Willkommen in Absurdistan

| Renate Dehner
Neulich war ich in Rorschach im Museum Würth in einer wunderbaren kleinen Ausstellung mit Werken von Tomi Ungerer.
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Die habe ich mir sogar gleich zweimal innerhalb einer Woche angesehen. Es kommt schließlich nicht allzu oft vor, dass man über Kunst kichern kann, das wollte ich ausnutzen. Abgesehen davon, dass ich mich außerordentlich gut amüsiert habe, hat es mich mit großer Bewunderung erfüllt, dass ein Mensch einen so scharfen Blick für das komische Potenzial in Alltagssituationen und -gegenständen besitzt und das auch noch verbunden mit der Fähigkeit, diese Beobachtungen so genial künstlerisch darstellen zu können. Die Absurditäten des Daseins und der Menschen sind für einen wie Tomi Ungerer offenbar ein beständiger Quell der Freude – hat er wieder was zu lachen, und wir mit ihm. Dafür kann man ja nur dankbar sein!

Absurdes im Alltag begegnet einem selbst zwar reichlich, aber wieviel menschliche Größe gehört dazu, dass nun auch gleich und sofort komisch zu finden! Nehmen wir zum Beispiel den Überlebenskampf, der sich Einkaufen im Supermarkt nennt. Haben Sie auch schon die Erfahrung gemacht, dass es sich ganz offenbar bei etlichen Menschen noch nicht herumgesprochen hat, dass die Herren und Damen Kassierer tatsächlich erwarten, dass man seinen Einkauf bezahlt? Gerade so wie Weihnachten scheint das Bezahlen an der Kasse für einige Menschen ganz plötzlich zu kommen! Völlig überrascht von der Tatsache, dass sie jemand auffordert, nun mit der Kohle rüberzukommen, suchen Leute, die vorher minutenlang ungeduldig auf den Zehen wippend in der Schlange standen und also reichlich Zeit gehabt hätten, sich mental auf das Kommende vorzubereiten, trotzdem erst einmal ausgiebig nach ihrem Geldbeutel. Wer konnte aber auch damit rechnen, dass sie den gleich brauchen würden?! Hätte man ihnen doch auch sagen können! Entweder müssen sie nacheinander zunächst in der Hosen-, dann in der Jacken-, dann in der Mantel- und schließlich in den diversen Rucksacktaschen nach ihrem Geldbeutel fahnden. Oder sie haben ihn zu Hause, zweifellos zum Schutz vor Taschendieben, so trickreich tief vergraben, dass sie zwar auf Anhieb die richtige Tasche auswählen, darin jedoch gefühlte Ewigkeiten wühlen müssen, bis sie das Portemonnaie aus seinen Verstrickungen lösen und zu Tage fördern können. Man selbst steht mit zehn anderen hinter diesen Menschen und wartet, und wartet, und wartet… Wenn man Pech hat, wiederholt sich der Vorgang dann noch mal. Bevor ich jedoch anfange, wahllos Grießklößchen in die Menge zu ballern, denke ich an meine sechsjährige Enkeltochter. In einer inhaltlich verschiedenen, emotional jedoch ähnlich belastenden Situation, sprich, ich hab‘ mich ein bisschen aufgeregt, riet sie mir ganz cool, aber durchaus wohlwollend: „Großmama, chill your base.“ Und das tat ich dann auch. Hilft ja nichts.

Soll ich noch ein paar Absurditäten aufzählen? Also absurd finde ich es zum Beispiel, dass man sich in Deutschland ja ganz gern lustig macht über die bizarren Politiker, die es anderswo, sagen wir mal zum Beispiel in England, Amerika oder Österreich gibt, während man gleichzeitig regiert wird von Ministern, die Horst Seehofer, Julia Klöckner oder Anja Maria-Antonia Karliczek (ach, die kannten Sie noch gar nicht? Doch, doch, die ist Bildungsministerin, vereidigt, ich schwöre!) heißen. Und bei dieser Aufzählung war der beste von allen, der Universalgeleerte Andreas Scheuer noch gar nicht dabei – von irgendwelchen billigen Wortspielen, die sich bei seinem Namen aufdrängen, sehe ich ab. Man besitzt schließlich Takt. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass man eigentlich immer selber darauf hinweisen müsste, dass man Takt besitzt? Diese sehr lobenswerte Eigenschaft bemerkt nämlich für gewöhnlich keiner! Sie fällt denn Leuten nur auf, wenn man sie nicht hat. Aber das wird dann sehr gern kommentiert. Ist auch irgendwie absurd, oder?

Und wie würden Sie es nennen, dass es zunächst eines handfesten Skandals und einer daran anschließenden Krise der Regierung plus Rücktritts derselben bedarf, bevor etwas installiert wird, das „Expertenregierung“ heißt? Ach, was wäre das schön, wenn wir von Experten regiert würden! Dann bliebe uns vielleicht ein so bescheuertes (ups, jetzt ist es doch passiert…) Debakel wie mit der Maut erspart. Der Witz an der Sache, dass jemand, der bisher vor allem eines unter Beweis gestellt hat, nämlich Inkompetenz, von Amts wegen berechtigt ist, Steuergelder in ungeahnten Ausmaßen zu verschleudern, entgeht mir leider. Aber was hätte wohl Tomi Ungerer daraus gemacht? Bestimmt etwas zum Kaputtlachen. Tomi, du fehlst uns!