Stressoren, die Sie kennen sollten: Teil 2 „Sei stark“

Im zweiten Teil unserer Blogreihe zu den Stressoren aus der Transaktionsanalyse gehen wir näher auf den Antreiber „Sei stark“ ein. Auf den ersten Blick ist dieser nicht leicht zu erkennen, da Personen, die ihn mitbringen, scheinen, als hätten sie gar keinen Stress. Sie erledigen ihre Aufgaben mit Bravour, sind beruflich erfolgreich und engagieren sich auch privat vielfältig. Ob als Kassenwart im Sportverein oder als Familienmanager – nach außen hin haben sie alles unter Kontrolle und bitten nur selten um Hilfe. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich häufig der Antreiber „Sei stark“.
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shutterstock.com | Anne Koeleman

Fragt man genauer nach, wie es dieser Person geht, kommen Beschwerden zum Vorschein, die jedoch schnell heruntergespielt werden. Herzprobleme, Schlafstörungen oder andere stressrelevante Symptome werden als unbedeutend abgetan – ein deutliches Zeichen dafür, dass ein Stressor dahintersteckt, den man sich in jedem Fall genauer ansehen sollte.

„Sei stark“ – Ein Antreiber mit Folgen

Der „Sei stark“-Antreiber klingt zunächst positiv und motivierend. Er suggeriert Standhaftigkeit und Durchhaltevermögen – Eigenschaften, die in vielen Kulturen hoch geschätzt werden. Doch dieser Antreiber kann ebenfalls Stress verursachen und hat weitreichende Konsequenzen für die psychische und physische Gesundheit. Die Ursprünge dieses Antreibers finden sich, wie bei allen Antreibern, häufig in der Kindheit. Erziehungsstile und gesellschaftliche Vorbilder prägen unsere Einstellung zum Umgang mit Schmerz und Schwäche. Phrasen wie „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ oder das Bild des starken Anführers, der niemals Schwäche zeigt, tragen dazu bei, dass Menschen lernen, ihre wahren Gefühle zu unterdrücken und Hilfe abzulehnen.

Die Gefahr des Ignorierens körperlicher Signale

Das kontinuierliche Ignorieren von Stresssymptomen kann schwerwiegende gesundheitliche Probleme nach sich ziehen. Personen mit einem ausgeprägten „Sei stark“-Antreiber neigen dazu, ihre eigenen Grenzen zu missachten – bis es zu spät ist. Oft sind es gerade diese Menschen, die plötzlich mit einem Herzinfarkt oder einer Burnout-Diagnose konfrontiert werden.

Eine wahre Begebenheit zeigt, wie sich der Stressor „Sei stark“ auswirken kann: Ein Bekannter von mir, der in seiner Jugend Schwimmer und zu dieser Zeit sehr gut trainiert war, beschloss, im Familienurlaub am Meer eine Runde zu schwimmen. Er war nicht mehr so gut trainiert wie zuvor und unterschätze auch, wie stark das Meer ihn nach draußen zieht. Seine eigenen Grenzen und Kräfte hingegen überschätzt er. Dementsprechend schwamm er zu weit hinaus und glaubte zwischenzeitlich, dass er es nicht mehr zurückschaffen würde. Schließlich kroch er gerade noch so auf allen Vieren den Strand hoch und setzte sich hin, um sich erstmal auszuruhen. Was er dann sah, war für ihn erschütternd. Er bemerkte, an wie vielen kleinen Booten er gerade vorbeigeschwommen war – aber auf die Idee, irgendjemanden um Hilfe zu bitten und zu fragen, ob er auf das Boot könnte, ist er überhaupt nicht gekommen. Er hat also aufgrund seines Stressors die Möglichkeiten um ihn herum nicht einmal wahrgenommen.

Es ist jedoch wichtig, zu erkennen, dass nicht jeder Mensch mit hoher Leistungsfähigkeit automatisch dem „Sei stark“-Antreiber unterliegt. Es gibt Personen, die viel erreichen, ohne sich selbst zu überlasten – sie kennen ihre Grenzen und sind bereit Unterstützung anzunehmen.

Lösungsansätze für Betroffene und Führungskräfte

Erlaubnis erteilen

Ein Ansatz, den „Sei stark“-Antreiber aufzulösen, liegt darin, sich selbst oder anderen die Erlaubnis zu geben, Schwäche zu zeigen und um Hilfe zu bitten. Dies kann besonders im Arbeitsumfeld eine Herausforderung darstellen. Führungskräfte spielen hier eine entscheidende Rolle: Sie sollten Mitarbeitende mit solchen Tendenzen im Auge behalten und gegebenenfalls intervenieren.

Vorleben von Schwäche

Führungskräfte können durch ihr eigenes Verhalten ebenfalls demonstrieren, dass es akzeptabel ist, Schwächen zuzugeben. Eine offene Fehlerkultur im Unternehmen unterstützt dies zusätzlich, indem sie zeigt, dass Fehler gemacht werden dürfen, ohne negative Konsequenzen fürchten zu müssen.

Selbstreflexion: Stärken und Schwächen neu bewerten

Jeder sollte sich Zeit nehmen, um über seine eigenen Stärken und Schwächen zu reflektieren. Oft sind es gerade unsere größten Stärken, die uns in Überdosierung zum Verhängnis werden.

Übung macht den Meister

Ebenso lohnt es sich, zu üben, nach Hilfe zu fragen und sich bewusst zum Ziel zu setzen, beispielsweise einmal täglich jemanden um Hilfe zu bitten. Nach einer gewissen Zeit gehen einem die dafür notwendigen Worte immer leichter über die Lippen. Wie bei allen anderen Stressoren liefert auch hier ein Introvision-Coaching die richtigen Methoden, um die inneren Alarme, die durch den Stressor ausgelöst werden, zu löschen, sodass ein neues Verhalten, das vorher undenkbar war, plötzlich ganz gelassen funktioniert.

Fazit

Der „Sei stark“-Antreiber ist ein oft verborgener, aber einflussreicher Stressor, der ernsthafte Auswirkungen auf unser Leben hat, wenn er nicht anerkannt wird. Durch Bewusstseinserweiterung sowohl auf individueller Ebene als auch innerhalb von Organisationen lernen wir, besser mit diesem Stressor umzugehen, um so langfristig unsere Lebens- und Arbeitsqualität zu verbessern.

Wenn Sie mehr Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken, möchten, dann hören Sie gerne in den Business-Podcast von Alice Dehner rein.