Renates Kolumne: Verrückt nach dem goldigen Franz

| Renate Dehner
An den wilden Bernd hatte ich mich schon gewöhnt, ist ja auch ein ganz netter Kerl, meine Enkelinnen mögen ihn sehr. Dann habe ich den urigen Urs kennengelernt. Das scheint ein Schweizer zu sein. Ist auch kein schlechter Typ, er wird von meinem Mann sehr geschätzt, ich finde ihn soweit okay. Zuerst kam ich mir ein bisschen, wie soll ich sagen, verwegen vor, nach ihm zu verlangen. Es ist ja auch irgendwie speziell, wenn eine harmlos aussehende ältere Dame den urigen Urs haben will.
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Inzwischen geht mir „Den urigen Urs bitte!“ ganz geläufig von den Lippen. Nur das ironische Grinsen des neben mir stehenden Kunden war mir beim ersten Mal etwas unangenehm. Aber beim Käsestand auf dem Markt sollte keine falsche Scham herrschen – da sind wir ganz ungeniert.

Mir sind auch schon ein paar konstruktive Vorschläge eingefallen, wie man das System noch ausbauen könnte. Vielleicht heißt der Ziegenkäse bald zickige Zoe? Für den fettreduzierten Weichkäse fände ich mickrige Mathilde eigentlich ganz passend. Und der 18 Monate gelagerte Bergkäse könnte als melancholischer Martin über die Käsetheke gehen, musste er doch anderthalb lange Jahre mit dem käsigen Konstantin auf dem Regalbrett abhängen, was dem langmütigsten die Lebensfreude verbeult hätte. Dass den Käseherstellern offenbar gerade in gleicher Weise die Fantasie durchgeht, wie seinerzeit den Friseurgeschäften, als sie miteinander wetteiferten, wer sich die dämlichsten Namen an die Eingangstüren pinseln konnte – ich erinnere nur an „Haar Moni“, „Kamm in“ oder „Dalila schont Samson“, obwohl, der war eigentlich einer von den einfallsreicheren - habe ich noch achselzuckend zur Kenntnis genommen.

Aber jetzt überschlagen sich die Einfallsreichtümer! So liegen beim Bäcker seit einiger Zeit der knusprige Uwe, sowie der goldige Franz und der sanfte Klaus im Regal und langsam frage ich mich, ob diese Lebensmittelhändler noch alle Latten am Zaun haben. Heißt Vollkornbrot bald der kernige Konrad? Ein Baguette wird zum langen Lothar, ein kleines Milchbrötchen zum runden Roland? Und ich bin die renitente Renate, die kleinlaut aber stur lieber „Ein kleines Bauernbrot“ oder „Ein halbes Dinkelvollkorn, bitte!“ verlangt? Die sich aber leider an der Theke lächerlich machen muss? Man kommt sich doch vor wie im Kindergarten!

Eine Freundin, die erheblich jünger ist als ich, bedauert seit Jahren, dass man sich keinen passenden Kerl backen kann. Die hätte gegen einen knusprigen Uwe wahrscheinlich gar nichts einzuwenden, vielleicht dürfte er sogar noch den wilden Bernd mitbringen. Der urige Urs wäre ihr wohl zu hinterwäldlerisch rustikal, aber der könnte sich ja mit der „Guten Luise“ trösten – vermutlich ein kongeniales Paar.

Ach Gott, was soll’s? In diesen lausigen Zeiten, wo der eigene Sinn für Humor von Donald Duckface, Bernd das Brot Höcke, dem armen arbeitslosen Christian Lindner und ähnlichen Komikern bis an die Belastungsgrenze strapaziert wird, von der Omnibiotic-, Cefasel- und Kijimea- Fernseh-Werbung vor den ebenfalls gruseligen Nachrichten gar nicht zu reden, muss man wahrscheinlich dankbar sein, dass man sich noch über Käse lustig machen kann. Nur so viel: Wenn der Whisky anfängt „Torfiger Torsten“ zu heißen, wandere ich auf eine Südsee-Insel aus…

Ach, fast hätte ich es vergessen: Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen ein gutes, gesundes erfolgreiches Neues Jahr, auf das Sie hoffentlich mit einem Gläschen „Berauschende Berta“ angestoßen haben!