Renates Kolumne: Ein Tipp für die Ferien
| Renate DehnerWenn die Realität des Lebens, sagen wir mal ein paar hässliche Schrammen aufweist, bleibt uns immer noch die Kunst. Um Trost in der Kunst zu finden, habe ich gestern Abend eine Vernissage besucht. Es war, um es gelinde auszudrücken, ein Reinfall. Wenn ein Künstler, der nichts kann, den Schutzschirm der „Rezeptionsästhetik“ für sich aufspannt, um damit den schwarzen Peter für sein Unvermögen auf den Betrachter abzuwälzen, beweist er eigentlich nur eines, nämlich dass er es in der Fertigkeit des eitlen, selbstverliebten hohlen Geschwafels auf vermeintlich hohem Niveau ziemlich weit gebracht hat. Vielleicht hätte mir die eine oder andere Fotografie des Ausstellenden sogar gefallen, wenn ich nicht gezwungen gewesen wäre, seiner einleitenden Selbstbeweihräucherung zu lauschen. So dachte ich mir nur: „Wenn ich mich langweilen will, schaue ich mir die weiße Wand an, das ist unterhaltsamer.“ Das war an dem Abend also nichts, mit dem Trost in der Kunst.
Das geht jedoch auch anders. Aus diesem Grund möchte ich die verehrte Leserschaft auf ein Kunstprojekt hinweisen, das mich wirklich berührt, begeistert und auch glücklich gemacht hat. Es war für mich eine gänzlich neue Erfahrung, denn Kunst in der Landschaft, in und aus der Natur, kannte ich bis dahin nicht, jedenfalls nicht direkt, als unmittelbares Erlebnis, sondern nur vermittelt durch Film oder Foto. Vorher hätte ich mir gar nicht vorstellen können, wie wunderschön ich das finden würde. Vielleicht regt es den einen oder anderen, der noch keine festen Pläne für die kommenden zwei, drei Monate hat, ja sogar zu einem sommerlichen Ausflug an.
Ich spreche vom Arte Sella Projekt in den Alpen, im Trentino, etwa eine Stunde von Trient entfernt, in der Gemeinde Valsugana. Hier gleich ein wichtiger Hinweis für die mit dem empfindlichen Magen: nehmen Sie genug simples Weißbrot zum Kauen mit, das hilft. Man kommt nämlich nur auf einer abenteuerlich kurvigen Bergstraße zum Ziel, man fährt und fährt, immer weiter hinauf in die Berge und gerade, wenn man restlos überzeugt ist, dass man sich leider verfahren und die entscheidende Abzweigung ganz offenbar verpasst hat, kommt zum Glück wieder ein Hinweisschild, dass man doch nicht vom rechten Pfad abgekommen ist und unverzagt weiter voranschreiten soll. Das ist erstmal ein großer Trost für die mit dem empfindlichen Magen, es dauert dann aber trotzdem nochmal eine ganze Weile, bis man schließlich am ersten Teil des Arte Sella Projektes, einer alten Villa mit umgebendem Park, angekommen ist.
Dieser erste Teil ist schon sehr schön und hat mir gut gefallen. Aber so richtig umwerfend wird es im zweiten Teil. Um dahin zu kommen, muss man, was man als Flachlandbewohner kaum für möglich hält, sich nochmal eine ganze Ecke höher in die Bergwelt schrauben, aber dann… Aber dann! Ganz abgesehen davon, dass die Landschaft ohnehin schon atemberaubend ist, sieht man auf einem sehr ausgedehnten Park-Gelände die einfallsreichsten Kunstwerke aus Holz, aus Stein, aus Wurzelwerk, aus lebenden Bäumen und Büschen, die der Mensch nur ersinnen kann. Das ist so wunderbar, dass sich die kurvige Bergstraße mit ihren Zumutungen für den empfindlichen Magen aber hundert Mal gelohnt hat. Wenn Sie neugierig geworden sind, geben Sie in Ihre Suchmaschine einfach Arte Sella Projekt ein und sehen Sie sich im Internet ein paar Fotos an. Die reichen zwar auch nicht annähernd an die unmittelbare Empfindung, wenn man davor steht, heran, sind aber doch immer noch besser als meine dürren Worte.
Ja, Kunst ist ein Trost, der einen die manchmal beängstigende Wirklichkeit wenigstens für Augenblicke vergessen machen kann – und im Arte Sella Projekt steht kein von sich eingenommener Schwätzer da, der glaubt, unter Beweis stellen zu müssen, was für ein gescheites Kerlchen er ist. Es ist Genuss pur.
In der Hoffnung, Sie vielleicht auf einen guten Gedanken gebracht zu haben, wenn nicht für dieses, dann vielleicht für ein zukünftiges Jahr, verabschiede ich mich in die Sommerferien – jedenfalls in die Ferien, sollte es mit dem „Sommer“ so weitergehen.