Stressoren, die Sie kennen sollten: Teil 1 „Sei gefällig“

Heute widmen wir uns dem ersten der fünf klassischen Stressoren nach der Transaktionsanalyse von Eric Berne – „sei gefällig“. Eventuell kennen Sie das Gefühl, dass alle Erwartungen an Sie stellen, denen Sie nicht gerecht werden können. Sich davon loszusagen, fällt Ihnen jedoch schwer, denn Sie wollen ‚gefällig sein‘. Die Folge ist eine Menge Stress, der sich auf dem Versuch, es allen recht zu machen, begründet. Wenn es allerdings nicht funktioniert, etwas schiefzugehen droht und andere mit Ihnen oder Ihrer Leistung unzufrieden sind, wird der Stress noch einmal größer.
stressoren.jpg

Dieses Streben nach universeller Zufriedenheit ist ein verbreiteter Stressor, der unsere psychische Widerstandsfähigkeit – unsere Resilienz – auf die Probe stellt. Doch wie entsteht dieser Drang, es allen recht zu machen? Und wichtiger noch, wie können wir uns davon befreien?

Die Psychologie hinter dem Perfektionismus: Einblicke aus der Transaktionsanalyse

Um den Ursprung dieses Verhaltensmusters zu verstehen, wenden wir uns der Transaktionsanalyse zu, einem Ansatz zur Erforschung von Interaktionen und Persönlichkeitsstrukturen, entwickelt von Eric Berne. Innerhalb dieses Rahmens ist der „Sei gefällig“-Antreiber einer von mehreren klassischen Stressoren. Diese Antreiber sind nicht etwa Motivatoren, sondern vielmehr der Ursprung von Stress und Unbehagen.

Bereits in jungen Jahren werden uns durch Eltern oder andere Bezugspersonen bestimmte Verhaltensweisen anerzogen. Beim „sei gefällig“ wird der Stressor oft vermittelt, indem ein Kind häufig zu hören bekommt: „Sei höflich, achte auf andere, spiele dich nicht so auf“ usw. Generell haben in dem Familiensystem die Bedürfnisse des Kindes nicht allzu viel Raum. Wenn Kinder lernen, dass die Bedürfnisse anderer Vorrang haben und sie Anerkennung und Liebe nur durch das Erfüllen von fremden Erwartungen erlangen, führt dies in der Regel zu einem lebenslangen Muster, das viele von uns kennen: Wir wollen es allen recht machen. 

Die Konsequenzen des Überanpassungsverhaltens

Das Muster des „Sei gefällig“-Antreibers manifestiert sich im Erwachsenenleben oft durch eine hohe Sensibilität für die Erwartungen anderer bei gleichzeitiger Schwierigkeit, eigene Grenzen zu setzen. Dies führt oft dazu, dass Betroffene sich überarbeiten und Probleme haben, Entscheidungen zu treffen – immer mit der Angst im Nacken, andere könnten enttäuscht sein.

Ein Beispiel dafür ist eine Führungskraft aus einem unserer Coaching-Prozesse: Sie konnte nur schwer nein sagen und nahm dadurch eine ungesunde Menge an Aufgaben an. Rückdelegationen ihrer Mitarbeitenden akzeptierte sie ohne Widerstand, was ihren Stress zusätzlich verstärkte.

Der Weg zur Selbstfürsorge: Erlaubnisse erteilen

Die Strategie zur Überwindung dieses Stressors liegt darin, sich selbst die Erlaubnis zu erteilen, eigene Bedürfnisse ernst zu nehmen und auch mal nein sagen zu dürfen. Das Setzen von klaren Grenzen ist dabei essenziell, denn nur so können andere diese auch respektieren. Führungskräfte spielen eine entscheidende Rolle dabei, ihre Mitarbeitenden darin zu bestärken und ihnen den Rückhalt zu geben, den sie benötigen, um ihre eigenen Grenzen definieren und verteidigen zu können.

Praktische Anwendung

Durch gezieltes Coaching konnte der oben genannte Coachee lernen, ihre Arbeitslast effektiv zu managen und ihre Kommunikationsfähigkeiten so anzupassen, dass sie klarere Grenzen setzte. Diese neuen Fähigkeiten führten nicht nur zu einer Reduzierung ihres Stresses, sondern verbesserten auch ihr Ansehen bei KollegInnen und ermöglichten ihr letztendlich den Zugang zu einer angestrebten Position während einer Unternehmensreorganisation.

Mehr Gelassenheit im Berufsleben

Indem wir uns mit unseren inneren Antreibern auseinandersetzen und lernen, fehlende Erlaubnisse in unser Leben einzubauen, ebnen wir den Weg hin zu mehr Gelassenheit. Für Führungskräfte bedeutet dies zudem eine Chance zur Förderung eines gesünderen Arbeitsumfelds und zur Steigerung der organisationalen Resilienz. Weniger gestresste Mitarbeitende tragen schließlich zu einem produktiveren und harmonischeren Team bei. Durch bewusste Reflexion und das Setzen persönlicher Grenzen stärken wir unsere persönliche Resilienz und machen einen Schritt hin zu einem ausgeglicheneren Berufs- und Privatleben.

Wenn Sie mehr Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken, möchten, dann hören Sie gerne in den Business-Podcast von Alice Dehner rein.