Dehner Academy https://dehner.academy This is a RSS description de-de Dehner Academy Wed, 15 May 2024 04:06:18 +0200 Wed, 15 May 2024 04:06:18 +0200 news-371 Thu, 02 May 2024 13:23:00 +0200 Renates Kolumne: Möge uns ein Licht aufgehen https://www.dehner.academy/renates-kolumne-moege-uns-ein-licht-aufgehen/ Wie die meisten Menschen mag ich den Sternenhimmel und jede Sternschnuppe, die ich mitkriege, freut mich wie ein Kind. Es hat mich deshalb mit großer Befriedigung erfüllt, jüngst aus der Zeitung zu erfahren, dass ich offenbar unter einem besonderen Stern geboren bin: Im Frühjahr, also genau um die Zeit meines Geburtstages, erscheint alle 71 Jahre ein Komet, bis Mitte April (ist leider vorbei, wenn sie das lesen) sogar mit bloßem Auge sichtbar, wenn man Glück hat. Dazu muss man in der Nähe des hell leuchtenden Jupiter etwa eine Handbreit über den Horizont gucken, keine Ahnung, wo das ist, fragen Sie mich nicht. Leider gab es vor 71 Jahren auch keine heiligen drei Könige, die das gewusst hätten, und den Weg zu meiner Krippe respektive Wiege gefunden hätten, um mich reich zu beschenken. Entweder sie haben sich also verirrt oder sie haben sich davon abschrecken lassen, dass der Komet 12P/Pons-Brooks den Beinamen „Teufelskomet“ trägt. Ich bitte, daraus keine Rückschlüsse bezüglich meiner inneren Verfasstheit und meiner äußeren Handlungen zu ziehen und versichere eidesstattlich, dass ich, Komet hin oder her, vollkommen harmlos bin!

Aber die Sache mit dem Kometen freut mich schon – und jetzt kommt noch ein himmlisches Ereignis, auf das ich schon lange warte, hinzu. Zwischen Februar und September 2024 wird es für kurze Zeit zu einer seltenen astronomischen Begebenheit am Himmel kommen: Im Sternbild Coronae Borealis, auch bekannt als Nördliche Krone, wird eine Nova mit bloßem Auge zu erkennen sein. Gut, ich habe immer auf eine Supernova gehofft, wenn ich in den klaren Nachthimmel geschaut habe, aber wir geben uns auch mit den kleinen Dingen des Lebens zufrieden. Einen Jahrtausendwechsel habe ich miterlebt, eine Sonnenfinsternis, mehrere Mondfinsternisse, die Kometen Halley und Hale-Bopp habe ich persönlich kennengelernt, den Teufelskometen betrachte ich als mein mir privat zugehöriges Himmelslicht, mir fehlte also nur noch die Supernova – wenn das jetzt lediglich eine Nova wird, will ich nicht meckern. Ich lege das auch nicht den Astronomen zur Last.

Dabei gibt es ja gerade in jüngster Zeit prominente Vorbilder dafür, anderen etwas zur Last zu legen, statt sich an die eigenen Verantwortlichkeiten zu erinnern. Ich erinnere nur an den BDI-Präsidenten Siegfried Russwurm, der in einem Interview mit der SZ vom 3. April heftige Kritik insbesondere an Kanzler Scholz geübt hat, weil er die „Wirtschaftsmisere nicht entschlossen bekämpfe“. Wie bitte? Wer ist nochmal dafür verantwortlich, dass der Laden läuft? Was jeder Handwerker, jeder Selbständige und jeder Mittelständler weiß, scheint in der Großindustrie noch nicht angekommen zu sein: Wenn es nicht läuft, muss man die eigenen Ärmel hochkrempeln und nicht vorwurfsvoll auf die Manschetten der anderen zeigen.

Die deutsche Industrie mit ihren mit Millionen vergüteten Managern schreit, kaum dass es einmal nicht so gut läuft, nach Subventionen (Sozialleistungen in schwindelnden Höhen in meinen Augen, zahlt schließlich auch die Allgemeinheit) und verlangt nun noch, dass die Politik die Wirtschaft macht? Ich dachte, das sei deren Aufgabe und nicht die der Politik. Wer klopft sich als erstes auf die eigene Schulter, wenn die Wirtschaft gut läuft? Wer hält es für sein Verdienst, wenn Gewinne gemacht werden? Sagt da einer der Herren (und der wenigen Damen): „Ja, unsere Politiker, die sind einsame Spitze! Dass es so gut läuft, haben wir denen zu verdanken!“? Zahlen sie aus diesem Grund endlich einmal die Steuern, die sie von Rechts wegen zu zahlen hätten und verzichten auf die üblichen Mittel zu mehr oder weniger legalen Steuerhinterziehungen? Es ist billig, Investitionen in die Infrastruktur zu verlangen, aber selbst zu wenig Beitrag dazu zu leisten. Dinge anderen zur Last zu legen, damit macht man es sich zu einfach. Nein, ich bin nicht einig mit Herrn Russwurm.

Und, weil ich schon mal dabei bin, es gibt noch einen, mit dem ich nicht einverstanden bin: Martin Bujard, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Seine These, anlässlich des festgestellten Geburtenrückgangs in Deutschland, hat die SZ am 21. März unter der knackigen Überschrift „Keine Kinder, kein Wohlstand“ zusammengefasst. Leider hat der Artikel vergessen zu erwähnen, dass es die Kinder der Einen sind, die den Wohlstand der Anderen erarbeiten. Das ist seit mehr als zweitausend Jahren so und daran hat bisher leider niemand etwas geändert. Familien und Alleinerziehende, denen es hinten und vorne an Geld fehlt, spüren täglich schmerzlich, dass ihre Kinder keineswegs ihren Wohlstand fördern und junge Paare, die sich gut überlegen müssen, was sie sich von ihrem Gehalt leisten können (wollen) und was nicht, wissen auch, dass Kinder zwar ein Segen sein mögen, aber keineswegs ein Geldsegen. Weshalb also sollten sie auf materielle Annehmlichkeiten verzichten, nur damit in Zukunft andere, die bereits in Hülle und Fülle im Wohlstand schwimmen, noch reicher werden? Eine bessere Familienpolitik, die Abhilfe schaffen könnte, ist leider weit und breit nicht in Sicht, da sei Christian Lindner vor.

Vielleicht geht ja dem einen oder anderen Verantwortlichen mit der Nova, wenn sie denn kommt, ein Licht auf – auf eine Supernova in den Hirnen wagen wir gar nicht erst zu hoffen, man muss ja nicht gleich nach den Sternen greifen.

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Kolumne News
news-362 Thu, 21 Mar 2024 15:04:00 +0100 Renates Kolumne: Mit mir geht mal wieder der Gaul durch https://www.dehner.academy/renates-kolumne-mit-mir-geht-mal-wieder-der-gaul-durch/ Nichts gegen den Gaul: Ich besitze die größte Hochachtung vor Tieren! Wenn der Gaul jetzt mit mir durchgeht, hat das wahrscheinlich damit zu tun, dass er es mit der Gattung Homo (non) sapiens gerade sub-optimal findet. Dunkel erinnere ich mich daran, schon öfter ein Phänomen beklagt zu haben, wahrscheinlich sogar an diesem illustren Ort, das ebenso rätselhaft unerklärlich wie bedauerlich ist. Es handelt sich um folgendes: Die Menschen, wenn man sie individuell betrachtet, sind, ohne die Ausnahmen erwähnen zu wollen, nett, sympathisch, sie besitzen Empathie für andere, lieben die Natur, mehr oder weniger, lieben für gewöhnlich ihre Kinder und verhalten sich im Großen und Ganzen, beziehungsweise im Kleinen und Separaten, halbwegs vernünftig. Als Individuen betrachtet sind wir, wenn wir mal Putin, Trump und noch so ein paar Geistesgrößen außer Acht lassen wollen, soweit ganz okay. Warum sind wir als Masse eine solche Katastrophe? Wo es bei Tieren eine Schwarm-Intelligenz gibt, scheint bei uns nur Schwarm-Blödheit vorhanden zu sein.

Ich raff es einfach nicht! Wieder draufgekommen auf dieses alte Thema bin ich durch einen Beitrag im „Wissen“-Teil der SZ am 14.März. Ich muss die ganze Überschrift zitieren, dann verstehen Sie wahrscheinlich sofort, worauf ich hinaus will. Hauptüberschrift: „Tiere können Wissen weitergeben“, Unter-Überschrift: „Schimpansen und selbst Hummeln sind in der Lage, komplexe Dinge zu lernen und sie anderen beizubringen. Gibt es denn gar nichts, was den Menschen einzigartig macht?“

Also, diese Frage kann ich beantworten! Eine so einzigartige Blödheit wie sie der Menschheit zu eigen ist, findet sich vermutlich nirgendwo im Tierreich. Nehme einer noch einmal das Wort „hummeldumm“ in den Mund! Wir, die Ebenbilder eines mit zynischem Humor gesegneten Gottes, sind von allen Gattungen doch wohl die Dümmste. Keinem einzigen Tier würde es beifallen, mit Fleiß dafür zu sorgen, sich seiner Lebensgrundlage zu berauben – noch dazu, wenn es haargenau weiß, was es tut, weil man es ihm über fünfzig Jahre lang detailliert erklärt hat.

Ich weiß, ich schmücke mich mit fremden Federn, wenn ich so viele Zitate anbringe, aber in dem oben genannten Beitrag waren ein paar Sätze, die ich Ihnen nicht vorenthalten will, weil man sich doch nicht sicher sein kann, ob Sie den „Wissen“-Teil der SZ so gern lesen wie ich. Da ist zum einen die Erkenntnis von Alex Thornton, eines Zoologen der britischen University of Exeter: „Menschen neigen dazu, ihre Fähigkeiten im Vergleich zu anderen Tieren zu überschätzen.“ Das ist ganz unnachahmlich mit dem von uns allen so bewunderten britischen Understatement formuliert. Vor so viel Zurückhaltung kann man nur den Hut ziehen! Ich meine, er hätte auch sagen können: „Wir sind eingebildete Idioten, die sich für die Größten halten, nur weil sie es geschafft haben, Maschinen, Technologien, Industrien und Waffen zu erschaffen, die die Erde in absehbarer Zeit unbewohnbar machen, außer für Ameisen, die wenigstens Schwarmintelligenz besitzen.“

Und jetzt kommt noch ein Zitat, bei dem mir beim Lesen die Kinnlade aufs Brustbein fiel: „Unbestritten ist, dass die Fähigkeit des Menschen, auf dem Wissen und den Erfindungen früherer Generationen aufzubauen, Teil seines Erfolgsrezepts ist. Unter anderem hat sie der Art Homo sapiens ermöglicht, lebensfeindliche Regionen der Erde zu besiedeln und sich über die ganze Welt auszubreiten.“

Wie belieben – Erfolgsrezept? Ich lese immer „Erfolgsrezept“? Unser „Erfolg“ besteht im Moment doch gerade darin, viele Gebiete der ganzen Welt, in der wir uns ausgebreitet haben, in lebensfeindliche Regionen zu verwandeln, sowie vormals blühende Natur erfolgreich mit Abfallhalden und Giftmülldeponien zu besiedeln. Statt Tieren in gutgemeinten Versuchen irgendetwas Komplexes beizubringen, täten wir wahrscheinlich doch sehr viel besser daran, uns von den Tieren vernünftiges Verhalten abzugucken. Denn dass wir grundsätzlich lernfähig sind, daran habe ich keinerlei Zweifel! Es sollte uns doch gelingen, daraus was zu machen, oder?

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Kolumne News
news-357 Wed, 28 Feb 2024 11:24:00 +0100 Renates Kolumne: Gute Pflege – und Ihr Tag wird schöner https://www.dehner.academy/renates-kolumne-gute-pflege-und-ihr-tag-wird-schoener/ Neulich erhielt ich einen dieser freundlichen, fürsorglichen Anrufe, um die man nicht gebeten hat, die aber ganz zweifellos zum Ziel haben, das Leben zu bereichern, jedenfalls dasjenige des Anrufers. Ich wurde also überrascht mit der Nachricht, dies sei eine Information für „unsere pflegebedürftigen Mitmenschen“. Im fortgeschrittenen Alter nimmt die Pflegebedürftigkeit zweifellos zu, auch meine. Also ich brauche zum Beispiel viel mehr Gesichtspflege als in jüngeren Jahren, isso, hilft kein Drumrumreden. Und auch wenn man noch so tatterig wird, darf die Körperpflege keinesfalls vernachlässigt werden, selbst wenn einem die Seife aus den Händen glitscht und das Deo verrutscht. Obwohl man das mit der Seife und dem Deo auch Menschen anraten möchte, die überhaupt nicht alt sind, aber wenn sie an einem vorbeijoggen, eine Fahne hinter sich herziehen, die den traurigen Verdacht nährt, es sollte mal dringend jemand bei ihnen anrufen mit einer Information über Pflegemaßnahmen. Wie dem auch sei, als der zuvorkommende Anrufer meinte, um mich ausführlich und zu meinem Besten beraten zu können, bräuchte er zwingend meine Kontonummer, griff ich zu meinem Lieblingsmittel, um meine Begeisterung über solche Anrufe zum Ausdruck zu bringen, und sie zu ermutigen, mich weiterhin ungebeten zu informieren. Ich schrie so laut ich konnte meinen Freudenschrei in den Telefonhörer. Ich nehme an, danach waren seine Ohren pflegebedürftig. Aber Ohrenpflege ist ja auch etwas sehr Schönes und Sinnvolles.

Ich für meinen Teil liebe es, meine Ohren zu pflegen, indem ich einen französischen Klassik-Sender höre. Erstens mag ich Klassik und zweitens mag ich Französisch. Für meine Ohren gibt es nichts, was eleganter klingt. Außerdem nichts, was charmanter ist. Dass „Charme“ ein französischer Begriff ist, liegt vollkommen auf der Hand, das kann gar nicht anders sein, lässt sich auch in keine Sprache der Welt ohne Bedeutungsverlust übersetzen. Allein wie die Radiosprecher miteinander umgehen! So pfleglich, ist man geneigt zu sagen, um im Kontext zu bleiben - das ist mir noch in keinem deutschen Radiosender so zu Ohren gekommen, zum Dahinschmelzen. Und wie die Stimmen klingen, kultiviert und (hic!) gepflegt, also absolut bezaubernd.

Manchmal allerdings klingt es auch unerwartet lustig, was ich zu hören bekomme. Etwa dann, wenn die Radiosprecher überhaupt kein Problem damit haben, deutsche Komponisten-Namen auszusprechen. Jean Sebastien Bak und Wolfgon Mosár sind ja noch harmlos. Bei Christoffe Willibalde Glück wird es schon etwas abenteuerlicher und gänzlich verwegen wird es bei Didritsch Büxteüd. Noch schöner wird es eigentlich nur, wenn sie versuchen, deutsche Namen „richtig“ auszusprechen. Ich musste eine Weile grübeln, bevor ich herausfand, wer sich hinter Ügowon Ofmanschtal versteckt. Der Sprecher hatte wohl noch im Hinterkopf, dass im Deutschen s und t zu scht zusammengezogen werden – eine löbliche Erinnerung an den Deutschunterricht. Nur dass es halt auch bei uns zu jeder Regel eine Ausnahme gibt.

Aber was soll’s, es klingt immer noch alles besser, als wenn bei uns alles gnadenlos anglisiert wird, ob es passt oder nicht. Wenn zum Beispiel eine Nachrichtensprecherin im Fernsehen von einem Internationalen Go-Turnier spricht, und dabei das altehrwürdige japanische Brettspiel wie das englische Verb to go-ausspricht, oder, was ich auch schon gehört habe, aus dem guten alten Paul Hindemith ein „Hindemiff“ wird, dem Ti Eidsch muss schließlich, koste es, was es wolle, Rechnung getragen werden. Da ist mir Bätow immer noch lieber. Nur dass Mahler immer wie „Malheur“ klingt, das hat er nicht verdient, der Gustav. Ein Malheur war sicherlich, dass er die grässliche Alma geheiratet hat, aber seine Musik war es doch nicht. Deshalb wird sie auch heute noch gepflegt, vom Mahler Chamber Orchestra zum Beispiel…sitzt übrigens in Berlin…

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Kolumne News
news-351 Sat, 03 Feb 2024 13:36:00 +0100 Renates Kolumne: Geheimtipp für einen gemütlichen Winterabend https://www.dehner.academy/renates-kolumne-geheimtipp-fuer-einen-gemuetlichen-winterabend/ Nun haben wir, was diesen Winter angeht, schon einiges gut hinter uns gebracht: Wir haben, wie meine jüngste Enkeltochter es ausgedrückt hat, „heimlich Abend“ gefeiert, wir haben Feiertage über Feiertage – wir in Baden-Württemberg sogar noch einen mehr als fast der ganze Rest der Republik – erfolgreich, und hoffentlich nicht allzu folgenreich für die Gegend um den Bauchnabel rum, überstanden, und uns inzwischen an das neue Datum gewöhnt. Ist es da schon zu spät, Ihnen noch alles Gute für das Neue Jahr zu wünschen? Ach was, für gute Wünsche ist es doch eigentlich nie zu spät und in diesen sonderbaren Zeiten kann man sie dringend brauchen: Also ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen ein Jahr mit dem Sie zufrieden sein können! Klingt das ein bisschen arg bescheiden? Muss an meinem Alter liegen. Ich sage Ihnen, je älter man wird, desto mehr lernt man die Zufriedenheit schätzen. Zufriedenheit gibt letztlich mehr her als das immer ach so flüchtige Glück und der Erfolg, eijeijeijei, kaum hat man ihn, schreit er nach dem nächsten. Er ist in dieser Hinsicht ein naher Verwandter des Wunsches, von dem schon Wilhelm Busch wusste, dass er augenblicklich Junge bekommt, sobald er erfüllt wird. (Gute Wünsche, die man anderen zukommen lässt, sind selbstverständlich von diesem Dictum ausgenommen, die spielen in einer ganz anderen Liga, wie man heute so sagt.)

Also, Zufriedenheit ist eine wunderbare Sache, aber bei näherem Nachdenken muss ich zugeben, dass selbstverständlich nichts gegen Glück und Erfolg einzuwenden ist, ich bin sicher, Sie haben beides verdient! Es sei Ihnen also von Herzen gegönnt: Ich wünsche Ihnen Zufriedenheit, Glück und Erfolg!

Was Ihren Erfolg betrifft, da kann ich persönlich leider nichts beitragen (das machen Ulrich, Alice und Jasper schon), aber ich kann Ihnen vielleicht zu ein paar glücklichen Stündchen verhelfen: Ich möchte Sie auf ein kleines Juwel von einem Buch hinweisen. Es ist wunderschön und sehr sorgfältig gemacht, dazu lebendig geschrieben, ruft bei denen, die schon hier waren, Erinnerungen an die herrliche Landschaft wach, weckt bei denen, die noch nicht hier waren, den Wunsch, den Bodensee endlich kennenzulernen und ist eine Freude für diejenigen, die das (dauerhafte…) Glück haben, hier zu leben, was, nebenbei bemerkt, ihrer Zufriedenheit sicher äußerst zuträglich ist.

Das Buch heißt „Grüne Fürsten am Bodensee“, ist erschienen im Silberburg-Verlag und wurde geschrieben von Dominik Gügel. Der Konstanzer Historiker Dominik Gügel ist seines Zeichens seit mehr als zwei Jahrzehnten Direktor des Napoleon-Museums Arenenberg. Außerdem ist er geschäftsführender Präsident des Netzwerks Bodenseegärten, hat darüber hinaus noch einige andere Funktionen inne, ist also von Berufs wegen ein ausgewiesener Kenner der Materie, über die er schreibt. Dass er auch sehr viel Leidenschaft für sein Lebensthema – die Gärten und alles, was damit zusammenhängt; die Konstanzer Geschichte; die Schlösser rund um den See – mitbringt, strahlt nicht nur durch dieses Buch, das beweisen auch seine zahlreichen anderen Veröffentlichungen.

Dieses zauberhafte Buch besticht jedoch nicht nur durch die Geschichten, die Dominik Gügel erzählt, und die einiges beinhalten, was auch Kennern der Konstanzer Geschichte noch unbekannt sein dürfte, sondern es verfügt über eine große Fülle von sorgfältig ausgewählten Bildern, mit deren Betrachtung man mit Vergnügen viel Zeit verbringt. Die Geschichten ranken sich hauptsächlich um die illustren Bewohner der Schlösser auf der Mainau, dem Arenenberg und in Salem, die sich schon während der napoleonischen Kaiserzeit, aber ganz besonders nach deren Ende dort aufgehalten haben und wesentlich zum heutigen Erscheinungsbild der genannten Örtlichkeiten beigetragen haben. Auf vielen zeitgenössischen Bildern, aber auch auf heutigen Ansichten, lässt sich der ganz besondere Charme der Schlösser und ihrer Umgebung erspüren. Ergänzt werden die Landschaftsbilder durch Portraits der hauptsächlichen Protagonisten wie Fürst Nikolaus II. Esterhazy, Hortense Beauharnais und ihrem Sohn, dem späteren Napoleon Trois, und einigen anderen, deren Namen man heute vergessen hat.

Dieses Buch ist ein echter Geheimtipp und, Sie merken es, es hat mir sehr viel Freude gemacht, weshalb ich es nun Ihnen ans Herz lege. Lassen Sie sich entführen in die schönen Seiten der Welt von damals und gönnen Sie sich eine kurze Entspannung von den unschönen Seiten der Welt von heute. Zu meiner Zufriedenheit hat es beigetragen und das wünsche ich Ihnen selbstverständlich auch!

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Kolumne News
news-342 Fri, 01 Dec 2023 12:03:00 +0100 Renates Kolumne: Wenn ich mir was wünschen dürfte… https://www.dehner.academy/renates-kolumne-wenn-ich-mir-was-wuenschen-duerfte/ Gerade komme ich von einem spektakulären Spaziergang am See zurück. Der See, dank der ergiebigen Regenfälle der vergangenen Wochen so voll wie den ganzen letzten Sommer nicht, ist ja sowieso immer schön, aber heute – meine Herren! Herbstwetter, wie man es sich bilderbuchmäßiger nicht vorstellen kann: Über dem sturmgepeitschten See kommt die Sonne hinter Wolkenbergen hervor und schafft ein unglaublich intensives Licht, das die noch goldenen Blätter an den Bäumen überirdisch leuchten lässt, während es auf der Landseite, nach Nordosten hin, fast nachtschwarz ist. Der Gegensatz erzeugt eine auch hier am See nicht häufig zu beobachtende Farbigkeit, und die paar Schwäne, die noch auf dem Wasser zu sehen sind, strahlen in blendendem Weiß. Während ich mich noch an dem Lichtspektakel freue, gewinnen die dunklen Wolken die Oberhand, mit einem Schlag ist die Sonne weg, dafür geht ein Graupelschauer nieder, der die Wasseroberfläche aussehen lässt, als würde sie kochen. Das Ende vom Lied ist, dass ich so gut durchfeuchtet, wie der Waldboden sich das den ganzen Sommer über vergeblich gewünscht hat, zu Hause ankomme. Tja, jede Schönheit hat ihren Preis.

Angeblich erholt sich der Waldboden, zumindest bei uns in Baden-Württemberg, langsam von der Trockenheit der vergangenen beiden Jahre. Aber es ist noch zu früh, um in Jubel auszubrechen, laut berufenem Munde wird das Klima vermutlich eher früher als später kollabieren und das bringt mich stante pede zu meinem nächsten Punkt, aber keine Angst, ich jammere weder über das Klima noch seine Kleber. Es geht mir um was anderes. Kollabieren kommt ja von Kollaps – oder andersrum, ich weiß es nicht, ist auch wurscht.

Müsste ich mich noch einmal für einen Beruf entscheiden, würde ich wahrscheinlich Kollapsologe werden. Lachen Sie nicht, das kann man. In der SZ las ich kürzlich ein Interview mit einem Forscher, der sich auf dem Forschungsgebiet der Kollapsologie einen Namen gemacht hat. Dieses Forschungsfeld befasst sich mit dem Untergang von Staaten. Das wäre mir allerdings zu simpel. Zu erkennen, dass es mit den diversen Staatswesen, unserem eigenen, aber auch ziemlich vielen anderen auf der Welt, ziemlich steil bergab geht, dazu braucht man weder Zeit für ein Studium noch Forschungsgelder zu verschwenden.

Der Wissenschaftler, der interviewt wurde, untersuchte auch nicht gegenwärtige Staaten, sondern lange vergangene. Es ist bestimmt von ganz eigenem Interesse, weshalb jungsteinzeitliche Gesellschaften oder andere prähistorische Gemeinwesen zugrunde gingen, aber interessanter ist doch, zumindest in meinen Augen, ob es nicht vielleicht doch möglich wäre – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt – etwas für die heutige Zeit daraus zu lernen.

So fanden Kollapsologen, ach, das Wort ist einfach zu und zu schön, darum nochmal: die Kollapsologen also fanden heraus, dass es wohl weniger äußere Umstände wie Kriege oder Naturkatastrophen waren, die einem Staatsgebilde den Garaus machten, als vielmehr die inneren Übel, die eine Gesellschaft befallen können. Ich zitiere aus dem Artikel; „Hier (jungsteinzeitliche Gesellschaften in Europa und Pueblo Kulturen im Westen Nordamerikas) fanden die Forscher am Ende vermehrt Belege für Gewalt und teils große Wohlstandsunterschiede – und registrierten, dass umgekehrt zum Beispiel immer weniger Gebäude errichtet wurden.“

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?

Wenn ich Kollapsologe wäre – je öfter ich das Wort hinschreibe, desto herrlicher kommt es mir vor – würde ich zu gern erforschen, warum bei uns gerade die guten Manieren, das höfliche, rücksichtsvolle Benehmen, der gute Geschmack sowie der allgemeine Anstand kollabieren. Aber wie schrieb schon der weise, wenn auch manchmal schwer zu lesende Ralph Waldo Emerson vor mehr als hundertfünfzig Jahren in einem seiner Essays: „Die Gesellschaft macht niemals Fortschritte. Sie weicht auf einer Seite so weit zurück, wie sie auf der anderen fortschreitet. Alle brüsten sich mit der Verbesserung der Gesellschaft und kein Mensch wird besser.“

Ach, könnten wir uns nicht ein bisschen anstrengen, und Ralph Waldo, der alten Unke, beweisen, dass er sich geirrt hat? Schließlich steht Weihnachten vor der Tür: Lassen Sie uns ein Fest der Liebe und des Verständnisses feiern! Mein Wunsch: Lächeln Sie, das hilft schon ganz ungemein. In diesem Sinne: Frohe Feiertage!

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news-337 Wed, 01 Nov 2023 13:23:00 +0100 Renates Kolumne: Braune Blätter fallen… https://www.dehner.academy/renates-kolumne-braune-blaetter-fallen/ Kennen Sie dieses Phänomen? Jeden Herbst staune ich wieder darüber, wie man dermaßen schnell aus dem Spaghetti-Träger-Top in den Wollmantel geraten konnte. Und dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass es einem beim Spaziergang am See mal so heiß war, dass man am liebsten sogar die Haut ausgezogen hätte. Stattdessen sehe ich nun spazierengehend dabei zu, wie die braunen Blätter fallen, freue mich, wenn sie mit diesem herrlich knackenden Rascheln zerbröseln, wenn man drauftritt, und fände es aber sowas von erstrebenswert, wenn noch mehr so altes braunes Zeug zerbröseln würde und dafür, wie in der Natur, was Neues, Grünes, das Leben verspricht, nachwüchse, eine neue Generation halt. Es würde vielleicht ein bisschen dauern, bis der Frühling kommt, aber dafür wäre es frisch und neu und nicht alt und kaputt und verbraucht und wertlos. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Wie gesagt, man kann sich an vergangene Tage erinnern, dass ja, aber so richtig vorstellen kann man es sich nicht mehr. Dass mir das mit dem Übergang der Jahreszeiten, ganz besonders vom Sommer zum Herbst, passiert, und Jahr für Jahr passiert, wo ich doch eigentlich genügend Zeit gehabt hätte, mich daran zu gewöhnen, das finde ich schon erstaunlich. Aber dann auch noch darüber zu staunen, dass es mich auch dieses Jahr wieder erstaunt, ist das nicht ein bisschen…tja, wie soll man das nennen? Sagen Sie es nicht, es ist eh schon schlimm genug!

Aber, was soll’s? Die Fähigkeit zu staunen, soll ja eine der schätzenswerteren Eigenschaften des Menschen sein, etwas, das man zum Beispiel an Kindern ganz besonders charmant findet. Vielleicht weil diese Fähigkeit einem im Laufe des Lebens abhanden zu kommen droht. Eine mögliche Begründung dafür könnte sein, dass einem tagtäglich so vieles an Irrsinn in der Welt begegnet, dass es statt zu einem ehrfürchtigen Staunen nur noch zu einem entnervten „Ich wundere mich über gar nichts mehr!“ reicht. Insgeheim wundert man sich dann aber natürlich doch, wie blöd die Menschheit (Anwesende selbstverständlich immer ausgenommen) sein kann. Unter Menschheit subsumieren wir jetzt auch mal alle, die andere überfallen, ermorden, ihrer Lebensgrundlagen berauben, die bösartig, grausam, gemein und roh sind, oder solches ausgesprochen oder unausgesprochen in ihren Parteiprogrammen haben und die noch nie von unser aller Goethe gehört haben, … Goethe, Sie erinnern sich: edel sei der Mensch, hilfreich und gut.

Ewig schade, dass die Leute, die so gern auf einem ausge-iXten Messengerdienst Hassparolen zwitschern, nicht stattdessen die Weimarer Klassik studieren. Ich plädiere übrigens schwer dafür, dass einer, der so gerne mit Ixen um sich wirft (zum Beispiel SpaceX, X.com und noch ein paar) und dabei sogar seine unschuldigen Kindlein trifft (ich erinnere nur an X AE A-XII, inzwischen drei – seither gibt es noch eine paar Xe mehr), von nun an Y genannt wird. Und zwar am besten in der englischen Aussprache. Obwohl ich nicht daran glaube, dass er eine wirklich überzeugende Antwort parat hätte. Was leider nicht weiter erstaunlich ist. Staunen wir halt über die unglaubliche Schönheit des Herbstes, wenn der Nebel sich verzogen hat und die braunen Blätter fallen.

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Kolumne News
news-332 Fri, 29 Sep 2023 10:30:00 +0200 Renates Kolumne: Jetzt mal im Ernst https://www.dehner.academy/renates-kolumne-jetzt-mal-im-ernst/ Wer so freundlich ist, diese Kolumne zu lesen, vielleicht sogar schon über Jahre, weiß, dass ich mich bemühe, meinen Humor nicht zu verlieren und den Dingen, die mich beschäftigen, eine leichte, mit etwas Glück sogar witzige Seite, abzugewinnen. Diesmal müssen Sie sich auf ernstere Töne gefasst machen. Ich schreibe das vorweg, weil es ja Mode geworden ist, vor allem möglichen zu warnen, bevor man Lesern oder Zuschauern etwas zumutet, was deren arme Seelchen verstören könnte. Ich weiß zum Beispiel aus absolut zuverlässiger Quelle, dass sich an einem großen deutschen Opernhaus eine Zuschauerin nach der Vorstellung beschwert hat, dass sie nicht vorher gewarnt wurde, dass es in der betreffenden Oper zu Gewalt und Tod kommt. Also Vorsicht, aufgepasst, was ich behandle, ist nicht zum Lachen. Es geht letzten Endes um ein Thema, das mir zunehmend bitter aufstößt: Dieses Opfer-Getue, das überhandgenommen hat. Ich weiß, dass ich nicht die Erste bin, die sich dazu äußert, aber andererseits gibt es eh nichts Neues unter der Sonne, kann also auch ich meinen Senf dazu geben. Ich werde allerdings erst mal ein bisschen ausholen, um zum Punkt zu kommen.

Ich fange mit der denkbar schlimmsten narzisstischen Kränkung an, die uns Menschen angetan wird, mit dem Tod. In einer wunderbaren Karikatur, die ich an meinen Küchenschrank hängen habe, sieht man einen Grabstein, auf dem eingemeißelt ist: „Warum ich?“ Das trifft die Sache hervorragend, finde ich. Zwar dämmert jedem irgendwann: „Oh, ich bin ja gar nicht unsterblich“ - spätestens so mit Ende dreißig. Doch zu diesem Zeitpunkt lässt es sich noch relativ leicht sagen: „Ich habe über den Tod nachgedacht, doch, ich habe mich echt mit dem Gedanken auseinandergesetzt. Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod.“ Aber wie sieht die Sache aus, wenn man davon ausgehen muss, dass diese Ereignis tatsächlich in absehbarer Zeit eintreten wird? Dann erfordert es Mut und Offenheit, sich mit dem Tod zu beschäftigen, denn es geht ans Eingemachte, wie es so schön heißt - nicht „der“ Tod, irgendein Tod, sondern der eigene. Auf diese Gedanken bin ich gekommen, weil einer meiner liebsten Freunde seit einiger Zeit mit der Diagnose einer unheilbaren Krankheit leben muss. Durch die Gespräche mit ihm ist mir sehr deutlich geworden, welch eine Verschwendung köstlicher Lebenszeit es ist, wenn man sich selbst das Leben unnötig schwer macht.

Ich bilde mir nicht ein, durch meine Gedanken zu dem Thema jemandes Leben erleichtern zu können. Jemandes Leben leichter machen zu wollen, das ist ein ganz schön hoher Anspruch - vermessen vielleicht sogar. Wie käme ich dazu? Aber vielleicht mag der eine oder andere doch mal darüber nachdenken, wie es damit im eigenen Leben bestellt ist.

Es gibt eine Beobachtung, die mich immer wieder ungläubig staunen lässt: Wie viele Menschen sich ihr Leben selbst schwermachen. Ich weiß, dass fremde Probleme immer viel leichter zu lösen scheinen, als die eigenen. Nein, ich möchte nicht die Probleme anderer Menschen haben! Ich weiß, dass die schwerwiegend sind. Es geht nicht darum, die Probleme der anderen in irgendeiner Weise zu bewerten. Es geht um die Beobachtung, dass Menschen erstens erstaunlich häufig dazu neigen, sich den Lebensgenuss selbst madig zu machen und zweitens erstaunlich selten bereit sind, Hilfen anzunehmen oder anzuerkennen, dass nicht die anderen sie zu Opfern machen, sondern sie selbst ihre „Verletztheiten“ hätscheln und bereit sind, alles übel zu nehmen, was man, bei nebligem Wetter und schlechter Sicht als Kränkung wahrnehmen könnte.

Ein Zitat von Bertold Brecht soll in die Richtung weisen, die ich meine: „Ich verachte die Menschen, die im Unglück sind.“ Ich maße mir nicht an, zu wissen was genau Bert Brecht damit gemeint hat, aber ich verstehe es so: Das Leben ist ein Geschenk, das größte, das es gibt, und wer „ist“, der ist auch „glücklich“. Wer sich lieber in seinem realen oder vermeintlichen Unglück suhlt, nur weil das Leben nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hat, statt sich selbst die Möglichkeit des Glücklichseins zu verschaffen, indem er sich Klarheit über das Geschenk des Lebens verschafft, der verdient vielleicht durchaus ein bisschen Verachtung.

Bevor jetzt alle empört auf mich einprügeln: Selbstverständlich gibt es grauenvolle und unerträglich schmerzhafte Erfahrungen oder Lebensumstände, die den Namen „Unglück“ mehr als verdienen. Darum geht es mir nicht. Es geht mir darum, ob jemand mit Fleiß in seinem Unglück verweilt, ohne den Versuch zu machen, daran etwas zu ändern - und zwar nicht nur äußerlich, das natürlich auch, aber ganz besonders in seiner inneren Haltung.

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ - stimmt! Und Aufklärung über das Dasein ist in meinen Augen der Ausgang des Menschen aus seinem selbstverschuldeten Unglück. Selbstverschuldet ist dieses Unglück, als es nicht auf einem Mangel an Denkvermögen beruht, sondern auf einer Weigerung, dasselbe zu gebrauchen. Um es ohne Kant auszudrücken: Menschen, die mit ihrem Lebensüberdruss, ihrem Leiden am Leben an sich, ihrer angeblichen Unfähigkeit, all die Zumutungen des Lebens, der Umstände und ihrer unvollkommenen Mitmenschen zu ertragen, sich selbst das Leben schwermachen und sich dabei noch ganz besonders sensibel und von edler Gemütsart beseelt vorkommen, haben ganz einfach ein Defizit im Gebrauch ihres Denkvermögens. Bei einer klaren Analyse müsste ihnen deutlich werden, dass es sie schon gar nicht mehr gäbe, wenn sie so sehr am Leben verzweifelten, wie sie es sich selbst einreden. Da sie aber am Leben hängen, wie ihr Noch-Vorhandensein ganz zweifelsfrei beweist, sollten sie ihren Verstand dazu benutzen, ihrem Unglück ein Ende zu machen.

Und was nun die Opfer-Haltung angeht: Ein Opfer kann nur leiden und er-leiden, es ist ausgeliefert, unfähig, etwas zu ändern, machtlos. Wenn man wirklich will, dass etwas besser wird, im eigenen Leben oder im Leben aller Menschen, muss man wohl oder übel das Opfer sein hinter sich lassen und seinen Verstand einschalten.

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Kolumne News
news-327 Wed, 06 Sep 2023 09:56:00 +0200 Renates Kolumne: Ist es Franeutsch? Ist es Deuzösisch? https://www.dehner.academy/renates-kolumne-ist-es-franeutsch-ist-es-deuzoesisch/ Denglisch kann ja mittlerweile jeder. Es ist die bevorzugte Kommunikationsform der jüngeren, mittleren und reiferen Jugend, von Managern (früher mal „leitende Angestellte“ genannt, wie hinterwäldlerisch ist das denn? Wo inzwischen jeder Hausmeister Wert darauf legt, ein facility manager zu sein) und ITlern gar nicht zu reden. Brauch ich nicht weiter ausführen, ist ein breitgetretenes Thema. Es spricht ja auch einiges für Englisch, lässt sich gar nicht leugnen, ich liebe diese Sprache, allerdings hauptsächlich, wenn sie korrekt gesprochen und nicht verballhornt wird. Ich mag aber auch unsere Muttersprache, obwohl sie wirklich mit Merkwürdigkeiten gesegnet ist, die oft genug jede Logik vermissen lassen. Das ging mir erst neulich durch den Kopf, als mir ein irgendwie dem Denglisch verwandtes, wenngleich quasi gegensätzliches Phänomen auffiel.

Hitzebedingt völlig unfähig zu geistig gehaltvoller Lektüre, nahm ich einige Krimis zu mir, lesen kann man das gar nicht nennen. Man kann sagen, ich inhalierte sie, so leicht dampften sie aus den Seiten in mein runtergeregeltes Hirn. Sie spielen in der Provence, ah, la douce France, Sehnsuchtsort seit hundert Jahren, was gibt es besseres in den Sommerferien? Der Autor zählt zu jener Spezies, die sich, ich nehme an, um authentischer rüberzukommen, ein französisches Pseudonym zulegten und damit fließbandmäßig einen Bestseller nach dem anderen fabrizieren. Die Dinger lesen sich ganz süffig, jedenfalls die ersten sechs oder sieben, bis einem die Redundanz auf den Wecker geht. Dazu kommt noch, dass der Autor die Macke hat, jede Menge französischer Redewendungen – oder was er dafür hält – in den Text zu basteln, die überflüssigerweise dann auch gleich auf deutsch wiederholt werden, weshalb man auf die nächsten sechs oder sieben lieber verzichtet und bei sich denkt: „Arretez de me casser les couilles!“ Oder kann man das als Frau gar nicht sagen?

Jedenfalls stößt man in wahrhaftig jedem Exemplar, das ich gelesen habe, auf den Ausdruck „Je m’excuse“, was so grottenfalsch ist, dass jemand, der als Franzose durchgehen will, es eigentlich wissen sollte. Gäbe es in Bezug auf französisch etwas vergleichbares wie denglisch, also franeutsch oder deuzösisch, um nur mal einen Vorschlag zu machen, gehörte „Je m’excuse“ zweifellos dazu, nur andersrum sozusagen. Wo im Denglischen englische Bezeichnungen völlig falsch ins Deutsche eingewandert sind, ich erinnere nur an public viewing (Leichenschau) oder home office (Innenministerium), soll eine Besonderheit des Deutschen als französisch durchgehen.

Excusez-moi, aber „Ich entschuldige mich“ ist eine absurde Verdrehung der Umstände und jeder Franzose weiß, dass, wenn man einen Fehler gemacht hat, der andere es ist, der einen „ent – schuldigen“ kann oder auch nicht, wenn man ihn darum bittet, es jedoch vielleicht eher arrogant ist, es gleich selbst zu tun: „Ich habe dir wehgetan? Na, macht nichts, ich entschuldige mich, kannst du sehen, wo du bleibst!“ So meint das bei uns natürlich keiner, aber nichtsdestotrotz macht der Ausdruck „Ich entschuldige mich“, doch eigentlich keinen Sinn, oder? „Ich bitte dich um Entschuldigung“ träfe die Sache schon eher.

Dass das gebräuchliche „Ich entschuldige mich“ trotzdem als adäquate Reaktion auf Fehlverhalten durchgeht, ist im Grunde genommen genauso wenig nachvollziehbar, wie das nicht minder merkwürdige „Ich ärgere mich“. Wenn du etwas tust, das mir gegen den Strich geht, wer ärgert dann wen? Und warum finden wir es immer so traurig, wenn wir enttäuscht werden? Ist es nicht eine prima Sache, einer Täuschung weniger zum Opfer zu fallen?

Ich sag’s ja, mit der Logik hapert es manchmal ein bisschen in unserer schönen Sprache. Und was sagen diese Fallstricke des Deutschen über uns und unser Selbstverständnis aus? Schwer zu sagen, aber es sollte einem zu denken geben… „Ich haue mich selbst gern auf die Nase (=ich ärgere mich), aber das nehme ich mir nicht weiter übel (=ich entschuldige mich) und ich bitte inständig darum, angelogen zu werden, denn raube mir bitte nicht meine Illusionen (=enttäusche mich nicht)!“ Nein, nein, das können wir nicht meinen. Ich glaube, unsere europäischen und außereuropäischen Nachbarn sind sich einig, Deutsch ist eine merkwürdige Sprache!

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news-318 Thu, 29 Jun 2023 13:35:00 +0200 Renates Kolumne: Auf zu neuen Ufern! https://www.dehner.academy/renates-kolumne-auf-zu-neuen-ufern/ „Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen“ Hier irrte Goethe. Jedenfalls was mich betrifft. Man muss ihm zugutehalten, dass er weder die Deutsche Bahn, noch streikende Beschäftigte in allen möglichen reiserelevanten Bereichen, noch Mitarbeitermangel bei Flugabfertigungen kannte, von kilometerlangen Staus gar nicht zu reden. Gut, in Postkutschen soll es auch nicht so gemütlich gewesen sein und ich konzediere, dass es heutzutage schneller gehen könnte als damals, mit starker Betonung auf „könnte“. Wenn ich nicht so schrecklich gern manchmal an anderen Orten wäre, wäre ich ein vehementer Unterschreiber jenes anderen Zitates, das besagt, dass das ganze Unglück der Menschheit daher rühre, dass keiner ruhig in seiner Stube zu verweilen vermöge. Reisen ist eine Vorform der Hölle! Andererseits – tja, andererseits! Das brauche ich gar nicht näher ausführen, das kennen Sie wahrscheinlich besser als ich, es ist nämlich nicht so, dass ich so sonderlich weit in der Welt herumgekommen wäre. Meine sogenannten Fernreisen sind erstens verdammt lang her und lassen sich zweitens locker an einer Hand abzählen. Aber es gibt so viele Städte und Landschaften, die ich entweder gern noch kennenlernen würde oder schon kenne und so sehr mag, dass ich immer wieder hinwill. Was soll man also machen? Man begibt sich auf die Reise. Der heldenhafte Entschluss dazu ist der letzte Moment ungetrübter Vorfreude. Je näher die Reise nämlich rückt, desto konkreter werden die Vorbereitungen. Im modernen Leben beginnt und endet jede Unternehmung in einem gnadenlosen Kampf mit den Tücken des Internets. Wenn man da auch nur einen Moment der Schwäche zeigt, hat man app-solut verloren. Ob mit App-sicht oder nicht, der Computer sorgt immer dafür, dass ich mich klein, dumm und ausgeliefert fühle. Spätestens, wenn man zum dritten Mal die immer gleichen Daten eingegeben hat, fragt man sich, warum man sich das eigentlich antut, man hat doch ein gemütliches Zuhause und ob London nicht doch schwer überschätzt wird.

Aber auf irgendeine geheimnisvolle Weise schafft man es schließlich doch, alles zu buchen, was nur gebucht werden muss; dann weiß man dass es kein Zurück mehr gibt; dann bangt man, ob womöglich irgendeiner auf dem Weg zum Ziel, dass man nun auch erreichen will, wo man sich schon dazu durchgerungen hat, anfängt zu streiken; dann überwindet man einchecken, Securitiy, das wie immer verspätete Boarding; dann hat man gefühlt sieben Mal seinen Reisepass kontrollieren lassen; und dann! Und dann kommt der Moment, wo man zum ersten Mal im Leben vor dem unglaublichen Westminster steht und man ist hin und weg. Oder besser, man ist da, man ist tatsächlich da und hört Big Ben schlagen, der Himmel ist blau, die Sonne lacht und man weiß: Dafür hat es sich gelohnt und man wird es immer wieder machen, solange man kann! Städte wie London, Paris, Rom, Brüssel, um nur ein paar zu nennen, sind eine Reise wert, weil sie einen umhauen mit ihrer Schönheit, ihren Museen, Opern, Theatern und dem Flair, das man spürt. Tja, lieber Johann Wolfgang, ich überlasse dir gern das Reisen um des Reisens willen – ich will ankommen!

Ich hoffe, dass für Sie die Reisezeit in den nächsten Wochen eine wunderbare Zeit wird, die Sie uneingeschränkt genießen können und verabschiede mich bis zum Frühherbst, denn im Sommerurlaub steht natürlich auch für mich die nächste Reise an. Drücken wir uns gegenseitig die Daumen, dass alles glatt geht mit dem Losfahren und wieder Heimkommen. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Sommer!

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news-314 Fri, 02 Jun 2023 14:15:00 +0200 Renates Kolumne: Schieben Sie einfach alles auf das Wetter! https://www.dehner.academy/renates-kolumne-schieben-sie-einfach-alles-auf-das-wetter/ Habe ich mich jemals über schlechtes Wetter beklagt? Bien sur que non! Das käme mir doch niemals in den Sinn. Schon gar nicht, wo man in diesen merkwürdigen Zeiten eh nicht mehr weiß, was eigentlich als gutes, und was als schlechtes Wetter zu bezeichnen ist. Die Parameter (so sagt man heutzutage) haben sich reichlich verschoben. In einem Land, in dem früher „die Sommer grün angestrichene Winter“ (Heinrich Heine) waren, und in dem man Wassermangel für ein Problem irgendwo in Afrika hielt, gibt es Dürre-Rekorde. Deswegen haben wir es jetzt mit einem ganz neuen Narrativ, das Wetter betreffend, zu tun. Sie wundern sich gerade? Sind wohl nicht ganz auf dem laufenden mit Neu-Germanisch? Aber Ihr Denglisch ist hoffentlich uptodate?! Also, jeder, der was auf sich hält, braucht neuerdings ein Narrativ. Warum nicht auch die Wetterverhältnisse, fragt sich da der halbgebildete Laie.

Das Wetternarrativ gibt sich hierorts gerade hemdsärmelig und kurzhosig, sprich, man respektive frau, sitzt im Garten und denkt sich „Endlich! Welch ein herrlicher Sonnenschein und da soll ich rein an den Schreibtisch? Och nöö, ich bleib noch ein bisschen draußen und schau den Spatzen zu, wie sie in der Vogeltränke planschen.“ Das angepisste Gewissen mahnt: „Aber…“ Frau beschwichtigt: „Ach komm, erstens habe ich ja noch ganz viel Zeit und zweitens kann ich das ja immer noch heute Abend machen!“ Da hat frau aber vergessen, dass durch die vielen Feiertage auf mysteriöse Weise schrecklich viel Zeit verloren gegangen ist und man abends leider, leider was anderes vorhat, unabkömmlich ist, mit dem Gatten, der sich sonst ja viel zu wenig bewegt, einen schönen Abendspaziergang machen muss und überhaupt abends gar nicht schreiben kann, wegen…

Was ich sagen will: ich bin ein bisschen spät dran, deswegen ist der Beitrag diesmal ein wenig kürzer als Sie sonst von mir gewohnt sind. Aber dafür habe ich einen ganz wunderbaren link für Sie. Es geht um Reden. Also nicht um das Reden, sondern um die Reden. Politiker halten gern welche und wir erinnern uns mit Freude und Dankbarkeit an, zum Beispiel, welche von Edmund Stoiber, um nur einen herauszugreifen. Diesmal geht es um eine Rede des gütigen Schaffers von Witwen und Waisen, hervorragenden Staaten-in -den-Abgrundlenkers, Beschützers der Welt vor den Demokratie-Nazis, unser geliebtes Väterchen Putin, der sich zu Beginn des Ukraine-Krieges wahrscheinlich vorgestellt hatte, dass er binnen weniger Tage auf dem Majdan Platz in Kiew stehen würde, um der ergriffenen und dankbaren Bevölkerung eine epochemachende Ansprache zu halten, gekrönt mit dem emotionalen Bekenntnis „Ich bin ein Pampuschky“, um damit ebenso in die Geschichtsbücher einzugehen wie seinerzeit Kennedys „Isch bin ain Börliner!“ (Sollten Sie die ukrainische Gebäckspezialität Pampuschky noch nicht kennen, wird es jetzt aber höchste Zeit, ist ein Knoblauchbrötchen.) Er konnte sie bisher nicht halten, war wahrscheinlich verhindert, oder das Wetter war zu schlecht, aber macht nichts, die aller-, allerbeste Rede von Putin finden Sie sowieso hier

https://www.youtube.com/watch?v=cuMSuZEncsc

So viel Eloquenz macht Sie hoffentlich sprachlos!

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news-308 Fri, 28 Apr 2023 15:02:00 +0200 Renates Kolumne: Happy Birthday! https://www.dehner.academy/renates-kolumne-happy-birthday/ Bei uns feiert eine üppige Schönheit, die weit über die Region hinaus bekannt ist, ihren dreißigsten Geburtstag. Das erfüllt einen, wenn man gerade seinen siebzigsten gefeiert hat, mit einem gewissen Neid. Darüber hinaus ist sie in dieser Zeit um keinen Tag gealtert, was, ohne Namen nennen zu wollen, nicht jeder von sich behaupten kann. Dabei hatte sie einiges an Stürmen zu überstehen, im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinne. Direkt an der Einfahrt zum Konstanzer Hafen lebt man natürlich auch an sehr exponierter Stelle. Da pfeift es einem manchmal ganz schön um die Ohren. Und so leichtbekleidet wie sie ist, darf man schon ordentlich abgehärtet sein – aber das musste sie als Dirne während des Konstanzer Konzils im ausgehenden Mittelalter vermutlich ohnehin sein. Die gute Imperia, um die handelt es sich, wie Sie vielleicht bereits erraten haben, hatte jedoch nicht nur mit den Wetterbedingungen zu kämpfen. Ganz am Anfang ihres irdischen Daseins auf - tja, eben nicht Konstanzer Boden – hatte sie es mit heftigem Gegenwind ganz anderer Sorte zu tun. Die Konstanzer CDU, die damals das Rathaus und den Gemeinderat fest im Griff hatte, setzte alles daran, dieses „unmoralische Weibsbild“, die als stadtbekannte und –begehrte Kurtisane sowohl die weltliche als auch die geistliche Obrigkeit in ihren willigen Händen hielt, wieder loszuwerden. In einer Nacht- und Nebel-Aktion eroberte sie ihren Standplatz und provozierte augenblicklich nicht nur die Vertreter eines Vereins, den ich kürzlich in einem Schaufenster ausgerechnet in Eichstätt als „die Kinderschänder-Sekte“ bezeichnet sah, sondern auch die ach so christlich-züchtigen Herren der Stadtverwaltung, bot sie ihre Reize doch sehr freizügig feil. Und mit dem hässlichen kleinen Kaiser in der einen und dem verschrumpelt geilen Papst in der anderen Hand, wusste man ja gleich, was man von ihrer Gottesfurcht und Obrigkeitsverehrung zu halten hatte.

Die wackeren Gemeinderatsmitglieder beschlossen also flugs: „Die Schlampe muss weg!“ Allerding hatten sie die Rechnung ohne den Wirt, sprich den Eigentümer ihres Standplatzes gemacht. Das Gelände, auf dem das Kunstwerk des Bildhauers Peter Lenk noch heute steht, gehörte nicht der Stadt, sondern der Bundesbahn. Und selbst das Landesdenkmalamt, das man eifrig einschaltete, konnte nicht erkennen, dass die Imperia in irgendeiner Weise die pittoreske Silhouette der Stadt beeinträchtigen würde. Keine Handhabe also, um das Ärgernis zu entfernen! So eine Schande!

Der größte Witz dabei ist, dass die CDU heutzutage genauso wenig von der damaligen moralischen Empörung über das „Hurendenkmal“ wissen will, wie Herr Söder von seinem ehemaligen Einsatz für die Abschaltung der AKWs. Die Imperia hat sich inzwischen zum Wahrzeichen der Stadt gemausert, zu dem jeder auswärtige Besucher hingeführt wird: „Unsere Imperia, ist sie nicht ein Prachtweib!“ Das gelingt den AKWs allerdings vermutlich eher nicht, weder in Bayern noch sonstwo, sie werden wohl eher als Schandmale einer Energie-Politik, der die nächsten hunderttausend Jahre egal sind, in die regionale Geschichte eingehen.

Ach ja, die Politik! Selbst die Kleingeister eines Gemeinderats sind da nicht anders als deren „Größen“ – und sie erlauben sich auch heute noch merkwürdige Aktionen. Eine der verkehrsreichsten Straßen in Konstanz ist die „Laube“, die zwar sehr idyllisch heißt, aber nun echt kein romantischer Wandelgang ist. Es ist eine zweigeteilte vierspurige Straße, eine der Hauptzufahrtsstraßen zur Innenstadt und zur Schweizer Grenze, in der Mitte mit Parkplätzen, aber immerhin auch mit großen Bäumen ausgestattet. An diesem lauschigen Plätzchen hat die Stadtverwaltung, für bestimmt nicht unbeträchtliches Geld, Parkbänke aufstellen lassen. Man kann sich das richtig vorstellen, wie naherholungsbedürftige Konstanzer und Touristen seufzen: „Ach, lass uns doch ein bisschen Abgasluft schnuppern und dem malerischen Verkehr beim Fließen und Stauen zusehen.“ Das ist mindestens so gut wie die Bänke mit dem Rücken zum Meer, die an meinem belgischen Lieblingsurlaubsort aufgestellt sind, von denen aus man so schön auf die Fußgängerpromenade und die Front der Ferienappartementhäuser sehen kann. Ich denke mal, um auf diese Art und Weise Bänke aufzustellen, sei es in Konstanz, sei es anderswo, darf das offenbar vollständige Vakuum zwischen den Ohren nicht durch auch nur eines einzigen Gedankens Blässe getrübt sein.

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news-307 Fri, 31 Mar 2023 17:43:00 +0200 Renates Kolumne: Nehmen Sie sich einen Moment Zeit! https://www.dehner.academy/renates-kolumne-nehmen-sie-sich-einen-moment-zeit/ Man darf heutigentags ja alles mögliche sein, wovon frühere Generationen keine Ahnung hatten, selbst so völlig sinnlose Sachen wie Influencer, It-Girl, Reality-Star oder Verkehrsminister. Man darf nur eines nicht sein: Ein Verlierer, respektive eine Verliererin. Loser, wie das auf modern heißt, haben in unserer Welt nichts verloren. Ein Loser darf zwar im Film als „charmanter“ oder „sympathischer“ solcher auftauchen – aber auch nur, wenn er die Chance ergreift, zum „Winner“ zu werden. Denn im wahren Leben wendet man sich vom Loser mit Grausen. Da taugt er nur als Schimpfwort. Ich tue jetzt das Unerhörte. Ich bekenne mich schuldig: Ich bin ein ganz großer Loser. Ja, in echt! Ich wandle seit längerem, sagen wir die letzten zwanzig, dreißig Jahre, so intensiv wie leider erfolglos auf den Pfaden eines der ganz Großen der internationalen Literatur. Ich bin, je älter ich werde desto häufiger, auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Es ist mir ein Rätsel, wohin ich sie verlegt haben könnte. Ich meine, Jahrzehnte an Zeit, das ist doch ein Mords-Brocken, der verschwindet doch nicht einfach so! Aber es ging sozusagen im Handumdrehen. Ich finde diesen Haufen Zeit aber auch nicht einfach wieder, indem ich, sagen wir mal, ein Madeleine in den Tee tauche, wie seinerzeit der gute Marcel. Und um Tausende und Abertausende Seiten darüber zu schreiben, fehlt mir leider die Zeit. Was ist mit meiner verlorenen Zeit passiert? Wo ist die hingekommen? Hat die womöglich jemand anderer verschwendet? Ach nee, immer die Schuld auf die anderen schieben, das ist billig. Okay, wenn ich in mich gehe, muss ich zugeben, dass ich schon einiges an Zeit selbst vergeudet habe. Auf der anderen Seite - das waren zum Teil die nettesten Zeiten…

Es gibt einen Haufen Dinge, die man mit Zeit niemals tun darf. Also wirklich NIEMALS! Wir dürfen zum Beispiel im Kampf gegen die Klimakatastrophe keine Zeit mehr verlieren. Das haut einem jeder um die Ohren, oder jedenfalls fast jeder. Leider sagen diese klugen Menschen, die ohne jeden Zweifel Recht haben, das offenbar den falschen Leuten. Denn während wir Normal-Sterblichen keine Zeit mehr diesbezüglich verlieren dürfen, aber nur äußerst begrenzte Möglichkeiten haben, etwas Essentielles diesbezüglich zu tun, verschwenden bekanntlich die, die an der Misere wirklich etwas ändern könnten, keine Zeit damit, sich um solche Nebensächlichkeiten zu kümmern, sondern widmen all ihre Zeit dem Geldverdienen im ganz großen Maßstab. Und uns macht man dann ein schlechtes Gewissen.

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit sind mir noch ein paar andere Dinge eingefallen, die man nicht verlieren darf. Man darf zum Beispiel nicht die Geduld verlieren. Das hat einen ganz einfachen Grund: Wenn man die Geduld mit etwas verliert, dauern die Sachen für gewöhnlich sehr viel länger. Das kostet dann die Zeit, die man hinterher, naja Sie wissen schon, als verlorene brandmarkt. Wenn ich, was leider regelmäßig passiert, beim Kampf mit dem Computer erst die Geduld, dann die Nerven und schließlich die Contenance verliere, lauter Lebens-Notwendigkeiten, deren Verlust man tunlichst vermeiden sollte, dauert es erstens ewig, bis ich mich wieder beruhigt habe und zweitens noch mal so lange, bis die Arbeit erledigt ist. Wenn ich jetzt näher darüber nachdenke, kommt es mir fast so vor, als stecke ein Gutteil meiner verlorenen Zeit in dem Gerät, das doch angeblich angeschafft wurde, um mir Zeit zu ersparen.

Der Gedanke an Computer sowie andere Daseins-„Erleichterungen“ führt mich glatt und ohne Umschweife zum nächsten, was man laut allgemeinem Konsens nicht verlieren darf, nämlich die Hoffnung. Denn wer die Hoffnung verliert, der verliert den Mut, und dass das von Übel ist, wusste schon Goethe: „Mut verloren, alles verloren, dann wär es besser, gar nicht geboren!“ dichtete der Geheimrat, und wo er Recht hat, hat er Recht. Das rückt uns nämlich schon in die Nähe des Fatalsten aller Verluste. Wer seinen Humor verliert, hat echt nichts mehr zu lachen, also passen Sie gut auf ihn auf. Always look on the bright side of life! Statt nach meiner verlorenen Zeit, werde ich lieber mit meinen Enkelkindern Ostereier suchen, das macht mehr Spaß, und recht fröhliche Ostereier wünsche ich Ihnen auch!

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news-300 Sat, 04 Mar 2023 17:33:00 +0100 Renates Kolumne: Gesichter und Zeiten https://www.dehner.academy/gesichter-und-zeiten/ Können Sie sich noch an Aerobic-Jane erinnern? Jane Fonda, die ihre Schauspielkarriere damit krönte, die neue Fitness-Königin zu werden? Sie ist jetzt 85 und war dieser Tage wieder in der Zeitung, weil der berühmt-berüchtigte Mörtel-Lugner sie als Begleitung in seine Loge zum gleichfalls berühmt-berüchtigten Opernball eingeladen hat. Er ist 90, und die Zeiten, als er mit seinem Geld die fünfzig Jahre Jüngeren ködern konnte, scheinen endgültig vorbei, aber für fünf Jahre Altersunterschied hat es immerhin noch gereicht (macht ja nichts, die Null ist er schließlich selber) – Jane Fonda also beim Wiener Opernball. Aber den obligatorischen Walzer tanzen mochte die Ex-Fitness-Queen nicht mit Mörtel, denn: „Ich habe eine künstliche Schulter, zwei künstliche Hüften, zwei künstliche Knie. Ich bin alt und ich könnte auseinanderfallen.“

Als ich das in der Zeitung las, habe ich sofort mein gesamtes Jogging-Outfit dem örtlichen Invaliden-Verein gespendet, mein Trampolin mit dem Vermerk „Zu verschenken“ auf die Straße gestellt, den Home-Trainer aufs Alteisen geworfen, sämtliche Fitness-Apps gelöscht, die Yoga-Matte auf Ebay versteigert und mein Abo im Fitness-Studio gekündigt. Ich will schließlich im Ganzen altern und nicht in Ersatzteilen.

Und wie sich am Beispiel Jane Fondas deutlich erkennen lässt, kann man nicht vorsichtig genug sein. Was nützt es, den natürlichen Verschleiß der beweglichen Teile des Körpers durch Überbeanspruchung zu beschleunigen? Da halte ich mich schon lieber an den Ausspruch einer berühmten Architektin, deren Namen ich vergessen habe, die kürzlich im Zeit- oder Süddeutsche Magazin, ich weiß nicht mehr welchem, interviewt wurde. Ich glaube, ich brauche statt Fitness ein Gedächtnis-Training – oder leiert dann mein Gehirn so aus, dass ich ein künstliches brauche? Ist dafür AI erfunden worden? Die berühmte Architektin jedenfalls sprach: „I know, how to do gemütlich.“ Der Witz war, ich hatte zuerst gelesen „I know, how to die gemütlich“ und fand das ein bemerkenswertes Bekenntnis. „Sieh an“, dachte ich, „so kann man auch an das eigene Ableben herangehen“, und nahm mir sofort vor, dem nachzueifern, schließlich bin ich nicht mehr die Jüngste. Und gemütlich zu sterben ist doch ein nacheifernswertes Lebensziel! Besser jedenfalls als fitter sterben, finde ich. Beim zweiten Hingucken bemerkte ich allerdings meinen Fehler. Der Satz ist in der korrekten Form nicht mehr ganz so spannend, finde ich, aber ihn zu beherzigen ist immer noch besser, als sich zu verrenken, bis der Chirurg kommt.

Den Chirurgen nach Möglichkeit zu vermeiden, gilt übrigens auch für den „Schönheits“-Chirurgen. Mir fallen immer wieder Frauen auf, die hatten mal ein Gesicht, während sie jetzt nur noch aussehen wie Avatare von Kim Kardashian. Das jüngste Beispiel dafür ist Madonna, ich weiß nicht, ob Sie das Foto auch in der Zeitung gesehen haben, es war auf seine Art bemerkenswert, Kunst am Bau sozusagen. Wessen Avatar Kim Kardashian eigentlich vorstellt, entzieht sich meiner Kenntnis, aber ich tippe auf eine Manga-Figur.

Auch ohne Gesichts-Chirurgie hat die Erfahrung, wie fremd man sich selbst sein kann, ja wahrscheinlich jeder (m/w/d/Seejungfrau) von uns schon gemacht – aber dass man sich im Spiegel so überhaupt nicht bekannt vorkommt, passiert außer nun Madonna wahrscheinlich nur Richard David Precht, wenn er die Nacht durchgesoffen hat und den Rasierspiegel fragt: „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ Der antwortet aus verständlichem Schamgefühl nicht, woraufhin der gute Richard David sich sagt: „Kenn ich nicht, rasier ich nicht“ und gemeinsam mit dem überaus unkleidsamen Drei- oder Vier- oder Fünftage-Bart ein dämliches Pamphlet bezüglich des Ukraine-Kriegs schreibt, statt seinen Rausch auszuschlafen. Also, so stell ich mir das vor…

Da ist mir Jane-Fonda doch bedeutend lieber, die ihr heutiges Gesicht zwar auch nicht der Natur verdankt, aber zusätzlich zu einer talentierten Visagistin auch noch über eine gute Portion Selbstironie verfügt und nicht ganz doof zu sein scheint.

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news-295 Tue, 31 Jan 2023 20:19:00 +0100 Renates Kolumne: Ein garantiert eigenhändiger Text! https://www.dehner.academy/renates-kolumne-ein-garantiert-eigenhaendiger-text/ Ich bin kein Chatbot, auch nicht Chat GTP! Sie glauben mir nicht? Sie halten das für ein raffiniertes Manöver des Programmierers, denn heutzutage weiß man ja nie? Wobei man sich, man muss es ehrlich zugeben, manchmal wünscht, man hätte es mit einem intelligenten Chatbot zu tun, statt mit dem real vorhandenen Idioten am anderen Ende des Gesprächsfadens. Aber das ist ein anderes Problem und führt auf ein entsetzlich weites Feld. Aber dass Sie hier und jetzt einen Text von mir lesen: Ich werde es Ihnen beweisen! Wie isch do druffkumme bin? Fascht hätt isch misch net getraut, isch sag's wie's is - es is nämlisch iwwerhaupt net äfach, monnemerisch in Schrift zu verwondle. Hochdeitsch schreiwe konn sogar so en bleeder Compuder, awwer rischtisch monnemerisch, des is ä Herausforderung, wie des heidzudag immer so schää heßt. Sie misse sisch uff jeden Fall e paar Laudde dezudenke, die gibts im Hochdeitsche gar net, so was ähnlisches wie Nasale, awwer halt net gonz. Unn der gonz schpezielle Singsong, vaschtehe Se, wie isch meen? Des kriegt jemond, wo net aus derre Gegend is, fascht net hie. Des is mer neilisch uffgfalle, wo isch so e Moderatorin g'hert hab, die vasucht hott, sisch als Monnemerrin auszugewwe. Es schoint grad voll im Trend zu soi, wie ma so schää sagt. Awwer unner uns, wenn des ä Monnemerin war, bin isch aus Minnsche. Hajo klaar, isch vaschteh des schunn, Monnemerisch adelt jedes Gschbräsch - awwer was die gemacht hott, des war doch kulturelli Oaignung (bei dem O weer jetz der Nasal ogebrocht, vunn demm ischs vorrin g'habt hab und des O schä offe, gell!). Kulturrelli Oaignung, hawwe Se des schummol g'hert? Des iss de neischte Quatsch, wenn Se misch frooge!

Kulturelli Oaignung, des is, wenn enner was macht, wasemm sozusage nett vunn Geburt aus mitgewwe worre is. Also, wenn der Long Long uffm Klavier Mozart schbielt, zum Beischbiel, schtatt uffere schinesisch Pipa, des is e klassisches schinesisches Inschtrument, die Pekingoper zu klimpere. Vaschte'e du isch's ehrlisch gsagt nett so rischdisch, weil isch find, der schbield klasse, awwer was willschn mache, so sinn jetz grad die Zeidde. Graad guud, dass die arm Joy Fleming des nimmeer hott erlewe misse, ihrn scheene Blues "Iwwer die Neckarbrigg" hett die wahrschoinlisch gar nimmeer singe derfe, die hedde se iwwerall ausgelade, känzl kaltscher, noch so ebbes! Soon Blues is dem Monnemer jo net direggt in die Wieg glegt. Dabbisch, wenn misch froogsch, awwer alla guud, liggt jo on uns selwer, ob mer do mitmache oder net.

Sagen Sie mir jetzt nicht, dass Sie schon Bekanntschaft mit einem Chatbot, intelligent oder nicht, gemacht haben, der das auch hingekriegt hätte! Es ist verdammt schwer, Dialekt zu schreiben, können Sie mir glauben. Darum höre ich jetzt auch auf, nicht ohne Ihnen vorher noch ein tolles Buch ans Herz gelegt zu haben: „Der Teufel hat keine Zeit“ von Daniel Strassberg. Selten hat mir ein Buch in letzter Zeit so viel Anregung gegeben. Noch mögen wir uns ja amüsieren über Chat GPT, wenn er uns logisch schlüssig erklärt, weshalb eine Tonne Federn leichter ist als eine Tonne Blei oder wenn er auf die Frage, welches Säugetier das größte Ei legt, auf den Elefanten kommt. Aber weiß man es denn, ob er uns nicht bald ebenso logisch zwingend erklärt, weshalb wir auf Putins dreckige Propaganda hören sollen oder auf irgendeinen anderen Scheiß? Dagegen hilft nur selber denken, und das gelingt mit „Der Teufel hat keine Zeit“ ganz vorzüglich.

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news-289 Fri, 09 Dec 2022 10:41:00 +0100 Renates Kolumne: Anregungen für den Gabentisch https://www.dehner.academy/renates-kolumne-anregungen-fuer-den-gabentisch/ Diese Kolumne lässt sich ja niemals lumpen, wenn es um angewandte Lebenshilfe geht. Und was bräuchte man im besinnlichen Advent, oder in der stillen Weihnachtszeit dringender an angewandter Lebenshilfe als Geschenktipps. Nachfolgend habe ich die besten Vorschläge für Sie zusammengetragen. Sehr freudig dürfte bei der reiferen Jugend ein aus kostbarem heimischen Holz geschnitztes und reich verziertes Schatzkästlein für grauenvolle Wortungeheuer in Empfang genommen werden. Wenn einem zum Beispiel einer krumm kommt, kann man dieses Schatzkästlein öffnen und ihm das Wortungetüm um die Ohren hauen. Physische Gewalt ist ja so degoutant mit Rechten und Nazis konnotiert (oje, drei Fremdwörter in einem halben Satz: Stecken Sie den sofort in Ihr neuerworbenes Schatzkästlein!), und gehör sich darüber hinaus sowieso nicht, aber wenn man jemandem zum Beispiel „Multiparadigmatizität“ auf den Kopf haut, sobald die Situation „konfliktiv“ (das habe ich vor ein paar Tagen in der Süddeutschen gefunden, das kriegen Sie gratis dazu) wird, kann der einem noch nicht einmal „hate speech“ und Hetze vorwerfen. Schließlich habe ich die „Multiparadigmatizität“ (lernen Sie erst mal, das auszusprechen!) auf dem Philosophie-Blog praefaktisch.de entdeckt. Oder soll ich sagen: Es sprang mich an und überwältigte mich? Seither ist es ein besonderes Schmuckstück in meinem Schatzkästlein.

Ein nützliches Geschenk für Alt und Jung ist der Falsche-Anglizismen-Schredder. Er sollte in keinem Haushalt fehlen und auch in Redaktionen ein würdiges Plätzchen finden. Wäre es nicht schön, wenn aus dem Stadtbild die Einladung zur öffentlichen Leichenschau (public viewing) verschwände, und wenn wir nur noch ein Innenministerium (home office) statt Millionen solcher hätten? Das wäre doch echt praktisch (handy)! Vollkommen überflüssige Anglizismen, wie sie in praktisch jeder Werbung zu finden sind, dürfen auch da rein.

Selbstverständlich lassen sich Anglizismen nicht gänzlich vermeiden, sollen sie ja auch gar nicht, sie sind manchmal eben kurz, treffend und ihr Gehalt im Deutschen nur umständlich wiederzugeben. Außerdem wollen wir uns nicht unserer Weltläufigkeit entledigen und Sprache entwickelt sich nun mal.

Deshalb akzeptieren wir die Anglizismen in den folgenden beiden Geschenkideen, die beide von hohem Gebrauchswert sind, sich in jedem Lebensbereich wunderbar einsetzen lassen und das Leben definitiv leichter machen. Ich empfehle also von ganzem Herzen a) den Wokeness-Exzess-Entschärfer und b) den Politicalcorrectness-Lachsack. Beides sind hervorragende Geschenke für die hunderfünfzigprozentigen unter den Moralaposteln, Besserwissern und Rechthabern, die sich bislang vergeblich um den Posten als Chef der Gesinnungspolizei beworben haben und die Cancel Culture für Kultur halten. Das, ganz nebenbei gesagt, kommt davon, wenn man nicht sooo gut Englisch kann und es trotzdem spricht.

Da sich die sozialen Medien, trotz der hingebungsvollen Bemühungen von Elon Musk, wahrscheinlich auch im nächsten Jahr anhaltend hoher Beliebtheit erfreuen werden, empfehle ich allen sogenannten „Usern“ das Propaganda-Entlarver-Set für Fortgeschrittene. Es ist ein extrem nützliches Werkzeug für alle, die ihre Informationen ausschließlich aus dem Internet beziehen und am liebsten nur das glauben, was ohnehin ihrer Meinung entspricht. Der richtige Gebrauch dieses formschönen und wertstabilen Werkzeugs erfordert zwar ein wenig Übung, doch mit ein bisschen Grips ist es für jeden erlernbar. Ein schöner Nebeneffekt dabei: Die Welt könnte glatt eine bessere werden, wenn man nicht auf jeden Schwachsinn hereinfiele.

Für hartnäckige Fälle kann man das Geschenk mit einem zweiten kombinieren: dem Dumpfbackenenergieausschalter. Gibt es als preisgünstiges Zweier-Set und wird viele Augen unter dem Christbaum zum Leuchten bringen, weil sie zum ersten Mal über den Tellerrand sehen – ein wahrhaft erhellendes Erlebnis.

Oder wie wäre es mit einem bunten Hasskulturmüllbeutel mit extragroßem Fassungsvermögen, damit wirklich jeder Scheiß reinpasst? Dazu passt hervorragend der Zivilisationsbruchstellenkitt, der in jedem Notfall kittet, was noch zu kitten ist, wenn sich im zivilisatorischen Lack doch erste Risse zeigen, weil man nicht rechtzeitig den Dumpfbackenenergieausschalter betätigt hat.

Und zum Schluss lege ich Ihnen noch den Freundlichegesichterzauberstab ans Herz. Wie der funktioniert, steht detailliert in der Gebrauchsanweisung – gelingt garantiert jedem, der mit einem Lächeln an die Sache rangeht.

Bleibt mir nur noch, fröhliche Weihnachten allerseits zu wünschen! Kommen Sie gut ins Neue Jahr, möge es ein friedvolleres werden als das zu Ende gehende!

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news-286 Tue, 01 Nov 2022 15:22:00 +0100 Renates Kolumne: Ich lese gerade ein Buch über Hirnforschung… https://www.dehner.academy/renates-kolumne-ich-lese-gerade-ein-buch-ueber-hirnforschung/ Ich bin mir bewusst, dass ich kein Experte bin (und für die gender-bewussten unter uns: auch keine Expertin). Wer bin ich? DIE große Frage aller Philosophie, aller Psychologie, aller Menschen. Letzten Endes läuft diese Frage hinaus auf die Frage, was ist Bewusstsein, denn ohne Bewusstsein kein Ich. Ich tippe mal auf folgende Antwort: Bewusstsein ist Leben. Danach zu fragen, was Bewusstsein ist, bedeutet in meinen Augen, danach zu fragen, was Leben ist. Oder hat jemand eine bessere Idee? Das eine geht nicht ohne das andere. Deshalb finde ich es wenig ergiebig, wenn Forscher zu glauben scheinen, dass sie diesem Geheimnis auf die Spur kommen, wenn sie ganz mechanistisch untersuchen, wann welches Neuron wohin feuert, welche Rezeptoren was weiterleiten, welche Synapsen dabei getroffen werden und was sich ereignet, wenn im Zellkörper Axon-Endknöpfchen eintreffen. Das erklärt doch alles noch lange nicht, weshalb das kleine Neuron überhaupt feuern KANN. Genauso wenig, wie der Urknall das Geheimnis des Universums erklärt. Da wissen wir doch auch noch lange nicht, was den Urknall veranlasst hat – außer, man schließt sich meiner streng wissenschaftlichen Theorie an, die ich an dieser Stelle schon mal formuliert habe. Nur zur Erinnerung: Der Urknall war der Moment, als dem lieben Gott der Kragen geplatzt ist, als er nicht mehr mitansehen konnte, was seine doofen Geschöpfe (unsere Vorläufer, sozusagen die Prototypen) mit der Erde angestellt hatten. Allerdings gibt zu denken, dass er beim zweiten Versuch kein bisschen erfolgreicher war… Aber damit müssen sich die Theologen befassen, kehren wir indessen zum Ausgangspunkt zurück.

Bewusstsein und Leben, das ist eine untrennbare Einheit. Daraus folgt in meinen Augen, dass man keinem Lebewesen Bewusstsein absprechen kann, auch als Hirnforscher nicht. Biologen haben herausgefunden, dass selbst pflanzliche Lebewesen Reaktionen zeigen, die sich doch nur mit Bewusstsein erklären lassen. Oder warum verhalten sich Bäume „solidarisch“? Warum reagieren Zimmerpflanzen darauf, wenn man mit ihnen spricht? Das sind Leistungen eines Bewusstseins, das sicherlich anders ist als tierisches oder menschliches. Aber es ist ein bewusstes Verhalten im Sinne von „Wissen um die Umgebung“ und darauf ansprechen.

Es mag kein willentliches Verhalten sein. Aber wer von uns Menschen ist sich denn darüber im Klaren, wieviel Prozent des eigenen, alltäglichen Verhaltens als „bewusste Willensentscheidung“ deklariert werden kann? Je mehr man darüber nachdenkt, desto unsicherer wird man doch, ob die Vorliebe für dieses, die Abneigung gegen jenes, auf eine bewusste, willentliche Entscheidung zurückzuführen ist, oder ob dafür Faktoren verantwortlich sind, die mit dem sogenannten freien Willen eher wenig zu tun haben.

Der „freie Wille“ zählt zu jenen Phänomenen, die sich immer weiter entziehen, je mehr man sie zu fassen sucht. Er ist eine Art unerwiderte Liebe. Wir sind verrückt nach ihm, wir begehren ihn leidenschaftlich, aber wenn wir ihn begrifflich trennscharf fassen wollen, ist er plötzlich ein luftiges Gebilde, das sich immerzu dem Zugriff verweigert.

Ich spreche hier wohlgemerkt nicht vom politisch definierten freien Willen – da geht es um eine ganz andere Dimension. Als politischem Subjekt steht jedem Menschen ein klar definierter freier Wille zu, in den Grenzen der allgemeinen Menschenrechte, versteht sich.

Aber wenn wir jetzt mal die Politik außen vorlassen, und nur unser alltägliches Leben und Streben betrachten? Wieviel freier Wille bleibt da? Ich weiß es nicht…

Man ist immer hin- und hergerissen, zwischen einerseits glauben (wollen), der Schöpfer des eigenen Lebens zu sein und andererseits keine Ahnung zu haben, wieviel Gen-Anteil, wieviel Erziehung, wieviel zufällig erfolgte Konditionierung eigentlich in einem steckt.

Trotzdem haben wir alle die Pflicht, tagtäglich die bewusste Entscheidung zu treffen, wie wir mit uns, mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen umgehen wollen – und die Ausrede, doch vielleicht gar keinen freien Willen zu haben, zählt nicht. Die berüchtigten Sachzwänge übrigens auch nicht. Wer seinen Mitmenschen und der Umwelt schadet, muss die Verantwortung dafür übernehmen. Jedenfalls sollte es so sein…

Wo bin ich mit meiner Frage nach dem Bewusstsein jetzt bloß gelandet? Da stellt sich mir doch die Frage: Ist es mir gelungen, mich nicht verständlich zu machen, obwohl ich auf verschwurbelte Experten-Sprache, Schachtelsätze und großzügige Anleihen bei der englischen Sprache (oder das, was deutsche Journalisten oder andere „Influencer“ dafür halten) verzichtet habe? Wer bin ich, was will ich und was mache ich hier eigentlich? Mir schwirren die Synapsen!

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news-282 Wed, 28 Sep 2022 16:40:00 +0200 Renates Kolumne: Kalte Wut auf 3 F https://www.dehner.academy/renates-kolumne-kalte-wut-auf-3-f/ Wunderliches Wort: Die Zeit vertreiben!Sie zu halten, wäre das Problem.Denn, wen ängstigts nicht: Wo ist ein Bleiben,wo ein endlich Sein in alledem? Die letzte Kolumne habe ich mit Rainer Maria Rilke aufgehört, nun fange ich die neue mit ihm an. Und er hat ja so recht! Im Prinzip, jedenfalls. Das Vergehen der Tage – ist das eigentlich strafwürdig? Könnte man sagen, es ist nicht nur ein Vergehen, sondern geradezu ein Verbrechen? Wobei man bei dem Problem, die Zeit festzuhalten, natürlich durchaus zwiegespalten sein kann. Harte Zeiten können ja eigentlich gar nicht schnell genug vorbeigehen und man legt auch gar keinen Wert darauf, dass sie wiederkommen. Bei schönen Zeiten sieht die Sache anders aus. Ob der lange, lange Sommer schön war oder nicht, ist allerdings - klar, wie immer bei Schönheitswettbewerben - Ansichtssache und kommt auf den Betrachter an. Ein Student am Bodensee und ein Bauer in Mecklenburg -Vorpommern dürften den Sommer recht unterschiedlich wahrgenommen und geschätzt haben.

Auf jeden Fall war er schön warm, und dass das jetzt vorbei ist, gibt einem, egal, wie sehr man im August auf die Hitze geschimpft hat, im kühlen September zu denken. Ich zum Beispiel denke darüber nach, mir einen Neopren-Anzug zuzulegen, um das kalte Duschen erträglicher zu machen. Tja, die warme Zeit zu halten, hoffentlich wird das in den kommenden Monaten nicht solch ein Riesenproblem, dass einen nicht das Bleiben von November, Dezember, Januar und Februar ängstigt, sondern dass man sich von Herzen wünscht, der harte Winter möge doch so schnell wie möglich vorbeigehen – egal wieviel kostbare Lebenszeit auf Nimmerwiedersehen mit dahinschwindet.

Falls man geneigt ist, dieser nachzutrauern, darf man nicht vergessen, dass mit der eigenen kostbaren Lebenszeit auch die der lächerlichen Figuren im Kreml und anderswo mit entflieht. Das ist etwas, worüber man sich mit Fug und Recht freuen darf – womit wieder einmal bewiesen wäre, dass nichts so schlecht ist, dass es nicht auch sein Gutes hätte. Nicht dass der Alterungsprozess dieser Popanze mit ihren aufgeblasenen Egos bisher irgendwelche erfreulichen Resultate im Sinne von „klüger werden“ gezeitigt hätte. Machthunger, Allmachtsphantasien, kompletter Realitätsverlust sowie die Freude daran, andere Länder in Schutt und Asche zu legen, sind, seien wir ehrlich, absolut unreife Verhaltensweisen.

Man kennt das eigentlich nur aus gänzlich anderen Zusammenhängen. Zum Beispiel kann man solche Auftritte gut beobachten, wenn Kinder im Sandkasten sie an den Tag legen, etwa wenn sie die Sandburg des anderen Dreijährigen zusammentreten, weil ihre viel besser und schöner ist und versuchen, dem anderen sein Schäufelchen zu klauen, weil sie das jetzt haben wollen. Auch ihre Reaktion, wenn sie gefragt werden, was das Kratzen, Treten und Beißen soll, ähnelt der dümmlich-verlogenen Argumentation der „Führer“ aller Couleur. Sie greinen: „Aber der andere hat angefangen! Der ist schuld!“ Im Sandkasten greift dann meistens die erziehungsberechtigte Ordnungsmacht ein und wenn man Glück hat, setzt das einen Lernprozess in Gang, der aus dem Schrecken des Spielplatzes doch noch ein vollwertiges, wahlberechtigtes Mitglied der Gesellschaft macht, im besten Fall sogar geimpft. Leider fehlte diese Ordnungsmacht ganz offensichtlich beim Heranreifen der Herren Staatslenker mit terroristischem Hintergrund.

Und leider gibt es noch einen Unterschied zum Sandkasten: Die Idioten haben die Waffen. Mit deren Hilfe polieren sie ihr erbärmliches Selbst auf, indem sie die Schwächeren im Land niederprügeln. Aber machen wir uns nichts vor: Auch das können sie nur, weil eine genügend große Anzahl ihrer Landsleute sie lässt. Es ist nun einmal so, wenn es hart auf hart kommt, ist jeder einzelne verantwortlich, das sollte niemand besser wissen als ausgerechnet wir Deutschen. Dass jetzt wieder Leute im Bundestag sitzen, die uns das Vergessen machen wollen und mutmaßlich von Russland bezahlt werden, sollte uns nicht kaltlassen – egal, wie kalt der Winter wird…

Ceterum censeo, Putinem esse delendam!

PS. Was die drei F bedeuten? Fiese, feiste Fratzen

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news-279 Mon, 05 Sep 2022 14:06:00 +0200 Hiob hatte es auch nicht leicht! https://www.dehner.academy/hiob-hatte-es-auch-nicht-leicht/ Willkommen zurück nach einem langen heißen Sommer! Aber was heißt schon „nach“? Wir sind ja noch mittendrin und ich glaube, zum ersten Mal in meinem Leben jubiliere ich innerlich nicht darüber und freue mich nicht so ganz von Herzen über sonnige, trockene Spätsommertage. Wie gern würde ich eine Lobeshymne schreiben mit dem alten Schlager „Am Tag, als der Regen kam“ als Aufhänger. Aber was soll ich sagen, Sie wissen selbst, dass man in den letzten Monaten alle trockenheißen Hände voll zu tun hatte, seinen Humor nicht zu verlieren. Nicht nur, dass der Regen nicht fiel, Putin fiel auch nicht, und Trump ist auch immer noch da und droht, zurück ins Amt zu kommen und Bolsonaro, Erdogan, Lukaschenko, Kim Jong Un, Assad, um nur ein paar der üblichen Verdächtigen zu nennen, sind leider auch (noch) nicht gefallen. Und falls sich noch irgendjemand einen Trost von der Kirche, namentlich und insbesondere der katholischen verspricht: Sie haben mein vollstes Mitgefühl! Aber selbst, wenn man von den Verbrechen und Verfehlungen all der „geistlichen Väter (und Mütter, um auch das nicht zu verschweigen)“ absieht, bot die Bibel eigentlich noch nie sonderlich viel Grund zur optimistischen Lebensfreude – noch nicht einmal in vorchristlichen, absolut prähistorischen, nämlich alttestamentarischen Zeiten. Von Hiob ist überliefert, dass er Gott eines Tages ziemlich angepisst fragte, warum immer die Gerechten so schrecklich leiden müssten, während die Ungerechten leben wie die Maden im Speck, um nicht zu sagen wie die Oligarchen in ihren Villen und Landsitzen und palastartigen Stadtapartments. Wissen Sie aus dem Religionsunterricht noch, was er als Antwort bekam? Gott schickte ihm Blitz und Donnerwetter. Ich nehme an, ein zünftiges Gewitter ist die göttlich elegante Methode zu sagen: „Stell nicht so saudumme Fragen, das kapierst du eh nicht!“ Die heutigen Behörden, sollten sie überhaupt reagieren, würden eine in unverständlichem Beamtendeutsch formulierte Absage erteilen, dass ohne genaue Spezifizierung und sowieso zu inner- und zwischenstaatlichen Vorgängen grundsätzlich keine Auskunft gegeben werden könne, es sei rechtlich alles sehr kompliziert. Immerhin macht diese Geschichte deutlich, dass die Zeiten für die Gerechten offenbar schon immer keine leichten waren. Warum ändert sich eigentlich nie was in der menschlichen Natur, mal so ganz allgemein gefragt?

Aber da wir gerade von Hiob reden, und um uns Dingen zuzuwenden, die wir oft genauso wenig kapieren, mit denen wir aber, im Falle wir Eltern sind, direkter konfrontiert sind als mit Oligarchen und den oben genannten Kriminellen, kennen Sie den? Warum hat Gott von Hiob gefordert, seinen neugeborenen Sohn zu opfern? Naja, in der Pubertät wäre es kein Opfer gewesen…

Lassen Sie mich diesen erbaulichen Beitrag beschließen mit den Worten eines Dichters, die treffender nicht ausdrücken könnten, wovor man all jene, die Heilsverkündern und schnelle Lösungen Versprechenden nachlaufen, warnen muss:

Möge uns das Schicksal vor jenen verschonen,
denen der Drang zum Verbessern geworden!
Entweder sengen sie, brennen und morden,
oder sie stiften – Religionen. –

Rainer Maria Rilke

Und manchmal, wäre dem noch hinzuzufügen, tun sie sogar beides…

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news-274 Thu, 30 Jun 2022 13:10:00 +0200 Renates Kolumne: Konstruktive Vorschläge noch und nöcher https://www.dehner.academy/renates-kolumne-konstruktive-vorschlaege-noch-und-noecher/ Die letzte Zeit hat uns gelehrt, dass wir uns von einigem, was wir so gern weiterhin geglaubt hätten, verabschieden müssen. Das brauche ich im Einzelnen gar nicht aufzuzählen, das wissen Sie selber. Aber mal ehrlich, wer hätte gedacht, dass der einst euphorische Ausruf: „Ich lebe mein Leben in vollen Zügen“ eine so drangvolle neue Bedeutung bekommen würde? In vollen Zügen genießen kann man noch nicht einmal die Fahrt zum nächsten Flughafen, denn was einen dort erwartet, ach du liebe Zeit…beim Stau auf der Autobahn sitzt man wenigstens, beim Stau in der Schlange vor Check-in und Security hingegen sitzt nur der Frust und zwar tief. Was ist da zu tun? „Das ganz Unglück der Menschen rührt nur daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen“ hat Blaise Pascal schon 1662 sehr klug erkannt und mehr als alles andere wünscht man sich im Moment natürlich, Monsieur Putin hätte sich das hinter die Ohren geschrieben, wieviel Unglück wäre den Menschen erspart geblieben! Aber lassen wir das Ekel, zurück zu uns Normalnetten: Wer vier, fünf oder mehr Stunden auf dem Flughafen verbracht hat, um schließlich seinem Flugzeug hinterherzuwinken, oder stundenlang in einer defekten Bahn ausharren musste, wäre wahrscheinlich doch lieber gemütlich zu Hause geblieben und hätte sich das Leben schön gemacht. Also läuft es dieses Jahr darauf hinaus, Urlaub auf Balkonien zu buchen? Wäre vielleicht nicht das Dümmste, aber wo findet man bei Phänomenen des Massentourismus schon Klugheit? Man vermisst sie schmerzlich, allerdings nicht nur dort.

Von Blaise Pascal stammt noch ein weiteres meiner Lieblings-Zitate: „Die Schwäche der menschlichen Vernunft kommt viel mehr bei denen zum Vorschein, die sie nicht kennen, als bei denen, die sie kennen.“ Das stelle ich einfach mal so in den Raum und jeder kann es beziehen, auf was oder wen er will. Für mich stellt es aber gleichzeitig eine Überleitung dar zu einem Thema, das nichts mit Deutschland und all seinen Unzulänglichkeiten zu tun hat, sondern auf die Insel weist, die sich seit einiger Zeit wieder ihrer splendid isolation erfreut und diesen Zustand weiter vervollkommnen möchte. Um sich noch weiter von Europa und seinen handelsüblichen Gegeben- und Gepflogenheiten zu entfernen, dafür aber an imperiale Großmachtvergangenheit, als man noch wer war, so als weißer Großbrite, anzuknüpfen, will Großbritannien seine früheren, so wunderbar einfachen und vernünftigen Maßeinheiten, mit denen sich so spielend leicht rechnen lässt, wieder einführen.

Nehmen Sie zum Beispiel Fahrenheit (okay, die Amis haben es auch noch, aber wieviel Vernunft in diesem Land herrscht, hat der Supreme Court ja gerade wieder unter Beweis gestellt)! Eine Maßeinheit, bei der der Gefrierpunkt bei 32 Grad, der Siedepunkt des Wassers bei 212 Grad liegt, ist so unpraktisch, dass es höhere Mathematik erfordert, um rauszufinden, wieviel in Fahrenheit eine angenehme Sommertemperatur von sagen wir 25 Grad Celsius ist. Aber auch die Längenmaße Meile (1,608km), Zoll (2,54cm), Foot (30,48cm) und Yard (sind 3 feet, wieviel das auf europäisch ist, müssen Sie jetzt leider selbst ausrechnen), sowie die Gewichtseinheiten Unze (28,35 g) oder Stein (1stone= 224 Unzen, ok, ich sag’s Ihnen: 6, 35029318 kg) machen so viel mehr Spaß als das langweilige metrische System, damit umgehen kann ja wirklich jeder. Da will doch so ein blitzgescheiter Kopf wie der von Boris Johnson natürlich mehr! Der will rechnen! Vor allen Dingen will er sich Chancen ausrechnen, wie er bei den Hohlköpfen, die immer noch von der imperialen Größe des Kolonialreiches träumen, Punkte machen kann.

Da Großbritannien auch einmal eine hervorragende Seemacht, die englische Flotte die Königin der Meere war, möchte ich Mister Johnson einen konstruktiven Vorschlag unterbreiten: Statt die Tageszeiten in so langweiligen Einheiten wie ten o’clock a.m. oder four o’clock p.m. oder ähnlichem anzugeben, könnte man doch zu der ehrwürdigen maritimen Einteilung in Glasen zurückkehren. Legionen von Matrosen, Unteroffizieren, Offizieren, Kapitänen und Admiralen wussten, was zwei Glasen auf der Nachtwache oder vier Glasen auf der Morgenwache geschlagen hatten. Wäre das nicht schön, wenn man auch wieder an diese glorreiche Tradition anknüpfen könnte?

Bei mir ist nun acht Glasen auf der Nachmittagswache, weshalb ich mich von Ihnen verabschiede, nicht ohne (noch ein konstruktiver Vorschlag) hinzuweisen auf die hinreißenden „Horatio Hornblower“ – Romane von C.S. Forester, die ich vor Jahren verschlungen habe und die sich immer noch eignen, eine Weile unserer merkwürdigen Realität davonzusegeln – ganz ohne Stau, gemütlich zu Hause. Danach zählen Sie die Stunden auch eine Weile in Glasen, möchte ich wetten.

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news-272 Thu, 02 Jun 2022 15:39:00 +0200 Renates Kolumne: Der genaue Blick https://www.dehner.academy/renates-kolumne-der-genaue-blick/ Wenn man nicht gerade blind ist oder zu erblinden droht, ist Sehen einerseits eine Selbstverständlichkeit und andererseits das am wichtigsten erscheinende Mittel, die Welt zu erleben. Über die „Macht der Bilder“ ist ja auch schon genügend gesagt, geforscht und geschrieben worden – vergessen wir auch nicht das berüchtigte „sehen und gesehen werden“. Inzwischen drängt sich jedoch der Eindruck auf, dass für eine stetig wachsende Menge von Leuten das Sehvermögen hauptsächlich noch genutzt und geschätzt wird als Möglichkeit, Nachrichten auf dem Handy zu lesen oder zu schreiben. Wenn ich zum Beispiel am See entlang spaziere oder durch unsere schöne Altstadt schlendere, habe ich oft den Eindruck, dass die wenigsten Menschen, die mir begegnen, wirklich etwas von ihrer Umgebung sehen. Wenn sie nicht direkt auf ihr Handy starren, nutzen sie es, um vor herrlicher, respektive malerischer Kulisse Selfies zu machen, oder zu telefonieren, den Blick glasig ins Nirgendwo gerichtet, oder sie haben Stöpsel im Ohr, um sich mit aufs Handy gestreamter Musik berieseln zu lassen – zweifellos um der „Langeweile“ eines Ganges zu entgehen. So abgelenkt, sieht man wahrscheinlich bestenfalls noch die Hälfte von dem, was zu sehen wäre.

Selbst im Museum wird häufig, statt dass man sich direkt auf die Kunst einlässt, das, was einem gefällt, mit dem Handy fotografiert und so hasten die Menschen auf der Suche nach „Highlights“ durch die Räume – keine Ahnung, ob sie sich davon versprechen, ihrem Handy einen Kunstgenuss zu ermöglichen oder ob sie den Plan verfolgen, sich dadurch später selbst die Gewissheit verschaffen zu können, tatsächlich dagewesen zu sein, körperlich, während sie in Gedanken auf Instagram waren.

Es ist eine Binsenweisheit, dass die beste Reproduktion auch nicht annäherungsweise heranreicht an das direkte Kunsterlebnis, die unmittelbare Wahrnehmung, wenn man vor einem Kunstwerk steht. Aber da geht noch mehr! Wenn Sie überhaupt Spaß daran haben, in ein Museum zu gehen, möchte ich Ihnen ein Buch empfehlen, dass auf hervorragende Weise darstellt, wieviel mehr man sehen kann. Man muss sich dazu allerdings beschränken. Eben nicht auf der Suche nach Highlights durch möglichst alle Räume hetzen, sondern sich einige wenige Kunstwerke aussuchen und bei denen mal auf die Details achten. Auf sich wirken lassen, was diese Details einem sagen und sich darüber freuen, was man alles auf Bildern entdecken kann. Wir sprechen jetzt von Bildern alter Meister, diesen Detailreichtum finden Sie wohl hauptsächlich dort. Vielleicht ist die Autorin dieses sehr empfehlenswerten Buches auch einfach eine Liebhaberin alter Meister, während ihr zeitgenössische Kunst nicht zusagt, darüber weiß ich nichts. Mir geht es jedenfalls so, dass ich nicht gerade ein Fan zeitgenössischer Kunst bin, weil ich sie meist sterbenslangweilig finde. Es gibt selbstverständlich Ausnahmen, keine Frage. Wie auch immer, was den Detailreichtum anbelangt, haben die alten Meister auf jeden Fall sehr viel mehr zu bieten als die meist eher plakativen neueren Werke.

Das Buch, von dem ich spreche, heißt „Sieh hin!“, wurde von der niederländischen Kunsthistorikerin Wieteke van Zeil geschrieben und ist im Verlag E.A. Seemann erschienen. Es ist sehr locker und leicht geschrieben, liest sich also wunderbar, ist kein bisschen Theorie lastig, sondern einfach ein Vergnügen, das große Lust darauf macht, demnächst mal wieder ins Museum zu gehen. Außerdem ist es aus einem weiteren Grund interessant für Menschen, die von Berufs wegen, wie es wohl für sehr viele Leser dieser Kolumne zutrifft, genau hinsehen, beziehungsweise hinhören, jedenfalls auf die Details achten müssen. Die Autorin hat für ihr Buch nämlich einige Interviews geführt mit Leuten, die keineswegs im künstlerischen Bereich arbeiten, für ihre Tätigkeit aber sehr, sehr genau hinsehen müssen. Ich fand das ausgesprochen spannend. Es würde mich sehr freuen, wenn Ihnen dieses schöne Buch, so wie mir, eine willkommene intelligente Ablenkung und kurze Auszeit verschaffen würde von all den schrecklichen Nachrichten, mit denen wir uns zur Zeit herumschlagen müssen – und außerdem einen kleinen Anstoß, mal wieder genauer hinzuschauen. Ist in Zeiten von Fake news und „alternative truths“ ja auch nicht verkehrt.

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news-269 Tue, 03 May 2022 09:35:00 +0200 Renates Kolumne: Glamour in schwierigen Zeiten https://www.dehner.academy/renates-kolumne-glamour-in-schwierigen-zeiten/ Nachdem ich in meiner letzten Kolumne angeregt hatte, Monsieur Putin nur noch französisch auszusprechen, wenn man den Namen dieses Kriminellen überhaupt in den Mund nehmen muss, habe ich inzwischen gelernt, dass man auch auf englisch nette Sachen mit dem Namen anstellen kann. Ein Kölner Künstler hat Wladi den Schrecklichen im Sträflingshemd an einer Hauswand abgebildet und „Put in prison“ daruntergeschrieben. Wunderbar, oder? Ich finde, das ist ein sehr geglücktes Zeichen jenes Humors, den wir auch in finsteren Zeiten nicht verlieren dürfen, wie uns Kabarettisten, die, wie andere Künstler auch, seit zwei Jahren nicht viel zu lachen haben (aber trotzdem von irgendwas leben müssen), immer wieder ans Herz legen. Es ist zweifellos der Humor, der alles erträglicher macht, aber gerade in schwierigen Zeiten mangelt es einem doch auch ein bisschen an Glamour. Ich meine natürlich nicht den Glamour von irgendwelchen milliardenschweren Großverdienern, die den Hals nicht vollkriegen können oder von Leuten, deren einziges Verdienst darin besteht, zufälligerweise in einem Schloss geboren worden zu sein, sondern so ein bisschen persönlichen Glamour im eigenen bescheidenen Leben.

Der Umgang mit Glamour ist allerdings nicht jedem in die Wiege gelegt. Ich kann davon ein Lied singen. Dass ich etwas unbeholfen wirke, wenn es eigentlich darauf ankäme, nun aber so richtig glamourös aufzutreten, liegt möglicherweise daran, dass mein Leben bisher im Großen und Ganzen eher unspektakulär vonstatten ging. Ohne Übung läuft eben auch in der Hinsicht des gelungenen Auftritts gar nichts. Sollte ich in meinem irdischen Dasein noch einmal in die Lage kommen, in eine Stretchlimousine einsteigen zu müssen, schaffe ich das bestimmt, ohne den Anwesenden die Lachtränen in die Augen zu treiben.

Stellen Sie sich vor, man hat Ihnen zu Ehren (Geburtstag – und noch nicht mal ein runder, ich war entsprechend ergriffen!) eine Stretchlimousine organisiert. Der Fahrer derselben hat standesgemäß Sekt und Gläser mitgebracht, damit die liebe Familie noch vor der Fahrt ins Restaurant mit dem sehr jugendlichen, okay, ich korrigiere mich, mit dem Geburtstagskind, das sich im Großen und Ganzen echt gut gehalten hat, anstoßen kann. Alle Kinder, Schwiegerkinder, Kindeskinder und der Gatte stehen also um das Prachtgefährt herum und haben ungehinderten Blick darauf, wie ich würdevoll und graziös in die Kiste einsteigen will.

Eine Stretchlimo hat ja, wie wir Eingeweihten wissen, getönte Scheiben, der Innenraum ist deshalb ziemlich dunkel, und wenn draußen gleißender Sonnenschein ist, sieht man erst mal gar nichts. Ist es da ein Wunder, wenn ich das verdammte Hindernis in Form eines „Kardantunnels“ (fragen Sie nicht, ich kannte das Ding auch nicht), der sich durch das gesamte Innere zieht, gar nicht sehen konnte? Jedenfalls, statt in das Wageninnere zu schweben, verlor ich das Gleichgewicht, stolperte quasi in Zeitlupe mit dem Kopf voraus gen Wagenboden, und ich nehme an, meine im Gegensatz dazu gen Himmel gereckten Beine waren extrem graziös, ebenso wie mein Aufschrei. Keine Sorge, außer meiner Selbstachtung war nichts verletzt. Die liebe Familie hat selten so gelacht.

Ich hab ja noch Glück gehabt, dass man keine Kutsche gebucht hat – so ein Tritt von einem Pferd soll es ganz schön in sich haben!

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news-267 Fri, 01 Apr 2022 10:13:00 +0200 Renates Kolumne: Manchmal sagt die Aussprache mehr als tausend Worte… https://www.dehner.academy/renates-kolumne-manchmal-sagt-die-aussprache-mehr-als-tausend-worte/ Alle Warnzeichen wurden missachtet – die Energie war uns lieber. Weshalb wir -der Westen- uns zu Recht eingestehen müssen, dass wir der Steigbügelhalter für Wladi den Schrecklichen waren. Diese Erkenntnis ist bitter, aber wir müssen sie schlucken. Genau wie Europa in den dreißiger Jahren Hitlers Propaganda kannte, ihm zugesehen hat und nichts gegen ihn unternahm, bis es zu spät war, haben sämtliche demokratischen Staaten Putin bei seinen Schändlichkeiten zugesehen, obwohl es seit Jahren Warnungen gab, wozu dieser Gewaltmensch noch alles fähig ist. Okay, hinterher ist man immer klüger – aber beschämend ist es trotzdem, dass man – wir, der demokratische Westen – jetzt der Ukraine und davor dem Nahen Osten womöglich einiges hätte ersparen können, hätte man sich dazu durchgerungen, die Augen und Ohren aufzumachen und daraus Handlungen abzuleiten. Vielleicht hätte man sogar Amerika und der Welt den unsäglichen Trump ersparen können, wer weiß das schon? Es ist auch kein uns entlastendes Argument, dass man – Selbstbestimmungsrecht der Völker - den oppositionellen Russen allein die Aufgabe zusprach und zumutete, sich gegen Wladi den Schrecklichen und seine Bande zu wehren. Dazu üben sie zu viel Terror aus. Man verlangt vom gefesselten Ehemann ja auch nicht, dass er etwas hätte unternehmen müssen und wirft ihm vor, dass er tatenlos zusah, wie seine Frau und seine Kinder gequält wurden. Denn der Verbrecher Putin und seine Gangsterkollegen haben die Waffen und dazu noch die Propaganda.

Aus der Zeitung und aus Nachrichten lernen wir, in welchem Ausmaß in diesem Krieg in Putins Russland die Propaganda vernünftige Berichterstattung ersetzt. Das ist nicht erst seit ein paar Wochen so, der Kriegsverbrecher hat seine Taten seit Jahren vorbereitet. Die Propaganda ist ein mächtiges Instrument und mit ihrer Hilfe werden Menschen dazu gebracht, zu Unmenschen zu werden. Aber allmächtig ist sie nicht!

Es gibt einen Punkt, glaube ich, hoffe ich, ab dem wird die „Pro-paganda“ zu einer „Anti-paganda“. Die Bevölkerung ist bereit, viele Lügen zu schlucken, aber nicht alle. Irgendwann kapiert auch der naivste und treuste Apologet, dass er angeschmiert wird. Dann halten nur noch die zum Verbrecher, die selber welche sind. Dann ist die Bevölkerung nicht mehr bereit, auf dieser Linie mitzumarschieren. Wann dieser Punkt in Russland erreicht sein wird, weiß man leider nicht, aber ich hoffe inständig, es wird nicht mehr allzulange dauern. Ich bedaure im Moment und zum ersten Mal im Leben sehr, keine Christin zu sein. An die Hölle glauben zu können, würde mir gerade sehr viel Trost bieten, aber das nur nebenbei. Ein wenig Trost, den Hauch eines Hoffnungsschimmers bietet gerade weiß-blau-weiß – eine wunderschöne Farbkombination!

Bis der Albtraum zu Ende ist können wir, so für uns und um unsere Wut abzureagieren, nicht viel mehr tun, als Wladi den Schrecklichen so verächtlich zu machen, wie er tatsächlich ist. Ich schlage deshalb als kleinen Beitrag vor, seinen Namen in Zukunft nur noch französisch auszusprechen. Wer nicht weiß, warum, sollte das genau gleich ausgesprochene Wort „putain“ im Wörterbuch nachschlagen. Was würde passieren, wenn die ganze Welt in verächtliches Lachen ausbricht, sobald Monsieur Putin eine seiner Lügen loslässt? Leider fällt mir kein französisches Pendant für Monsieur Lawrow ein, der ja auch gern schlechte Scherze macht und obszöne Witze erzählt, dass sich die Balken biegen. Wenn er nur den Mund aufmacht, sollte man sich, zum Beispiel in der UN-Vollversammlung, auf die Schenkel klopfen vor Lachen, denn einer ernsthaften Erwiderung sind seine Auslassungen ohnehin nicht würdig.

PS. Wissen Sie, was „dieser Scheißkrieg“ auf französisch heißt? Cette putain de guerre! Das trifft die Sache doch ziemlich gut, oder?

PPS. An dieser Stelle möchte ich gern auf einen Beitrag bei den „Alten Schachteln“ hinweisen, in dem es darum geht, weshalb mir dauernd das klassische ceterum censeo durch den Kopf geht. Sie können den Artikel hier lesen.

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news-265 Thu, 03 Mar 2022 13:31:00 +0100 Renates Kolumne: Sprache ist ein weites Feld… https://www.dehner.academy/renates-kolumne-sprache-ist-ein-weites-feld/ Wie ich immer wieder gern zitiere, befand Tucholsky, die deutsche Sprache sei da am schönsten, wo sie am Rande hin gen Wahnsinn verschwimmt. Dem kann man nur beipflichten. Es passt außerdem hervorragend in unsere Zeiten. Man kann nur hoffen, dass der Wahnsinn am Rande bleibt, und sich nicht bis zur Mitte weiterfrisst, aber das ist ein anderes Thema. Ob Tucholsky die kreativen Leistungen von Kindern, was Sprachgestaltung betrifft, mit einschloss in seinen Befund, das habe ich gerade nicht parat, sie hätten es aber auf jeden Fall verdient. Deshalb will ich heute meine beliebte Reihe „Schöner pluralen“ (haben Sie etwas gegen dieses Verb? Noch nie gesehen? Macht nichts, das haben Sprachschöpfungen ja so an sich) fortsetzen. Ich habe Sie, glaube ich, schon mal bekannt gemacht mit „die Dütte“ und „die Mündschütze“. Nun ist ein neues Juwel aufgetaucht. Was, glauben Sie, ist laut der sprachlichen Expertise meiner vierjährigen Enkelin der Plural von „Salat“? Na klar, Sie haben die Logik erfasst. Wenn es „der Garten – die Gärten“ heißt, ist es doch völlig einleuchtend, dass es „der Salat – die Saläter“ heißen muss. Ich finde, dagegen ist nichts einzuwenden. Ein bisschen Konsequenz in der Grammatik darf man als Mensch, der gerade die Sprache lernt, schon erwarten.

Nun sind Sie vielleicht gerade über meine Formulierung „Mensch, der die Sprache lernt“ gestolpert. Tut mir leid, aber mit „Menschin, die die Sprache lernt“ kann ich mich noch nicht so recht anfreunden, obwohl man heutzutage sehr, aber schon sehr vorsichtig sein muss, wie man sich ausdrückt. Leider wusste das der Bio-Metzger bei uns auf dem Wochenmarkt nicht, als er ein großes Schild vor seinem Verkaufswagen aufstellte mit dem verstörenden Hinweis „Unser Fleisch stammt ausschließlich von Bauern aus der Region“. Können wir uns Rindfleisch nicht mehr leisten? Egal, ich mache mir eh nicht so viel aus Fleisch.

Was die Vorsicht im Ausdruck betrifft, so lässt sich die Tendenz beobachten, dass, je aggressiver, unflätiger und rücksichtsloser immer größer werdende Gruppen von Menschen mit Menschen umgehen, die sie für unakzeptabel halten, andererseits die Empfindlichkeiten, wie man diese oder jene benennen darf, um so mehr zunehmen. Einem Leserbrief in unserem hiesigen „Südkurier“ entnahm ich kürzlich den Vorschlag, in der Berichterstattung die Bezeichnungen „Geimpfte“ beziehungsweise „Ungeimpfte“ durch „Menschen mit/ohne Covid-19 Impfung" zu ersetzen. Das sei respektvoller. Schließlich mache den Menschen sehr viel mehr aus als der Impfstatus, was selbstverständlich absolut der Wahrheit entspricht. Angetan von dieser ganz und gar wunderbaren Idee, hätte ich da noch ein paar konstruktive Vorschläge beizusteuern. Eine Berufsbezeichnung allein macht ja auch niemals den ganzen Menschen aus, warum also nicht für „Grundschul-Lehrer“ das knackige „Mensch mit pädagogischem Studium, zwecks Berechtigung zum Unterricht minderjähriger Kinder“ oder für Ärztin „Mensch mit menstruellem Hintergrund, über ein abgeschlossenes Medizin-Studium verfügend“. Ich will nicht weitschweifig werden, darum belasse ich es bei diesen Beispielen, obwohl man sich sicherlich noch eine Menge einfallen lassen könnte, wie man aus unserer Sprache, die ja ohnehin anfällig für Monstrositäten ist, wie das berüchtigte Behörden-Deutsch beweist, eine komplette Katastrophe machen kann. Nebenbei bemerkt, finde ich auch die Begriffe „Herden-Immunität“ oder, noch schlimmer „Durchseuchung“ ziemlich widerwärtig – auch wenn man das Ergebnis herbeiwünscht, damit endlich Ruhe ist.

Ebenfalls im „Südkurier“, aber diesmal im redaktionellen Teil, fand ich noch einen interessanten Ratschlag. Unter der dicken Überschrift „Wie man die Quarantäne übersteht“ konnte man die Zwischen-Überschrift lesen „Vor allem Kontakte sind in dieser Zeit wichtig“. Wie wahr, wie wahr! Ich finde, beim Fasten ist auch immer das wichtigste, dass man für genügend Nahrungsaufnahme sorgt, man kriegt sonst so schlechte Laune.

Also, ein Ratschlag von mir, wie man schwierige Zeiten übersteht: Vor allem gute Laune ist wichtig, die hilft gegen fast alles! In diesem Sinne wünsche ich Ihnen noch eine schöne Pandemie…

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news-263 Wed, 02 Feb 2022 10:54:00 +0100 Renates Kolumne: Das fängt ja gut an! https://www.dehner.academy/renates-kolumne-das-faengt-ja-gut-an/ Ich wünsche ganz herzlich, guten Rutsch gehabt zu haben! Mein exklusiver, wenn auch leicht verspäteter Tipp: Fangen Sie das Neue Jahr gut an! Und was empfiehlt sich dafür? Klassiker natürlich, die sind doch immer das Beste. Legen wir also los mit DEM Klassiker zum Neuen Jahr, den guten Vorsätzen. Ich hätte da zwei Vorschläge für Sie. Einfach mal losschreiben macht neuerdings unter „journaling“ Karriere, das klingt auch gleich sehr viel hipper. Ich empfehle Ihnen Tagebuch schreiben also dringend als guten Vorsatz für das Neue Jahr. Es erleichtert das Corona-schwere Gemüt (hoffentlich), es bringt Sie auf die eine oder andere gute Idee (hoffentlich) und es wird Ihnen (vielleicht) Spaß machen, wenn Sie in ein paar Jahren lesen, was Sie im Jahre drei n.C. so gedacht, geglaubt und befürchtet haben. Zum Beispiel, dass das Licht am Ende des Tunnels der vierten Welle nur von den Scheinwerfern des entgegenkommenden Zuges kommt, der die fünfte, sechste, siebte Welle mitbringt…

Aber wer weiß, wenn es so richtig gut läuft, können Sie später vielleicht sogar über einiges lachen. Allerdings habe ich im Moment das bisschen dumme Gefühl, dass zwar eine Menge Chancen, aber kaum Kelche an uns vorübergehen. Um das klarzustellen: Es gibt schlimmere Schicksale, als – auch zu Pandemie-Zeiten - in der Bundesrepublik zu leben, aber wenigstens über die Sache mit den verpassten Chancen können wir uns einigen, oder? Die Zeitungen beschreien sie jedenfalls mit nicht nachlassender Dringlichkeit. Aus fünf vor zwölf im November wurde fünf nach zwölf im Dezember und keiner weiß, wo wir jetzt stehen. So schnell, wie die Zeit vergeht, ist vielleicht schon Mittag? High Noon, sozusagen? Wenn das den letzten Showdown des blöden Virus bedeuten würde, wäre man es ja zufrieden. Bei High Noon fürs Klima sähe es anders aus, aber jetzt wollen wir mal nicht allzu schwarzseherisch werden und Schweigen ist ja immer noch Gold. Gott weiß, man wünschte sich in diesen Zeiten nichts sehnlicher, als dass manche Großmäuler endlich ihre Klappen dergestalt vergolden würden. Aus manchen von diesen Klappen kommt so viel heiße Luft  – das kann doch nur schädlich fürs Klima sein. Aber, wie gesagt, das ist ein anderes Thema.

Apropos Klima: Der zweite gute Vorsatz zielt auf Verbesserung desselben, allerdings nicht weltweit, sondern eher lokal, sehr lokal sogar – ich spreche vom häuslichen Umfeld, wie das immer so schön genannt wird. Eine neue Umfrage der pronova BKK hat ergeben, dass im Jahr 2021 51% der Befragten angab, dass für sie Fernsehen und Videostreaming oberste Priorität hat, erst danach folgten der Computer, das Smartphone und schließlich Partner oder Partnerin. Nehmen Sie sich für das Neue Jahr doch ganz fest vor, das häusliche Betriebsklima aufzupeppen. Sagen Sie zum Beispiel der süßen Wonne ihres Lebens täglich, wenn Sie von der Arbeit nach Hause kommen, dass Sie sie, respektive ihn, unsäglich lieben. Aber Vorsicht! Falls er oder sie sich so am dritten oder vierten Tag erkundigt: „Wie lange willst du mir das eigentlich noch unter die Nase reiben?!“ sollten Sie sofort den Fernseher anschalten – sonst könnte das häusliche Klima so ruiniert werden wie der brasilianische Regenwald. Verzichten Sie unbedingt auf Erklärungen wie: „Ich wollte doch nur, dass es dir gutgeht, Schatz“. Das könnte zum nächsten rhetorischen Kahlschlag führen: „Was glaubst du, was du bist? Mein Ladekabel?“ und die sich anschließende Diskussion darüber könnte einen kompletten Klimakollaps verursachen. Da ist Binge-Watching vermutlich doch die Klimarettung.

Genug der guten Vorsätze, Sie haben Ihr Leben bisher ja auch ohne bewältigt! Wenn Sie allerdings bei all den gesellschaftlichen Verwerfungen und häuslichen Herausforderungen, denen wir uns in diesen sonderbaren Zeiten stellen müssen, noch etwas für die Nerven brauchen, habe ich einen heißen Tipp, der von einem bekennenden (haha, ich weiß) Heidenkind wie mir für Sie vielleicht überraschend kommt. Hören Sie doch mal geistliche Musik! Ich meine das ernst. Im Moment gibt es für meine Ohren fast nichts Schöneres als die „Petite messe solennelle“ von Rossini und wenn Sie „Panis angelicus“ und die „Sieben letzten Worte Christi am Kreuz“ von César Franck noch nie gehört haben, besitzen Sie mein volles Mitgefühl. Auch die Requien von Mozart, Verdi und Andrew Lloyd Webber, um nur drei zu nennen, sind einfach atemberaubend. Schöner Zusatznutzen: Wenn Sie sich in geistliche Musik ein bisschen eingehört haben, werden Sie nie mehr glauben, „Gloria in excelsis Deo“ sei ein neues Anti-Transpirant aus der Kosmetikproduktion der „Fürstin“ (wie sie sich gern nennt – den Titel gibt es in Deutschland zum Glück gar nicht mehr) Thurn und Taxis und „Domine Deo“ die dazu passende Herrenlinie.

Allerdings muss ich einen Warnhinweis anfügen: Zu den bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen gehört, dass die genannten Werke süchtig machen können!

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news-261 Mon, 06 Dec 2021 14:21:00 +0100 Renates Kolumne: Empört euch nicht https://www.dehner.academy/renates-kolumne-empoert-euch-nicht/ Es sind äußerst merkwürdige Zeiten und alle naslang kommt einem die Galle hoch. Brauche ich nicht auszuführen, Sie wissen, was ich meine. Erinnern Sie sich noch an den Bestseller von vor ein paar Jahren, geschrieben von dem französischen ehemaligen Widerstandskämpfer und Diplomaten Stephane Hessel „Empört Euch!“? Es war ein Plädoyer für mehr politisches und gesellschaftliches Engagement. Inzwischen gibt es so viel „Empörung“ von „Engagierten“, so viele „Empörte“, die viel besser die Klappe hielten, dass ich inständig dazu aufrufe: „Empört euch nicht!“ Leute, habt Geduld und haltet die Entrüstungen flach. Das Geschimpfe und Gezeter, die Wut und der Zorn, das führt leider echt zu nichts. Man muss sie nicht mögen – aber man muss sie auch nicht aufwerten, indem man ihren lauten Blökereien immer noch mehr Aufmerksamkeit und Zeit einräumt. Oder wie es eine meiner Freundinnen so unnachahmlich ausdrückte: „Ist doch bescheuert, dass jeder Furz von den …(hier ein beliebiges schmückendes Beiwort einsetzen) ins Fernsehen kommt!“ Also, lasst euch gesagt sein, ihr Hirnis (m/w/d): „Eure Meinung ist so unerheblich, die ignorieren wir noch nicht mal!“

Ja, es sieht gerade alles eher bescheiden aus, aber, verschließen wir nicht die Augen davor, manches in der Wirtschaft gibt doch zu Hoffnung Anlass. Der unsägliche Mark Zuckerberg zum Beispiel hat sein Unternehmen Facebook in „Meta“ umbenannt – abgeleitet, so nehme ich stark an, von Metastase. Das zeigt doch eine ganz erfreuliche Einsichtsfähigkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte. Dass er selbst die Krebsgeschwürigkeit - ja, zum Kuckuck, ich darf mir auch mal eine blöde Wortneuschöpfung erlauben - seines ekelhaften Konzerns an- und überhaupt erkennt: Respekt! Wir sollten auf die Abkürzung verzichten, und den Konzern immer bei seinem vollen Namen nennen: Mark Zuckerbergs Metastase! So viel Zeit muss sein!

Andere Dinge machen einen leider nicht hoffnungsvoll, sondern sprachlos. Am 13. November war aus dem Wirtschaftsteil der SZ zu erfahren, dass der chinesische Fast-Fashion-Discounter Shein gerade die Jugend Europas mit Wegwerf-Mode begeistert. Ganz ohne Läden, nur über eine App machten diese ausbeuterischen Umweltschweine allein in Deutschland im Jahr 2020 einen Umsatz von 235 Millionen Euro. Möchte nicht wissen, wie es 2021 aussieht. Wissen die Jugendlichen nicht, was sie da kaufen und was Wegwerfklamotten für die Umwelt bedeuten? Oder ist es ihnen egal? Was auch immer der Grund für den schwindelerregenden Erfolg dieser Firma ist: Die Fridays for Future – Jugend scheint doch eine verschwindend geringe Minderheit zu sein. Sehr schade, wenn schon wir Alten zu blöde waren und sind, die Folgen unseres Lebensstils zu erkennen und diese Erkenntnisse in unser Verhalten einfließen zu lassen, hatte ich gehofft, wenigstens die Jugend sei klüger. Sieht leider nicht so aus.

Dabei hat offenbar selbst der VW-Chef Herbert Diess erkannt, dass man etwas gegen Luftverschmutzung tun muss, was einen nun wieder hoffnungsfroher stimmt. Der „Südkurier“ titelte jedenfalls „VW-Chef rudert nun doch zurück“. Zuerst fragte ich mich: „Warum nimmt er denn nicht das Auto?“ Aber dann wurde mir klar, der Mann hat wahrscheinlich einfach etwas begriffen! Wie mieses Arbeitsklima die Luft verpestet. Trotzdem gut, dass er nicht schon in Amerika war, als er seinen Beschluss fasste, doch lieber mit den eigenen Betriebsangehörigen als mit Anlegern aus der Wall-Street zu sprechen - da hätte er verdammt lange rudern dürfen. Aber wer weiß, vielleicht hätte es ihm gutgetan. Rudern soll ja eine sehr meditative Art der Fortbewegung sein.

Wäre doch schön, wenn (wir) alle ein bisschen zurückrudern würden, was Ärger, Aufgeregtheit, Stress, Ängste und Befürchtungen betrifft. In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen entspannten, heiteren Advent und ein friedliches, fröhliches Weihnachten!

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news-259 Mon, 01 Nov 2021 16:29:00 +0100 Renates Kolumne: Die Überschriften-Mogelpackungen https://www.dehner.academy/renates-kolumne-die-ueberschriften-mogelpackungen/ Seit Jahren ärgere ich mich über Artikel in Zeitungen und Zeitschriften, in denen die Überschrift viel verspricht – und der Beitrag dann nichts davon hält. Bei der „Psychologie heute“ zum Beispiel scheint das geradezu ein Markenzeichen zu sein. Wir haben dieses Produkt seit Jahrzehnten abonniert, aber ehrlich gestanden, weiß ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr, warum. Das Ding ist völlig überflüssig. Bei einer Zeitschrift, die doch einen gewissen Anspruch in ihrem Namen suggeriert, geht mir das ganz besonders auf die Nerven. Dass Blätter wie „Brigitte“, „Elle“ oder „Madame“ seit Jahrzehnten die immer gleichen „neuen“ Herbstfarben ankündigen und in Überschriften Revolutionen beim Kampf gegen die Hautalterung versprechen, die dann darin bestehen, dass man sich Creme A statt Creme B ins Gesicht schmiert – statt auf die Barrikaden zu gehen gegen eine idiotische Kosmetik-Industrie – naja, geschenkt. Da erwartet man nichts anderes, sind schließlich keine wissenschaftlichen Publikationen und außerdem kauft man sie sowieso nur wegen der hübschen bunten Bildchen, die man manchmal als Ausgleich für Nachrichten braucht, die definitiv dem Teint schaden, so viel Sorgenfalten kriegt man davon ins Gesicht.

Aber dass auch ernstzunehmende – und in vieler Hinsicht verdienstvolle - Zeitungen wie die „Süddeutsche“ immer öfter zu solchen Mitteln greifen, nämlich nichtssagende Beiträge aufzupeppen mit Überschriften, die verheißungsvoll klingen, dieses Versprechen dann jedoch kein bisschen einlösen, geht mir auf den Wecker. Jüngstes Beispiel: Am 23. September 21 konnte man im Wirtschaftsteil der SZ die Überschrift lesen „Wie Führung auf Distanz gelingt“. Da es ein Hauptaufgabengebiet der dehner academy ist, sich mit Führungsfragen zu beschäftigen, hat mich das natürlich sehr interessiert. Und was kriege ich zu lesen? Wie schwierig das alles ist mit den Führungsaufgaben, wenn die Mitarbeiter im Home-Office sind, weil sich Kommunikation ja verändert, wenn nicht alle im gleichen Raum sitzen. Und dann noch die wahrhaft umwälzende, Gänsehaut erzeugende Erkenntnis, Zitat „Die Anforderungen an Führungskräfte haben sich radikal verändert – und nicht allen fällt es leicht, sich darauf einzustellen.“  Ich war so was von ergriffen! Das Beste war dann aber die versprochene Einlösung des Versprechens „Wie Führung auf Distanz gelingt“. Ich erwarte, dass Sie jetzt ebenfalls ergriffen sind: Die Führungskräfte brauchen ein bisschen Einfühlungsvermögen und gute Kommunikationsfähigkeiten.

Dingelingeling, klongklongdibäng (das ist der Jingle für den eingeschobenen Werbespot):

Führungskräfte, nehmen Sie teil an der Coaching Ausbildung der dehner academy oder an der Fortbildungsreihe ACT – Coaching Tools für Führungskräfte, dort lernen Sie nämlich, was laut Petra Nieken, Professorin für Human Ressource Management am Karlsruher Institut für Technologie, ihre vornehmste Aufgabe ist, Zitat Nieken: „Die Führungskraft von heute ist ein Coach, der Mitarbeiter dazu anleitet, Dinge besser zu machen.“

Sagen wir doch schon seit Jahren! Und hinterher haben Sie auch wirklich die Mittel, Führung auf Distanz gelingen zu lassen, versprochen!

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news-257 Fri, 01 Oct 2021 11:30:00 +0200 Renates Kolumne: Alles eine Frage der Anschauung https://www.dehner.academy/renates-kolumne-alles-eine-frage-der-anschauung/ Nun ist Knall auf Fall der Herbst gekommen – jedenfalls war es in Konstanz Knall auf Fall. Samstags war es noch Sommer und sonntags war es Herbst. Ich mag den Herbst ja, aber es war schon sehr plötzlich sehr kalt, man war gar nicht mehr daran gewöhnt, sich zu verhüllen. Wäre aber besser gewesen. Ohne die angemessene Verpackung war es ein ziemlich kalter Spaziergang. Das Thema Verhüllen und Verpacken bringt mich elegant auf direktem Weg zu einer Frage, die mich seit ein paar Wochen immer wieder beschäftigt. Es war in letzter Zeit viel vom Arc de Triomphe die Rede, Sie wissen schon, warum, Christo und so. Und bei dem ganzen Bohei habe ich mich gewundert: Wie schafft man es eigentlich, mit einer einzigen Idee weltberühmt zu werden? Nichts gegen Christo und Jeanne Claude und wenn sie ihren Verhüllungszauber einmal oder meinetwegen zweimal gemacht hätten, okay, sie wären als einfallsreich durchgegangen. Aber dasselbe immer wieder? Ich kann mir nicht helfen, ich finde es ein bisschen mager für so ein langes, langes Künstlerleben. Mir kommt da der Karl-Kraus-Spruch in den Sinn „Es genügt nicht, keinen Gedanken zu haben, man muss ihn auch formulieren können!“ (ein Spruch den man auf viele Politiker anwenden kann, aber das nur am Rande.) Angesichts des Arc-de-Triomphe-Päckchens dachte ich mir eben: „Es genügt nicht, keinen neuen Gedanken zu haben, man muss ihn auch vermarkten können!“ Allerdings gönne ich den Pariser Hotels und Gastronomen neidlos, dass sie auf die Art und Weise hoffentlich ein bisschen dringend benötigtes Geschäft machen.

Ich hoffe in diesem Zusammenhang auch, dass die nach Paris strömenden Besuchermassen sich als verantwortungsbewusste Menschen erweisen und verhalten, so wie es von uns allen erwartet wird, ob wir nun zu Hause bleiben oder verreisen. Der Gatte und ich verreisen demnächst (hoffentlich) wieder. Eine der ganz wunderbaren Eigenschaften des Herbstes, neben der Möglichkeit, sich endlich mit dem neuen Herbstkostüm verhüllen zu können, ist der Herbsturlaub. Wir verbringen ihn traditionell, Gewohnheitstiere, die wir sind, seit dreißig Jahren, mit Ausnahme des letzten Jahres versteht sich, in Belgien an der Nordseeküste. Dorthin zieht es uns auch dieses Jahr und man freut sich auf unser Kommen, wie die Agentur, über die wir unsere Ferienwohnung gebucht haben, glaubwürdig versichert. Im gleichen Brief wird auch auf die Corona-Regeln hingewiesen und die Mitteilung endet mit folgendem Satz:

Bitte beachten und befolgen Sie die aktuellen Maßnahmen/Regelungen.
Es liegt an Ihnen, als guter Bürger, Ihre Blase an die geltenden Einschränkungen anzupassen
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Ich muss zugeben, ich finde diese Aufforderung kryptisch. Was genau muss ich als gute Bürgerin tun, um meine Blase an die „geltenden Einschränkungen“ anzupassen? Unter uns, ich finde meine Blase eingeschränkt genug – ich sage nur Konfirmanden-Bläsle. Und Gruppenpinkeln war ehrlich gestanden noch nie so mein Ding – aber wer weiß schon, was ich womöglich verpasst habe! Und auch wenn es ein alter Glaube, um nicht zu sagen Aberglaube ist, dass Damen im Restaurant, in der Oper oder im Theater immer zu zweit aufs Klo gehen, so nutzen sie doch für gewöhnlich zwei Kabinen und drängeln sich nicht auf einer Brille. Was also könnte noch von den Urlaubsgästen erwartet werden, um die Blase an die geltenden Einschränkungen anzupassen? Geht es darum, soziale Inkontinenz zu vermeiden? Ich bin ratlos! Konstruktive Lösungsvorschläge werden dankend entgegengenommen!

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news-255 Tue, 07 Sep 2021 11:52:00 +0200 Renates Kolumne: Melde mich zurück aus dem Urlaub https://www.dehner.academy/renates-kolumne-melde-mich-zurueck-aus-dem-urlaub/ Nun fängt der Alltag wieder an, doch ich möchte nochmal auf den Urlaub zurückkommen. Denn zu Beginn meiner Sommerferien habe ich in der Süddeutschen Zeitung ein Interview mit der Schweizer Journalistin und Autorin Michèle Roten gelesen. Es wurde geführt anlässlich ihres neuen Buches „Wie mit (m)einem Körper leben. Eine Auto-Autopsie“. Sie hat davor noch zwei andere Bücher geschrieben mit den Titeln „Wie Frau sein“ und „Wie Mutter sein“, bekannt wurde sie offenbar mit einer Kolumne im Schweizer „Tagesanzeiger“, die neun Jahre lang unter dem Titel „Miss Universum“ erschien. In meinen Augen lassen schon allein diese Titel eine gewisse Tendenz erkennen, über die ich mich jetzt aber nicht weiter auslassen will – Vorurteile und so… Dazu kommt noch, dass ich rein gar nichts von ihr gelesen habe, also keinen blassen Schimmer über ihre Qualitäten als Autorin mein Eigen nenne. Als Interview-Partnerin fand ich sie zunächst, sagen wir, belanglos. Um das zu illustrieren: Auf die Frage: „Sie haben einen Second-Hand-Laden in Zürich. Hat Ihnen das neue Erkenntnisse über Frauen und ihre Körper gebracht?“ antwortete sie: „Ja. Es ist eine ganz große Erkenntnis von mir, dass man niemals das Äußere von jemandem kommentieren soll.“ Tja, auweia, was soll man sagen, meistens kriegt man das als Kind schon beigebracht, aber spätestens als Teenager hätte sie das bereits lernen können und nicht erst mit über vierzig.

In Ordnung, Schwamm drüber, was mir wirklich unangenehm aufgestoßen ist, war etwas anderes. Sie wurde gefragt: „Warum, glauben Sie, sind Frauen generell unsicherer, was ihr Äußeres angeht, als Männer?“ und sie antwortete: „Na, weil wir jahrhundertelang darauf reduziert wurden. Gemacht haben wir ja lange nicht viel außer schön aussehen und Kinder aufziehen. Da war ja auch sonst nichts für uns vorgesehen. Und da ist es doch naheliegend, dass das immer noch ein Thema ist, das ist einfach in der patriarchalen Struktur mit drin.“

Diese Aussage ist so, milde gesprochen, unbedarft, dass ich darüber Schnapp-Atmung kriegen könnte. Sicher, es hat in der Vergangenheit Frauen gegeben – und es gibt sie noch – die nichts anderes zu tun hatten und haben, als sich um ihr Erscheinungsbild zu kümmern. Aber das war im Ganzen gesehen eine verschwindend geringe Minderheit. Von Anbeginn aller Zeiten an mussten Frauen hart arbeiten! Von wegen „es war ja auch sonst nichts für uns vorgesehen“. Es war verdammt viel Arbeit für uns vorgesehen, Herrschaft noch mal!

Was glaubt die Gute denn, wer bei den Damen, die nur schön sein sollten und sonst nichts, dafür gesorgt hat, dass solche paradiesischen Zustände herrschen? Waren die Dienstmädchen, die Küchenmädchen, die Köchinnen, die Zofen, die Wäscherinnen, die Schneiderinnen, die Mägde, die Bäuerinnen und wer sonst noch alles zum Funktionieren des herrschaftlichen Lebens oder überhaupt des Lebens, beigetragen hat, etwa keine Frauen? Ganz zu schweigen von den Arbeiterinnen, die seit Beginn der industriellen Revolution, also seit bald zweihundert Jahren, Knochenarbeit leisten mussten. Und da wollen wir in diesem Zusammenhang auch die bedauernswertesten von allen nicht vergessen, die heute unter der Bezeichnung Sexarbeiterinnen firmieren.

Bildet sie sich wirklich ein, wir heutigen Frauen seien alles nur Abkömmlinge gutsituierter Damen und es seien keine Nachkommen von Dienstboten, Arbeiterinnen oder Bäuerinnen dabei? Es ist vielleicht ein Schock für sie, aber ich fürchte, auch bei ihren Altvorderen gab es die eine oder andere, die schon mal einen Putzlappen in der Hand hatte und deren gepflegtes Äußeres, auf das sie stolz war, im Wesentlichen darin bestand, dass sie sowohl ein Werktags- als auch ein Sonntagskleid besaß und wenn es hochkam, vielleicht auch zwei Paar Schuhe. Manchmal wünscht man sich doch wahrhaftig, Menschen würden sich ihren geistigen Sonntagsstaat anlegen, bevor sie ein Interview geben.

Nur weil sich Frauen ihr Recht, jeden Beruf ergreifen zu können und (laut Statistik bei uns zwar immer noch geringer als Männer, aber doch halbwegs anständig), bezahlt zu werden, mühsam, langwierig und schmerzhaft erkämpft haben, heißt das doch noch längst nicht, sie seien allesamt nur „die Zierde des Hauses“ gewesen, die sich ihr hübsches Köpfchen nicht mit all den Problemen, die die Herren der Schöpfung so souverän immerzu erschaffen haben, belasten soll.

Aber sonst war mein Urlaub sehr schön, ich habe Familie, See und Sonne genossen und noch etwas über Drei-G-Regeln gelernt. An einem klitzekleinen Café am schönen Wallersee im Salzburger Land hing ein Schild:

Aufgrund der aktuellen Lage ist der Zutritt nur nach den Richtlinien der Drei-G-Regeln gestattet: Gewaschen, gekämmt und geschneuzt.

Ich sehe den Sinn dieser Regel vollkommen ein – den der anderen drei G aber auch…

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news-251 Thu, 01 Jul 2021 17:25:00 +0200 Renates Kolumne: Man kann alles übertreiben https://www.dehner.academy/renates-kolumne-man-kann-alles-uebertreiben/ Wieviel Übertreibung ist noch statthaft und wann wird es lächerlich? Die pandemische Krise hat etliches an Äußerungen in der Presse und im Fernsehen hervorgebracht, vom Internet ganz zu schweigen (und da muss ich schweigen, denn dieses Medium nutze ich anachronistisch wenig), die man nur als überzogen bezeichnen kann. Ich hatte wahrhaftig schon mit dem Gedanken gespielt, eine Serie zu beginnen „Doofe Sprüche, auf die wir hätten verzichten können“. Da platzierte zum Beispiel „Die Zeit“ in ihrer Rubrik „Entdecken“ am 20. Mai unter der Überschrift „Mehr ist mehr“ die Unterüberschrift „Zu den ersten Opfern der Pandemie gehörte das Buffet“. Das ist eine so selten dämliche Aussage, das bedarf eigentlich keiner weiteren Kommentierung. Was mich wunderte, war der ausbleibende Shitstorm. Heutzutage wird doch für eigentlich viel harmlosere verbale Entgleisungen, oder was dafür gehalten wird, immer gleich ein Gang zu Canossa mit tausendfachem Mea Culpa, einer Selbstgeißelung und dem Gelöbnis, mindestens drei Jahre lang Sack und Asche zu tragen, verlangt. Wo blieb das Fähnlein der Aufrechten, das im Namen der vielen echten Opfer ein großes Krakeel anhub? Ich meine, wenn eine Politikerin sich schon kniefälligst dafür entschuldigen musste, dass sie aussprach, als Kind das Berufsziel „Indianerhäuptling“ gehegt zu haben, könnte man schon ein bisschen Shitstorm anpusten für die Taktlosigkeit in einem Spruch, der sehr viel dämlicher ist als die Äußerung der Politikerin. Andererseits ist jeder ausbleibende Shitstorm in heutiger Zeit zu begrüßen. Soziale Kontrolle in allen Ehren, aber im Moment scheint sie mir etwas aus der Balance geraten zu sein – ich sage nur „Übertreibung“.

Für eine weitere grobe Übertreibung nebst dummem Spruch halte ich es, angesichts eines verlorenen Schuljahres von der „lost generation“ zu sprechen. Ich bitte darum, mich nicht misszuverstehen. Ich war die erste, die sich darüber aufgeregt hat, was man den Kindern eigentlich antut, indem man Kitas und Schulen schließt. Und ich halte es auch nach wie vor für eine Schande, dass sich Kultusminister, Schulbehörden und Lehrer im Großen und Ganzen (es gab sicher rühmliche Ausnahmen) wahrhaftig nicht mit Ruhm bekleckert haben. Aber nun Jugendliche und junge Erwachsene zu einer „lost generation“ zu stilisieren, weil sie ein gutes Jahr lang auf Discos, Partys und weiß der Geier was für Lustbarkeiten verzichten mussten, das ist, mit Verlaub, albern.

Ich habe mir die Mühe gemacht, bei einem meiner Lieblingsautoren, bei Harry Graf Kessler, nachzulesen, wie das eigentlich war, vor genau hundert Jahren. Für den Fall, dass es unglückliche Menschen gibt, die noch nie von Harry Graf Kessler gehört haben: Er war einer der interessantesten Männer, die die neuere deutsche Geschichte vorzuweisen hat, der in der Weimarer Republik als „der rote Graf“ ein Hassobjekt der Reaktionäre und der Nazis war. Geboren 1868 als Sohn eines steinreichen Bankiers, der erst einige Jahre nach Harrys Geburt vom ersten deutschen Kaiser den Grafentitel bekam, wuchs er sehr privilegiert auf, studierte Jura und war sowohl in der Kunst-Szene als auch in diplomatischen Kreisen ganz unglaublich gut vernetzt. Es gab in Deutschland, Frankreich, England keinen Politiker und keinen Künstler von Rang und Namen, den er nicht persönlich kannte. Als Kunst-Mäzen hat er Maler wie Edvard Munch, Bildhauer wie Aristide Maillol und Dichter wie Johannes R. Becher, neben vielen anderen, materiell unterstützt. Er förderte das Bekanntwerden der Impressionisten in Deutschland, was ihm kurioserweise eine Duell-Forderung einbrachte – sein Kontrahent fand die Werke der Impressionisten so skandalös, dass man Frauen und Kinder vor deren sittenlosen, unanständigen Bildern bewahren sollte. Aus dem Duell wurde allerdings nichts, der Kontrahent starb, bevor Graf Kessler ihn hätte totschießen können. Graf Kessler gründete außerdem in Weimar die „Cranach-Presse“, die einige der schönsten Bücher der damaligen Zeit herausbrachte. Und er schrieb - er schrieb und schrieb, in allererster Linie seine Tagebücher, die ganz unglaubliche Zeitzeugnisse sind, aber z.B. auch ein Buch über Mexico oder eine Rathenau-Biografie, die noch heute Maßstäbe setzt.

Außerdem schrieb er, und darauf wollte ich eigentlich hinaus, 1920 die Broschüre „Die Kinderhölle in Berlin“. Mit diesem Text wollte er auf das Elend der Arbeiterkinder in Deutschland aufmerksam machen, ganz besonders anrührend anhand von Bildern aus Berlin – ausgerechnet aus jenem Viertel, das heute fast der Inbegriff des „hippen Berlin“ ist, aus dem Prenzlauer Berg. Er beschreibt, dass es kaum Häuser gibt, in denen nicht mehrere Elendswohnungen sind, wo sich die Bewohner „nur noch krampfhaft, am Rande dieser kalten, grauen Hölle“ halten. Kessler nannte diese Mietskasernen „Totenhäuser“, wo vier, fünf Kinder samt Eltern in einem Zimmer hausen, es keine Bettwäsche gibt, keine Leibwäsche, kein Schuhzeug und keine warme Kleidung, ganz besonders nicht für die Kinder. Ihre Körper sind durch Mangelernährung ausgemergelt und verkrümmt, sie haben graue, abgemagerte Gesichter und tieftraurige, hoffnungslose Augen.

Genau vor hundert Jahren, das waren noch längst nicht die „Goldenen Zwanziger Jahre“ (die übrigens für die meisten so golden zu keinem Zeitpunkt waren) und den allermeisten Jugendlichen damals, die nicht der Oberschicht angehörten, hat nicht die Party gefehlt, sondern das Stück Brot zwischen den Zähnen und ordentliche Schuhe an den Füßen.

Also lasst mal die Kirche im Dorf, liebe Leute, eine „lost generation“ sieht wahrhaftig anders aus. Nichtsdestotrotz wünsche ich allen jungen Menschen, und den mittelalten, den etwas älteren und den ganz alten selbstverständlich auch, dass wir diese Mistkack-Pandemie bald im Griff haben. Und es sollte eine Selbstverständlichkeit sein, dass die Rechte der jungen Generation, ganz besonders das auf Bildung, von unserer Regierung gewahrt werden.

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news-249 Tue, 01 Jun 2021 12:24:00 +0200 Renates Kolumne: Ade, Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten https://www.dehner.academy/renates-kolumne-ade-land-der-unbegrenzten-unmoeglichkeiten/ Es sieht so aus, als könnten wir es tatsächlich hinter uns lassen, das Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten, in dem wir seit mehr als einem Jahr gelebt haben. Man ist ja vorsichtig geworden, was Optimismus und Vorhersagen betrifft und deswegen empfiehlt es sich, auf verfrühtes Jubelgeschrei zu verzichten, aber wenn selbst Unke Lauterbach nicht mehr von „exponentiellem Wachstum“ spricht, kann man doch schon mal langsam den Champagner kaltstellen. Zur Not ertränken wir damit die von ihm Kassandra–artig beschworene vierte Welle. Wobei, Kassandra trifft es wohl nicht so ganz. Kassandras Tragik bestand ja in der Nicht-Beachtung, davon kann bei Lauterbach keine Rede sein, so oft, wie man ihn im Fernsehen sieht. Einen gewissen Überdruss kann ich nicht leugnen. Und wenn ich schon dabei bin: Unter dem Siegel der Verschwiegenheit bekenne ich mich hiermit zu einigen, sagen wir mal halblegalen, Aktivitäten, die ich mir gegönnt habe, weil mir der Sinn der Einschränkungen nun mal so gar nicht eingeleuchtet hat. Zum Beispiel habe ich immer wieder ein befreundetes Paar zu Hause empfangen, weil ich mir einfach nicht erklären konnte, weshalb ich sie allein hätte besuchen dürfen, sie mich zu zweit aber nicht. Es tut mir leid, aber ich kapiere es immer noch nicht.

Und ich bin inzwischen schon zweimal in der Schweiz gewesen, um Kunst- Ausstellungen anzusehen. Unter strikter Beachtung der sanitären Regeln versteht sich, die sind in der Schweiz hervorragend. Es war ein ganz und gar wunderbares Erlebnis! Können Sie sich noch erinnern, wie viel Freude es macht, durch Museumsräume zu gehen? Kunst zu betrachten, so richtig in echt, nicht online! Es ist atemberaubend, versichere ich Ihnen. Die Museums-Schließungen verstehe ich übrigens ebenfalls bis heute nicht. Wenn man nicht gerade im Louvre vor der Mona Lisa steht, ist man im Museum für gewöhnlich locker imstande, drei, vier, auch fünf Meter Abstände zu anderen Menschen einzuhalten, im Falle, dass da tatsächlich andere Menschen sind – oft genug ist man nämlich allein auf weiter Flur, selbst in so hervorragenden Museen wie in Winterthur. Klar, Block-Buster-Ausstellungen sind etwas anderes, aber auf die hätte man ja gut und gern freiwillig in dieser Zeit verzichten können, ich glaube, jeder Kurator und Museumsdirektor hätte das ohne weiteres eingesehen und sich freiwillig beschränkt.

Ich komme hier jetzt auch ganz bewusst nicht auf die vielen anderen unbegrenzten Unmöglichkeiten zu sprechen, die ein Ausmaß an Inkompetenz, Hinterherhinken und noch einigem anderen Unmöglichen offenbarten, die man nicht umhin kommt zu bemerken, auch wenn man lieber längs geradeaus als bescheuert quer denkt und Alu-Hütchen unkleidsam findet. Aber eine Frage habe ich doch noch: Wozu brauchen wir eigentlich einen Minister, der dasteht wie ein Christbaum, der sich selbst mit Lametta behängt? Immerhin, dass unser, in Immobilien-Angelegenheiten so kundiger, Bundesgesundheits-Minister sich stetig mit so viel Begeisterung selbst auf die Schulter klopft, ist doch ein weiterer Beleg dafür, dass im Moment nichts unmöglich ist.

Dafür habe ich im heutigen (17.5.21) „Südkurier“ noch ein weiteres, ganz und gar verblüffendes Beispiel gefunden. Der „Südkurier“ titelte nämlich „Straßenbahn rammt Autotür beim Wechseln der Windel“. Ehrlich, hätten Sie das für möglich gehalten? Der Fortschritt der Automatisierung ist nicht mehr aufzuhalten! Und das nenne ich mal eine wirklich gelungene Weiterentwicklung – eine Autotür, die Windeln wechselt! Welche jungen Eltern träumen nicht davon? Ich hätte da noch ein paar konstruktive Vorschläge: Fahrrad geht selbständig mit dem Hund Gassi, Fußballtor schließt blitzartig ein Gitter, sobald ein Ball vom 1. FC Bayern kommt, Computer-Tastatur, die Gift und Galle ins Gesicht desjenigen spritzt, der gerade eine Hass-Mail versenden will – also, es gäbe da einiges zu automatisieren.

Jetzt wollen wir uns aber zuerst einmal freuen! Ich mache das sehr gern mit den Worten eines amerikanischen Musikers, der in einem Interview mit Bayern Klassik, zwar in einem anderen Zusammenhang, aber trotzdem sehr passend bemerkte: „Und dann hat es plötzlich doch weitergeläuft!“ Schöner kann man es fast nicht ausdrücken, oder?

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