizierten Geschichten einzuarbeiten!“
Daran könnte sich eine endlose Diskussion anknüpfen, wer, wann, wie langsam bzw. bequem ist.
Mit Ich-Botschaften sähe die Diskussion anders aus: „Ich würde gern mit Ihnen über die Arbeitsverteilung reden. Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass der größte Teil der komplizierteren Aufgaben bei mir landet.“
Kollege: „Mein Eindruck ist, dass Sie recht lange für die Sachen brauchen.“
Der erste: „Das stimmt schon, dass ich für manches länger brauche. Das liegt meines Erachtens aber daran, dass meine Aufgaben komplizierter sind, ich muss viel mehr nachschauen, viel mehr Ausnahmen berücksichtigen. Mir wäre daran gelegen, zu einer anderen Aufgabenverteilung zu kommen und mir wäre auch wichtig, dass Sie sich dafür in die komplizierten Aufgaben einarbeiten.“
Kompromissfindung
Wichtig sind Überlegen, zu welchem Preis ein Konfliktpartner nachgeben kann.
Oft beißen sich beide Parteien eines Konfliktes an ihren Positionen fest, weil sie befürchten als Verlierer dazustehen, wenn sie jetzt nachgeben.
Damit es in verfahrenen Situationen wieder vorwärts geht, kann man das Feld für Verhandlungen wieder öffnen mit der Frage: „Unter welchen Bedingungen wären Sie denn bereit, dem anderen in dieser Frage entgegenzukommen?
Den wahren Kern von Kritik bestätigen
Viele Konflikte erwachsen aus den Vorwürfen, die einer dem anderen macht. Diese Vorwürfe sind häufig übertrieben, weshalb sich der andere vehement dagegen wehrt. Da sie jedoch meist einen wahren Kern enthalten, will der andere den Vorwurf nun auch nicht einfach fallenlassen, sondern beharrt nur noch mehr auf seiner Darstellung. So kommt ein Teufelskreis zustande, der einer Einigung nicht förderlich ist.
Empfehlenswerter ist es, selbstkritisch anzuerkennen, welches Fünkchen Wahrheit in der überzogenen Kritik enthalten ist, dann kommt der andere meist sehr schnell wieder auf vernünftiges Terrain zurück und man kann sachlich über vorgefallenes sprechen.
Dazu helfen Formulierungen wie: „Gut, es kann schon sein, dass ich mich da unklar ausgedrückt habe“ oder „Ich gebe zu, dass ich in dieser Situation etwas zu scharf im Ton war!“ oder „Sie haben recht, das war ein bisschen ungerecht, was ich da gesagt habe!“
Den anderen sein Gesicht wahren lassen
Eine alte chinesische Kriegsregel besagt „Umstell deinen Feind nie von allen vier Seiten, denn dann wird er unberechenbar“.
Im Konfliktfall bedeutet das: Wenn man darauf aus ist, den anderen ob seines Unvermögens oder seines Fehlers öffentlich vorzuführen, schafft man bereits die Grundlage für den nächsten Konflikt.
Wenn man dem anderen keine Chance lässt, nach außen hin sein Gesicht zu wahren, wird er sich vermutlich irgendwann dafür revanchieren wollen. Wenn man den Eindruck hat, der andere hat genau verstanden, um was es eigentlich geht, und dass er etwas ändern muss, oder er kommt nicht mehr so einfach davon, ist es meist besser, man lässt ihm auch eine durchsichtige Notlüge durchgehen.
Vereinbarungen treffen
Um künftige Neuauflagen eines Konfliktes zu vermeiden, reicht es meistens nicht, dass man über alles gesprochen und alles geklärt hat. Auch wenn die Situation sich zunächst entspannt hat: Wenn nicht klar ist, wie man in Zukunft solche oder ähnliche Konflikte vermeiden will, kann man wieder hineinrutschen.
Deshalb ist es hilfreich, miteinander Vereinbarungen zu treffen, wie man sich verhalten und wie man miteinander umgehen will. Wenn man eine solche Vereinbarung trifft, sollte man auch gleich mit vereinbaren, wie man mit „Rückfällen“ umgehen will. Denn gerade, wenn es um Verhaltensänderungen geht, kann es schnell passieren, dass man wieder in alten Mustern landet. Dann ist es gut, wenn die Vereinbarung schon beinhaltet, wie man sich gegenseitig auf solche Rückfälle aufmerksam machen will.