Stressoren, die Sie kennen sollten: Teil 4 „Sei perfekt“
Der Perfektionsdruck als Illusion mit Folgen
Der Drang nach Perfektion ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt. Viele Menschen streben danach, alles makellos zu erledigen, in der Hoffnung, dadurch bessere Ergebnisse zu erzielen und bestenfalls noch gelobt zu werden. Doch Perfektion ist eine Illusion, die oft das Gegenteil bewirkt. Der Stress, der durch den „Sei perfekt“-Stressor entsteht, kann dazu führen, dass das Endergebnis sogar schlechter ausfällt, als es ohne diesen Druck der Fall gewesen wäre.
Folgendes Beispiel verdeutlicht dies: Ein Student soll ein Referat zu einem bestimmten Thema halten und erhält vom Professor ein Buch als Grundlage genannt. Getrieben vom „Sei perfekt“-Antreiber recherchiert der Student nicht nur dieses Buch, sondern auch die Primärliteratur dazu und weitere empfohlene Sekundärliteratur. Am Ende sitzt er mit fünf Büchern da, gerät in Zeitstress und liefert ein überladenes Referat ab, dem niemand folgen kann. Der Perfektionsdrang hat ihm somit mehr geschadet als genutzt, denn das vom Professor genannte Buch hätte völlig ausgereicht.
Ursprünge des Perfektionsstrebens
Der „Sei perfekt“-Antreiber wird oft schon in der Kindheit vermittelt, wie es auch bei den anderen Stressoren häufig der Fall ist. Eltern, die hohe Ansprüche an ihre Kinder stellen, signalisieren ihnen, dass ‚gut‘ nicht gut genug ist. Ein kreatives Bauwerk aus Bauklötzen wird kritisiert und verbessert, eine Mathearbeit mit der Note 2 wird abgewertet, weil ein kleiner Fehler eine 1 verhindert hat. Diese Erfahrungen mögen Eltern nicht als ausschlaggebend erscheinen, prägen jedoch das kindliche Selbstbild und führen zu einem übermäßigen Perfektionsstreben, das später im Leben zu Stress und Überforderung führen kann.
Negative Auswirkungen des Perfektionsdrucks
Perfektionismus hat zahlreiche negative Auswirkungen. Zum einen führt er in den meisten Fällen zu enormem Zeitstress, weil die Betroffenen ständig versuchen, alles perfekt zu machen und sich damit oft selbst überladen. Zum anderen verlieren sie oft den Überblick und können das Wesentliche nicht mehr von Unwichtigem unterscheiden. Ein weiteres Problem ist die fehlende Fehlertoleranz. Denn Menschen, die unter Perfektionsdruck leiden, reagieren meist unsouverän auf Fehler und geraten in Stress, wenn ihnen etwas misslingt.
Ein anschauliches Beispiel hierzu ist ein Unternehmer, der Teppiche für den Eingangsbereich von Firmen in einem Leasing-Modell, das die regelmäßige Reinigung beinhaltet, anbieten wollte. Sein perfektionistischer Leasingvertrag war aber so komplex und in schwer verständlicher Fachsprache formuliert, dass potenzielle Kunden abgeschreckt wurden. Erst als er den Vertrag auf eine halbe Seite reduzierte, funktionierte sein Geschäftsmodell. Die Fähigkeit zur Reduktion von Themen ist also extrem wichtig und kann durch den Perfektionsdrang verloren gehen.
Sich die Erlaubnis zur Unvollkommenheit geben
Die Lösung hierzu liegt vor allem in der Erlaubnis, Fehler machen zu dürfen und ‚gut‘ auch mal gut genug sein zu lassen. Diese Erkenntnis kann helfen, den Stress zu reduzieren und die eigene Resilienz zu stärken. Kleine Fehler bewusst einzubauen und sich bewusst zu machen, dass Perfektion nicht immer erforderlich ist, kann dafür ein erster Schritt sein. Ein Coachee, der bei Präsentationen oft durch kleine Fehler aus dem Konzept gebracht wurde, übte sich beispielsweise darin, bewusst Fehler einzubauen. Dies führte dazu, dass er insgesamt entspannter und kreativer wurde.
Ein weiterer Ansatz ist die Reduktion von Informationen auf das Wesentliche. Wichtige Reportings sollten mit einer Zusammenfassung der Kernpunkte beginnen. Dies hilft, den Überblick zu behalten und dem Gegenüber die Möglichkeit zu geben, gezielt nachzufragen, wenn mehr Informationen benötigt werden. Führungskräfte sollten zudem Fehlertoleranz vorleben und ihre Mitarbeitenden ermutigen, auch mal Fehler zu machen.
Indem wir lernen, Fehler zu akzeptieren und uns auf das Wesentliche zu konzentrieren, können wir unsere Resilienz stärken und stressfreier leben. Führungskräfte und Eltern spielen hierbei eine wichtige Rolle, indem sie Fehlertoleranz von Anfang an vorleben und unterstützen. Lassen Sie uns gemeinsam den Perfektionsdruck hinter uns lassen und zu einer gesünderen Einstellung finden. Denn indem wir den Mut zur Lücke haben, schaffen wir Raum für echte Exzellenz und nachhaltigen Erfolg.
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