Renates Kolumne: Melde mich zurück aus dem Urlaub

| Renate Dehner
Nun fängt der Alltag wieder an, doch ich möchte nochmal auf den Urlaub zurückkommen. Denn zu Beginn meiner Sommerferien habe ich in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit der Schweizer Journalistin und Autorin Michèle Roten gelesen. Es wurde geführt anlässlich ihres neuen Buches „Wie mit (m)einem Körper leben. Eine Auto-Autopsie“. Sie hat davor noch zwei andere Bücher geschrieben mit den Titeln „Wie Frau sein“ und „Wie Mutter sein“, bekannt wurde sie offenbar mit einer Kolumne im Schweizer „Tagesanzeiger“, die neun Jahre lang unter dem Titel „Miss Universum“ erschien. In meinen Augen lassen schon allein diese Titel eine gewisse Tendenz erkennen, über die ich mich jetzt aber nicht weiter auslassen will – Vorurteile und so… Dazu kommt noch, dass ich rein gar nichts von ihr gelesen habe, also keinen blassen Schimmer über ihre Qualitäten als Autorin mein Eigen nenne.
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Als Interview-Partnerin fand ich sie zunächst, sagen wir, belanglos. Um das zu illustrieren: Auf die Frage: „Sie haben einen Second-Hand-Laden in Zürich. Hat Ihnen das neue Erkenntnisse über Frauen und ihre Körper gebracht?“ antwortete sie: „Ja. Es ist eine ganz große Erkenntnis von mir, dass man niemals das Äußere von jemandem kommentieren soll.“ Tja, auweia, was soll man sagen, meistens kriegt man das als Kind schon beigebracht, aber spätestens als Teenager hätte sie das bereits lernen können und nicht erst mit über vierzig.

In Ordnung, Schwamm drüber, was mir wirklich unangenehm aufgestoßen ist, war etwas anderes. Sie wurde gefragt: „Warum, glauben Sie, sind Frauen generell unsicherer, was ihr Äußeres angeht, als Männer?“ und sie antwortete: „Na, weil wir jahrhundertelang darauf reduziert wurden. Gemacht haben wir ja lange nicht viel außer schön aussehen und Kinder aufziehen. Da war ja auch sonst nichts für uns vorgesehen. Und da ist es doch naheliegend, dass das immer noch ein Thema ist, das ist einfach in der patriarchalen Struktur mit drin.“

Diese Aussage ist so, milde gesprochen, unbedarft, dass ich darüber Schnapp-Atmung kriegen könnte. Sicher, es hat in der Vergangenheit Frauen gegeben – und es gibt sie noch – die nichts anderes zu tun hatten und haben, als sich um ihr Erscheinungsbild zu kümmern. Aber das war im Ganzen gesehen eine verschwindend geringe Minderheit. Von Anbeginn aller Zeiten an mussten Frauen hart arbeiten! Von wegen „es war ja auch sonst nichts für uns vorgesehen“. Es war verdammt viel Arbeit für uns vorgesehen, Herrschaft noch mal!

Was glaubt die Gute denn, wer bei den Damen, die nur schön sein sollten und sonst nichts, dafür gesorgt hat, dass solche paradiesischen Zustände herrschen? Waren die Dienstmädchen, die Küchenmädchen, die Köchinnen, die Zofen, die Wäscherinnen, die Schneiderinnen, die Mägde, die Bäuerinnen und wer sonst noch alles zum Funktionieren des herrschaftlichen Lebens oder überhaupt des Lebens, beigetragen hat, etwa keine Frauen? Ganz zu schweigen von den Arbeiterinnen, die seit Beginn der industriellen Revolution, also seit bald zweihundert Jahren, Knochenarbeit leisten mussten. Und da wollen wir in diesem Zusammenhang auch die bedauernswertesten von allen nicht vergessen, die heute unter der Bezeichnung Sexarbeiterinnen firmieren.

Bildet sie sich wirklich ein, wir heutigen Frauen seien alles nur Abkömmlinge gutsituierter Damen und es seien keine Nachkommen von Dienstboten, Arbeiterinnen oder Bäuerinnen dabei? Es ist vielleicht ein Schock für sie, aber ich fürchte, auch bei ihren Altvorderen gab es die eine oder andere, die schon mal einen Putzlappen in der Hand hatte und deren gepflegtes Äußeres, auf das sie stolz war, im Wesentlichen darin bestand, dass sie sowohl ein Werktags- als auch ein Sonntagskleid besaß und wenn es hochkam, vielleicht auch zwei Paar Schuhe. Manchmal wünscht man sich doch wahrhaftig, Menschen würden sich ihren geistigen Sonntagsstaat anlegen, bevor sie ein Interview geben.

Nur weil sich Frauen ihr Recht, jeden Beruf ergreifen zu können und (laut Statistik bei uns zwar immer noch geringer als Männer, aber doch halbwegs anständig), bezahlt zu werden, mühsam, langwierig und schmerzhaft erkämpft haben, heißt das doch noch längst nicht, sie seien allesamt nur „die Zierde des Hauses“ gewesen, die sich ihr hübsches Köpfchen nicht mit all den Problemen, die die Herren der Schöpfung so souverän immerzu erschaffen haben, belasten soll.

Aber sonst war mein Urlaub sehr schön, ich habe Familie, See und Sonne genossen und noch etwas über Drei-G-Regeln gelernt. An einem klitzekleinen Café am schönen Wallersee im Salzburger Land hing ein Schild:

Aufgrund der aktuellen Lage ist der Zutritt nur nach den Richtlinien der Drei-G-Regeln gestattet: Gewaschen, gekämmt und geschneuzt.

Ich sehe den Sinn dieser Regel vollkommen ein – den der anderen drei G aber auch…