Renates Kolumne: Zuseh-Verzicht? Zuversicht!
| Renate DehnerEldon Trusk stellt sie alle noch in den Schatten, er besitzt ebenfalls quasi unerschöpfliche Mittel und hat es mit der ihm eigenen Verlogenheit geschafft, nicht nur Wirtschaftsbosse, sondern auch Millionen von eher unbedarften Unterstützern weltweit auf seine Seite zu ziehen. Gerade das macht ihn besonders gefährlich. Im weiteren Verlauf der Handlung wird man sehen, dass diese Millionen ihre Leichtgläubigkeit und Dummheit bitterlich bereuen werden, aber dann wird es bereits zu spät sein. Eldon Trusk hat ein bis dato unvorstellbares Zerstörungswerk in Gang gesetzt, bei dem alles an Wertgefühlen und Anstand, was selbst bei amerikanischen Politikern und Konzernlenkern noch vorhanden war, auf der Strecke blieb. Ebenso wie unzählige Menschenleben, die Lebensgrundlagen und das Glück vieler Unschuldiger.
Neben Eldon Trusk agieren auf der Bühne zwei weitere Hauptrollen, die natürlich ähnliche Bösewichter sind wie er, zum einen ein russischer Möchtegern-Iwan-der-Schreckliche, der gern Nachbarländer überfällt, sowie ein chinesischer Mafiaboss, den Eldon Trusk schon allein deswegen nicht leiden kann, weil er ihm das X in seinem Namen missgönnt, welches er eigentlich für sich gepachtet hat. Welche Rolle diese Gegenspieler im weiteren Verlauf der Handlung einnehmen, soll hier noch nicht verraten werden, ich will Ihnen ja nicht die Spannung rauben. Und welches Ende die Geschichte nimmt, soll auch noch nicht enthüllt werden. Nur so viel: Es gibt eine alte Go-Regel, die besagt, wer alles will, verliert alles…Freuen Sie sich also nicht auf ein Happy End.
Ähnliche Stücke wie dieses gibt es seit Jahrhunderten – gerade die schlechten Autoren greifen gern auf alte Versatzstücke zurück, es ist zum Heulen. Ich denke aktuell an eine alte Aufführung mit dem Titel „Tausendjähriges Reich“. Sie erinnern sich vielleicht? Da wollte der Protagonist auch alles und versuchte das mit unglaublicher Brutalität durchzusetzen. Selbstverständlich verlor er am Ende auch alles. Leider nicht als Einziger, sondern mit Millionen anderen, zum größten Teil ganz unschuldigen Menschen, die noch nicht einmal die Schuld auf sich geladen hatten, ihn freiwillig in die Position, die seine Verbrechen erst möglich machte, zu wählen. Also, das war ein ganz scheußliches Stück – hielt sich auch nicht so sehr lange – aber immer noch zu lange. Merkwürdigerweise gibt es gerade wieder Autoren, die sich an dem Plot orientieren. Wollen wir hoffen, dass sie nie den Weg auf die ganz große Bühne finden, sondern nur in kleinen Provinztheatern ihre Schmierenauftritte haben. Also kein Beifall für so schlechte Darbietungen!
Auch in Frankreich hatte es schon vor circa dreihundertfünfzig Jahren ein Menschenschlächter auf die ganz große Hauptstadt-Bühne geschafft, dessen Ruhm erstaunlicherweise noch immer nicht verblasst ist. Das liegt wohl zum Teil am irreführenden Titel des Stückes: „Der Sonnenkönig“ wurde es genannt, wo es doch viel eher „Der Fürst der Finsternis“ hätte heißen sollen. Auch dieser „Held“ hat unzählige Menschenleben auf dem Gewissen und blühende Landschaften verwüstet, einfach nur, weil er es konnte und damit seinen „Ruhm“ mehren wollte. Die Kulisse, die zur Ausschmückung des Horror-Dramas erbaut wurde, steht heute noch und wird von Besuchern aus aller Welt bewundert, dabei ist Versailles, wenn man seinen Auftraggeber kennt, eigentlich eher zum Kotzen. Aber man kann immerhin heute noch die Handwerker und Künstler bewundern, die es erschaffen haben – deren Ruhm steht außer Frage.
Was mich trotz allem ein bisschen hoffnungsfroh stimmt, ist die Tatsache, und die sollten wir keinesfalls vergessen, dass es immer wieder ganz erfreuliche Programmänderungen im Repertoire der Welt gab. Es treten immer wieder Protagonisten auf, denen wir unsere Achtung und Anerkennung schenken können und es gab und gibt Handlungsverläufe, die Mut machen. Mit unserem Beifall können wir gemeinsam dafür sorgen, dass die alten Dramen nicht wieder zur Aufführung kommen, wenigstens bei uns. Es kann noch alles gutgehen bei all dem Theater. Wir haben den Spielplan in der Hand, zum Teil wenigstens. Zuversicht ist allemal besser als Zuseh-Verzicht, nicht hinschauen hat leider noch nie geholfen.