Schlummernde Potenziale wecken – Kluge Führung scheitert oft am

Fachkräftemangel? Ja, den spüren gerade alle. Aber viel zu selten sprechen wir darüber, wie viel ungenutztes Potenzial bereits in den Unternehmen schlummert. Nicht draußen auf dem vermeintlich leer gefegten Arbeitsmarkt – sondern direkt vor unserer Nase: in den eigenen Teams. Woran liegt es, dass Mitarbeitende nicht über sich hinauswachsen? Dass manche scheinbar immer nur Dienst nach Vorschrift machen? Vielleicht ist es nicht Desinteresse. Vielleicht fehlt nur jemand, der versteht, wie sie denken – und wie man sie richtig herausfordert. Zeit für eine neue Sicht auf Führung. Und für einen Perspektivwechsel, der viel verändern kann.
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Der Denkfehler vieler Führungskräfte

Auch wenn sich Führungsmodelle im Wandel befinden, bleibt eines oft gleich: Viele Führungskräfte werden ernannt, weil sie fachlich glänzen. Sie haben bewiesen, dass sie komplexe Sachverhalte durchdringen, schnell Entscheidungen treffen und anspruchsvolle Aufgaben mit Leichtigkeit meistern. Diese Fähigkeiten sind wertvoll – aber sie bergen auch eine Gefahr: Wer vieles intuitiv richtig macht, kann schwer nachvollziehen, warum andere scheitern.

Denn wenn etwas mühelos gelingt, wird es zur Selbstverständlichkeit. Und wer nie lernen musste, einen eigenen Lösungsweg zu entwickeln, kann diesen auch kaum erklären. Die Konsequenz? Führungskräfte stoßen schnell an ihre Grenzen, wenn Mitarbeitende eben nicht „von selbst“ auf die Lösung kommen. Verständnis weicht Frustration. Und Potenziale bleiben damit unentdeckt.

Rückdelegation statt Entwicklung

Der Ablauf ist oft gleich: Eine komplexe Aufgabe wird delegiert. Der Mitarbeitende fühlt sich überfordert – nicht selten, weil er bereits spürt, dass ihm die Kompetenz abgesprochen wird. Er sucht Hilfe bei der Führungskraft. Diese denkt: „Bevor ich’s erkläre, mach ich’s schnell selbst.“ Das Ergebnis: Die Aufgabe kehrt zurück. Rückdelegation nennt man das. Und die ist pures Gift für Entwicklung.

Denn was einmal als „nicht können“ abgestempelt wurde, bleibt häufig dauerhaft in der Schublade „unfähig“. Selbst unausgesprochen spüren Mitarbeitende das – und verinnerlichen es. Sie ziehen sich zurück, übernehmen nur noch das Nötigste, trauen sich nicht mehr an neue Herausforderungen. Der Kreis schließt sich. Die Führungskraft sieht sich bestätigt. Und wieder bleibt ein Entwicklungsschritt ungenutzt.

Der Teufelskreis: immer mehr leisten, um sich selbst zu überzeugen

Viele Betroffene versuchen, der inneren Unsicherheit durch übermäßige Leistung entgegenzuwirken. Sie machen Überstunden, übernehmen zusätzliche Aufgaben, wollen alles perfekt machen – und erleben dennoch nie das Gefühl, „gut genug“ zu sein. Der Erfolg wird dabei nicht als Bestätigung, sondern als Resultat extremer Anstrengung gesehen. So entsteht ein Teufelskreis, der das Imposter-Syndrom weiter verstärkt.

Was Führung wirklich braucht: Denkprozesse verstehen

Wer führen will, muss sich für Denkprozesse interessieren. Es reicht nicht, Aufgaben zu verteilen oder Ergebnisse zu bewerten. Es geht darum, zu verstehen, wie ein Mitarbeitender zu einer Lösung kommt – oder warum er daran scheitert.

Die zentrale Frage lautet: Wo biegt der Mitarbeitende im Denkprozess falsch ab?

Das lässt sich nur herausfinden, wenn man Fragen stellt. Viele Fragen. Zum Beispiel:

  • Wie ist der oder die Mitarbeitende an die Aufgabe herangegangen?
  • Welche Überlegungen haben ihn oder sie zu dieser Entscheidung geführt?
  • Worauf hat er oder sie priorisiert – und warum?

Nur durch dieses tiefe Interesse am individuellen Denkstil kann eine Führungskraft erkennen, ob es ein Wissensdefizit gibt, eine falsche Strategie, blockierende Glaubenssätze – oder schlicht eine andere Art zu denken, die ebenso zum Ziel führen kann, aber noch nicht gelernt ist.

Ein Blick in die Praxis: Wenn Genies nicht erklären können

Ein Coachingbeispiel zeigt das Dilemma deutlich: Eine brillante Chemikerin fand kein Gehör für ihre Ideen im Unternehmen. Warum? Weil ihre Denkweise zu schnell war. Für sie lagen Problem und Lösung nah beieinander – für andere jedoch lagen dazwischen fünf unerklärte Schritte. In einem Meeting präsentierte sie Lösungen, ohne den Weg dorthin aufzuzeigen. Das Ergebnis: Verwirrung, Widerstand, Ablehnung.

Als wir gemeinsam das Bild einer Mindmap zeichneten – Problem in der Mitte, Lösung fünf Äste weiter – wurde ihr klar, was fehlte: die Brücke. Und noch klarer wurde es, als sie sich an den Matheunterricht in der Schule erinnerte. Bruchrechnung. Aufgaben richtig gelöst – aber keine Punkte, weil kein Lösungsweg dokumentiert war. Sie sah ihn einfach nicht. Genau das war später ihr Stolperstein als Führungskraft. Und nur, weil sie erkannt hatte, was fehlte und das Verständnis für die anderen aufbrachte, konnte sie die Herausforderung bewältigen.

Haltung macht den Unterschied

Führung heißt heute mehr denn je: Coachen können. Und das beginnt mit der Haltung. Nur wer wirklich daran glaubt, dass jeder Mitarbeitende sich entwickeln kann, wird sich die Mühe machen, Denkprozesse zu verstehen – statt vorschnell zu urteilen. Das bedeutet auch, wertfrei ins Gespräch zu gehen. Fragen nicht als Kontrolle, sondern als Einladung zur Selbstreflexion zu stellen. Und: Geduld zu haben. Denn Ziel ist nicht, die Lösung vorzugeben. Ziel ist, Mitarbeitende so zu stärken, dass sie sich künftig selbst die richtigen Fragen stellen. Dann beginnt Entwicklung. Und Potenziale beginnen zu leuchten.

Potenziale wecken heißt Denkweisen verstehen

Wer Potenziale in seinem Team wirklich heben will, braucht methodisches Know-how, echte Reflexionsfähigkeit – und einen Perspektivwechsel in der Führung. Nicht alle Mitarbeitenden ticken wie man selbst. Und genau darin liegt der Schlüssel: in der Unterschiedlichkeit. Führungskräfte, die lernen, Denkprozesse zu analysieren und Coaching-Werkzeuge gezielt einzusetzen, öffnen Türen, die bislang verschlossen blieben. Sie schaffen Räume für Entwicklung, in denen Mitarbeitende wachsen können – und Unternehmen nachhaltig profitieren.

Denn oft ist es nicht fehlende Kompetenz. Sondern fehlendes Verstehen.

Sie haben das Gefühl, in Ihrem Team schlummert mehr Potenzial, als gerade sichtbar ist? Dann lassen Sie uns darüber sprechen, wie Sie als Führungskraft gezielt Entwicklung ermöglichen. Melden Sie sich gern für ein unverbindliches Erstgespräch.

Wenn Sie mehr Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken, möchten, dann hören Sie gerne in den Business-Podcast von Alice Dehner rein.