Renates Kolumne: Behalten Sie die Nerven!

| Renate Dehner
Zurzeit ist nichts einfach, auch nicht, eine heitere Kolumne zu schreiben. Das merke ich übrigens auch an den professionellen Erzeugnissen in den diversen Zeitungen, die ich lese. Es war schon länger keine mehr dabei, die ich beneidenswert gut fand. Nicht, dass mich das übermäßig stört: Ich empfinde es als beruhigend, dass alle gerade ziemlich lahmen, wird eben überall nur mit Wasser gekocht. Und wenn das Wasser so schal ist wie im Moment, was willste machen? Genauso scheint es Kabarettisten zu gehen, selbst jenen, die ehedem richtig gut waren. Die entlocken einem gerade noch ein müdes Lächeln, im besten Fall.
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Zur Müdigkeit gibt es noch ein bisschen mehr zu sagen. Doch bleiben wir erstmal bei der Heiterkeit. Die Heiterkeit versteckt sich gerade hinter einer FFP2-Maske. Worüber soll man auch lachen? Über die geballte Unfähigkeit, die uns allerorten begegnet? Selbst Andi Scheuer, sonst immer für einen Witz gut, hat sein komisches Potenzial verloren.  Dass er uns Steuerzahler Hunderte von Millionen Euro kostet? Geschenkt, da haben wir uns doch längst an ganz andere Summen gewöhnt, die zwar irgendwie „ausgeschüttet“ werden, aber offenbar nur selten bei denen ankommen, die sie dringend nötig haben. Doch hat man noch die Kraft, darüber markige Worte zu verlieren? Nein, da ist es wieder, das müde Lächeln. Dass ausgerechnet Jens Spahn sich für sein Krisenmanagement selbst auf die Schulter klopft? Zugegeben, das wäre in anderen Zeiten ein echter Brüller gewesen – aber jetzt? Wie gesagt, müdes Lächeln.

Sprechen wir also über die Müdigkeit, diese lustlose Müdigkeit… Die Weltgesundheitsorganisation hat sich jüngst dazu verstiegen zu behaupten, sie stelle neuerdings allerorten eine „Pandemie-Müdigkeit“ fest. Jaha, was waren das noch für Zeiten, als es eine veritable Pandemie-Begeisterung gab! Was haben wir nicht gejubelt, was war das für ein freudiges Willkommenheißen des Virus, was haben wir uns gefreut über den Lockdown! Keine Ahnung, wie die WHO zu ihrer überraschenden Feststellung der „Pandemie-Müdigkeit“ kommt. Festzustellen ist hingegen: 1. Die Neigung, sich in der Metapher zu vergreifen, macht auch vor internationalen Organisationen nicht halt. 2. Die Fähigkeit, sich des richtigen Ausdrucks zu bedienen, korrespondiert ganz offenbar mit der Fähigkeit, die richtigen Maßnahmen zu ergreifen.

Hätten sie von „Inkompetenz-Müdigkeit“ gesprochen, man hätte ihnen sofort zugestimmt, auch „Maßnahmen-Intoleranz“ wäre als korrekte Beschreibung vermutlich durchgegangen. Die sollte die WHO vielleicht überhaupt in den ICD-10-GM 2021, die „Internationale Statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme“, aufnehmen, denn wahrscheinlich ist sie inzwischen weltweit häufiger anzutreffen als Laktose-Intoleranz. Aber das nur als Anregung so nebenbei.

Wie immer man es nimmt, von „Pandemie-Müdigkeit“ zu sprechen ist die Untertreibung des Jahres! Sie verhagelt einem die Stimmung, die Pandemie, selbst wenn man sich Mühe gibt, die Moral aufrecht zu erhalten, so sieht es nämlich aus.

Selbst das Joe Biden als Nr. 46 vereidigt wurde, taugt nicht so wirklich als Stimmungsaufheller, wenn man bedenkt, dass über siebzig Millionen für den orangefarbenen Affen gestimmt haben und ernsthafte Menschen wie Noam Chomsky in ernsthaften Interviews nicht ausschließen, dass Nr. 45 „eine Art alternativer Schattenregierung“ errichten wird. Es ist anzunehmen mit dem Ziel, in vier Jahren als Nr. 47 das Land endgültig in den Abgrund zu führen. Falls seine Anhänger und die sogenannte Republikanische Partei das nicht schon vorher schaffen. Die Aussichten, was die Weltpolitik betrifft, sind also nur sehr verhalten ins Helle tendierend.

Einen gewissen Trost findet man wie immer bei den Philosophen der Aufklärung. In seinem „Philosophischen Wörterbuch“ erzählt Voltaire folgende Fabel: „Die Syrer stellten sich vor, dass Mann und Frau im vierten Himmel geschaffen wurden und darauf verfielen, Fladenbrot statt Ambrosia zu essen (…) Ambrosia schwitzte sich durch die Poren aus, aber nachdem man Fladenbrot gegessen hat, hat man Stuhlgang. Der Mann und die Frau baten einen Engel, sie zu belehren, wo denn das gewisse Örtchen sei. Seht ihr, sagte der Engel, diesen kleinen, unscheinbaren Planeten da, etwa sechzig Millionen Meilen von hier entfernt, dort ist das stille Örtchen des Universums… Sie gingen hin, man ließ sie dort, und seit dieser Zeit war unsere Welt das, was sie ist.“

Und wenn Sie sich jetzt fragen, was daran tröstlich sein soll, antworte ich: Gibt es einen besseren Beleg für die Wahrheit der klassischen Überzeugung „Et hätt noch emmer joodjegange!“? Die Welt, sie war noch nie vollkommen, ging trotzdem immer irgendwie weiter.