Alarm heißt „Zu den Waffen!“

| Ulrich Dehner
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Wie geht es Ihnen, wenn Sie sich alarmiert fühlen? Wie ist die Lage, wenn sie als „alarmierend“ beschrieben wird? Nicht gut jedenfalls! Ein Alarm geht immer mit unangenehmen Begleitumständen einher. Und wozu wird ein Alarm installiert? Um vor einer Gefahr zu warnen und alle Menschen, die ihn hören, zu einer Handlung zu veranlassen: Entweder kämpfen oder fliehen.

Genau das ist der Grund, weshalb auch unser Gehirn „Alarme“ installiert. Das passiert zum Beispiel, wenn jemand etwas sehr Unangenehmes erlebt und sich unbewusst innerlich entscheidet „Das will ich auf gar keinen Fall noch einmal erleben“. Das Gehirn, das sicherstellen will, dass so etwas nicht noch einmal durchlitten werden muss, etabliert im limbischen System einen Alarm, der sofort laut zu schrillen anfängt, sobald es auch nur annähernd so aussieht, als könnte man wieder in eine solche Situation geraten.

Dieser Alarmzustand ist, entwicklungsgeschichtlich betrachtet, jene Stressreaktion, die es den Menschen ermöglicht hat, ihr Überleben zu sichern. Die Amygdala ist der Teil des limbischen Systems, in welchem Informationen aus dem Organismus und Botschaften von außen verarbeitet und bewertet werden. Sie ist die zentrale Verarbeitungsstelle für äußere Reize. Die von der Amygdala blitzschnell aktivierten Stress-Hormone überfluten den Körper und versetzen Menschen in die Lage, von Null auf Hundert Höchstleistungen zu erbringen, um zu fliehen oder zu kämpfen, oder manchmal, auch das kommt vor, in Schockstarre zu verfallen - denn wer „tot“ ist, bleibt vielleicht vor einem Angriff verschont.

Dass sich solche Alarme in der Amygdala selbst in „vorsprachlichen“ Zeiten schon entwickeln können, zeigt das Beispiel eines Klienten, der eine ihm selbst unverständliche Angst vor Spritzen hatte. Er schilderte sein Problem so: „Ich kann es selbst kaum in Worte fassen, was sich da bei mir abspielt. Aber dieses Gefühl, die Spritze in meiner Vene zu spüren, ist so schrecklich, dass ich eigentlich nur noch schreiend davonlaufen will!“ Dieses Problem brannte dem Klienten unter den Nägeln, da ihm eine Operation bevorstand, er also gezwungen war, die Kanüle in seiner Vene zu ertragen.

Bei der Problemanalyse fragte ihn der Coach, ob er denn als Baby eine schwere Krankheit durchgemacht habe. Dabei stellte sich heraus, dass auf Grund einer Gelbsucht, wie sie bei Neugeborenen manchmal vorkommt, sein Blut ausgetauscht wurde. Diese Erfahrung des Neugeborenen, hilflos etwas ausgeliefert zu sein, das ihm Angst und Schmerzen verursachte, ohne zu verstehen, was da mit ihm gemacht wurde, hat sich offenbar so tief eingegraben, dass der Alarm, der damals gebildet wurde, selbst beim Erwachsenen immer noch ansprang.

An diesem Beispiel lässt sich auch gut erkennen, dass jeder Versuch, einen solchen Alarm mittels Vernunft und „festem Willen“ zu bewältigen, nicht funktioniert. Denn natürlich hatte sich der Klient im Verlauf vieler Jahre beständig von der „Irrationalität“ seiner Angst zu überzeugen versucht. Natürlich war ihm klar, dass Spritzen „nicht schlimm“ sind, natürlich wusste er, wie wichtig und hilfreich sie sind. Doch angesichts einer Spritze waren die vernünftigen Argumente sofort wie weggeblasen - der Alarm ist immer schneller als das Großhirn, in dem unsere Vernunft angesiedelt ist. Das muss auch so sein, damit wir im Falle einer realen Gefahr schnell genug reagieren können. Im Falle eines Alarms jedoch, der uns blockiert und behindert, ist das schlecht.

Die gute Nachricht ist, dass Alarme gelöscht werden können - nämlich dann, wenn man nicht mehr auf sie reagiert. Erinnern Sie sich, was wir oben gesagt haben? Ein Alarm ist dazu da, eine Handlung auszulösen. Wenn er keine Handlung mehr auslöst, ist er überflüssig. Wenn jemand „Feuer“ schreit, wird das bei Ihnen einen Alarm auslösen und Sie werden aufgeschreckt reagieren - bis Sie merken, dass es gar nicht brennt. Beim zweiten Mal werden Sie auf den falschen Alarm vielleicht auch noch reagieren, beim zehnten Mal jedoch nicht mehr. Solch ein falscher Alarm kostet Sie einfach zu viel Energie, also denken Sie: „Lass ihn ruhig schreien!“ und gehen weiter Ihrer Arbeit nach.

Das Hirn, das ein sehr effizientes Organ ist, sieht das genauso - ein Alarm, auf den nicht mehr reagiert wird, kostet einfach zu viel Energie. Wenn jemand beim IntrovisionCoaching gelernt hat, seine Alarme nur ablaufen zu lassen, sie einfach nur zu beobachten, ohne sie zu werten, ohne zu versuchen, irgendetwas mit ihnen zu tun, veranlasst damit seine Amygdala zu lernen, dass der Alarm überflüssig ist. Und dann wird sie ihn löschen.