Träume sind Schäume - Pläne sind Schwäne

| Ulrich Dehner
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Wer sich in den letzten Jahren damit beschäftigt hat, wie der Mensch sich selbst bei der Erreichung seiner Ziele motivieren und unterstützen kann, hat meist in etwa folgendes erfahren: Es ist wichtig, sich die Ziele sehr konkret und positiv auszumalen und sich innerlich in den Zielzustand hineinzuversetzen, um so das Unbewusste zu veranlassen, über dieses positive Denken den angestrebten Zustand zu erreichen.

Dass das „positive Denken“ längst nicht die Heilsgeschichte ist, wie seine Befürworter glauben machen wollten, hat sich inzwischen herumgesprochen. Psychologische Forschung hat nachgewiesen, dass Menschen, die sich allein auf das „positive Denken“ veranlassen in vielen Situationen sogar schlechter abschneiden als andere, die ohne dieses „Hilfsmittel“ ähnliche Situationen bewältigten, Prüfungen zum Beispiel oder Diäten oder Jobsuche.

Die Psychologen haben sich natürlich auch gefragt, warum das so ist, denn die „Kraft unseres Geistes“ ist ja unbestritten: Wir können uns enorm mit unserem Geist, unserem Unbewussten, unseren Gedanken beeinflussen. Aber so simpel, wie die Apologeten des „positiven Denkens“ glaubten, geht es eben nicht. Wer gern abnehmen möchte, der wird vermutlich kein einziges Gramm dadurch verlieren, dass er sich ausschließlich vorstellt, wie er rank und schlank durch das Leben tanzt. Aber wer sich entscheidet, eine Diät zu machen, der kann den Erfolg dieser Diät mit der Kraft seiner Gedanken sehr wohl befördern: Er braucht dazu allerdings auch seine „negativen Gedanken“! Denn, so die psychologische Forschung, wer nur in seinen Träumen schwelgt, der raubt sich selbst die Energie, um das zu tun, was notwendig ist, sein Ziel, es sei, was es wolle, zu erreichen. Machen wir uns nichts vor: Jede Zielerreichung ist mit Anstrengung verbunden. Im besten Fall macht die Anstrengung einfach nur Spaß und wird deshalb als angenehm empfunden, manchmal muss man aber auch einen inneren Schweinehund überwinden und häufig sogar öfter als einmal. Wenn man dann nur in seinen herrlichen Träumen abhängt, hat man schlechte Karten. Ein richtig guter Träumer ist noch lange kein guter Umsetzer.

Wir brauchen also auch unsere „negativen Vorstellungen“ um unsere Ziele zu erreichen. Aber wie? Indem wir uns etwa ausmalen, was alles Fürchterliches passiert, wenn wir jetzt nicht den Popo hochkriegen? Nein, so nicht!

Die nimmermüden psychologischen Forscher haben zwei Gruppen miteinander verglichen: Die Gruppe der ausschließlich Positivdenker mit der Gruppe von Probanden, die sich nicht nur ihre Ziele schön ausmalten, sondern sich auch mit den möglichen Hindernissen auseinandersetzten. Dabei ging es weniger um äußere Hindernisse, die kamen seltener vor, sondern im Wesentlichen um die möglichen inneren Hürden und Bremsklötze. Nehmen wir als Beispiel das Ziel, mehr Sport zu betreiben. Diejenigen, die sich einfach nur vorstellten, wie sie irgendwann total sportlich und trainiert sind, erreichten sehr viel weniger, als die andere Gruppe, die sich damit auseinandersetzte, dass, um dreimal die Woche morgens zu joggen, dreimal die Woche in aller Herrgottsfrühe das warme Bett verlassen werden muss, um etwas ziemlich Anstrengendes zu tun. Die Teilnehmer der ersten Gruppe drehten sich morgens signifikant häufiger einfach seufzend auf die andere Seite, als der Wecker das erste Mal klingelte, während die Teilnehmer der zweiten Gruppe aufstanden und losliefen - denn sie hatten sich vorher einen Plan gemacht, wie sie dem inneren Schweinehund, der ihnen als inneres Hindernis bewusst war, ein Schnippchen schlagen könnten. Dieser Plan besticht durch seine Schlichtheit! Keine komplizierte Angelegenheit also, mit ausgefeilten Planungsmethodiken, sondern einen ganz simplen „Wenn-dann“ - Plan: „Immer, wenn morgens der Wecker klingelt, springe ich sofort aus dem Bett und renne los.“

In ihrem Buch „Rethinking Positive Thinking“ beschreibt die Autorin Gabriele Oettingen, wie solche nützlichen „Wenn-dann“ - Planungen aussehen können. Zum Beispiel für jemanden, der das Ziel hat, mehr Menschen kennenzulernen: „Immer, wenn ich bei einer Party oder anderen Veranstaltungen den Gastgeber oder Veranstalter begrüßt habe, gehe ich sofort auf jemanden zu, den ich noch nicht kenne und stelle mich vor.“ Teilnehmer der „Wenn-dann“-Gruppe, die sich beim Ausmalen ihres Ziels Rechenschaft darüber ablegten, wie leicht es ihnen fiel, sofort zur Bar zu gehen und den Abend angeregt mit dem einen oder anderen netten Cocktail zu verbringen, lernten signifikant mehr Menschen kennen als Teilnehmer der „Positiv-Denken“-Gruppe.

Auch für „Notfälle“ sollte man einen Wenn-dann-Plan parat haben. Also wenn das Ziel zum Beispiel darin besteht, Diät zu halten um ein paar Kilo abzunehmen, man nun aber einem verlockenden Stück Himbeertorte leider nicht vorbeikommt. Dann fällt bei den „Positiv-Denkern“ häufig jede Schranke, weil „man hat es ja eh nicht geschafft“. Doch mit einem einfachen „Wenn ich doch mal etwas nasche, dann mache ich trotzdem am nächsten Tag weiter mit der Diät“ gelingt es den meisten Leuten, es bei dem verzeihlichen Ausrutscher zu belassen - und in der Folge erfolgreich abzunehmen.

Wer sich auch seiner „negativen Gedanken“ bedient, ist also, was Zielerreichung betrifft, deutlich im Vorteil gegenüber jenen, die nur positiv denken, denn die haben keine Ressourcen, auftretende Schwierigkeiten zu überwinden. Allerdings, das soll nun auch noch einmal betont werden, es ist durchaus wichtig und nötig, sich sein Ziel in leuchtenden Farben auszumalen. Schon allein, um herauszufinden, ob es wirklich das richtige Ziel ist, ob es das ist, wofür man sich begeistert und anspornt. Denn nur dann gibt es einem auch die nötige Energie, sich ernsthaft hinter das Erreichen des Ziels zu klemmen.

Damit Träume nicht Schäume bleiben, die sich sehr schnell in Luft auflösen, sondern schöne Schwäne werden, die stolz ihre Bahnen ziehen und sich bei Bedarf sogar in die Lüfte erheben, sind folgende Schritte hilfreich: