Sind Sie etwa ein Fisch?

| Ulrich Dehner
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Der Abteilungsleiter nimmt seine Verantwortung als Führungskraft sehr ernst. Als junger Angestellter hatte er sich oft genug darüber geärgert, seinen Chef nur als abgehobenen „Den da oben“ zu erleben. Deshalb ist es ihm besonders wichtig, möglichst immer als Ansprechpartner für seine Mitarbeiter da zu sein. Allerdings steht er unter erheblichem Termindruck. So viel Zeit, wie er gern möchte, kann er sich gar nicht für jeden Einzelnen nehmen. Als heute schon wieder ein Mitarbeiter, der für seine vielen Sonderwünsche bekannt ist, bei ihm anklopft, bedeutet er ihm, dass er darüber jetzt wirklich nicht mit ihm reden will.

Der reagiert pikiert mit den Worten: „Ach, es ist doch immer das Gleiche. Für unsere Belange haben Sie nie Zeit, wir sollen einfach nur funktionieren!“

Diese Anschuldigung trifft den Abteilungsleiter bis ins Mark. So will er nun wirklich nicht gesehen werden. Er bittet den Mitarbeiter innerlich zähneknirschend, sich zu setzen und zu sagen, was er will, denn diesen Vorwurf kann er einfach nicht auf sich sitzen lassen.

Und genau das ist ein . Ein Köder ist ein Leckerbissen, den man nicht liegen lassen kann. Da der Vorwurf des Mitarbeiters gegen einen der wichtigsten Werte des Abteilungsleiters geht und da es ihn ohnehin belastet, nicht immer genügend Zeit für Gespräche zur Verfügung zu haben, trifft die Anschuldigung seinen .

Genau so fangen psychologische Spiele an:

An dem kleinen Beispiel haben Sie wahrscheinlich schon gesehen, dass es mit dem Auswerfen des Köders allein nicht getan ist. Der muss auch geschluckt werden, damit ein Spiel zustande kommt. Deshalb ist es für Sie hilfreich, wenn Sie wissen, welches Ihre wunden Punkte sind. Denn Behauptungen, Anschuldigungen, Sticheleien, die bei Ihnen keine Saite zum Schwingen bringen, weil Sie da nicht empfindlich sind, funktionieren in diesem Fall eben nicht als Köder. Was Sie nicht weiter juckt, darauf werden Sie mit einem Achselzucken reagieren, mit einem gelassenen „Na und“, schlimmstenfalls mit einer leichten Irritation – so kann man jedenfalls kein Spiel mit Ihnen anfangen. Doch wenn man Ihren wunden Punkt erwischt, sieht die Sache schon anders aus. Denn der schmerzt, deshalb muss er verteidigt werden - und schon hängen Sie am Haken.

Sehr viele wunde Punkte haben mit der eigenen Kompetenz zu tun. Wird die angezweifelt, hat kaum einer die Ruhe weg, darauf nicht zu reagieren. Ein hingeworfenes: „Ach, sagen Sie bloß, Sie können das nicht?“ oder ein vorwurfsvolles: „Geben Sie doch zu, dass Sie davon schlicht und ergreifend keine Ahnung haben!“ oder ein süffisant gesticheltes:„Nun ja, das war ja wohl noch nie Ihre Stärke, das wissen ja alle…“ kann einen zur Raserei bringen, besonders, wenn es von den „richtigen“ Personen kommt.

Es muss aber gar nicht immer ein Angriff sein, der Sie in Handlungsdruck bringt. Manche Köder bestehen in zur Schau gestellter Hilflosigkeit: „Sieh mich doch an, ich bin völlig unfähig, mit diesem riesengroßen Computerproblem fertig zu werden. Aber du bist so wunderbar, du schaffst das für mich!“ Und weil man diese Hilflosigkeit nicht mitansehen kann – und weil man gern ein bisschen wunderbar ist – beißt man an, schluckt den Köder und zappelt schwupps an der Angel. Dabei ärgert man sich insgeheim, erstens wegen der verlorenen Zeit und zweitens weil man genau weiß, dass man gerade diese Schwierigkeit schon dreimal mit dem Mitarbeiter durchgesprochen hat, er also selbst damit klarkommen müsste.

Wollen Sie Ihre wunden Punkte kennenlernen? Dann stellen Sie sich folgende Fragen und beantworten sie so ehrlich wie möglich:

Je besser Sie Ihre wunden Punkte kennen, desto leichter fällt es Ihnen, einen angebotenen Köder nicht zu schlucken - Sie sind schließlich kein Fisch!