Für jeden, der einmal ergriffen vor der ästhetischen Schönheit eines Atomkraftwerks stand, ist das doch absolut nachvollziehbar, oder nicht? Diese wunderbare Architektur, die sich so harmonisch in die Landschaft einfügt, die dem Auge wohlgefälligen, runden Formen eine Atommeilers – und im Gegensatz dazu diese spargeldünnen Ausrufezeichen in der Landschaft, die so penetrant darauf hinweisen, dass wir Strom brauchen, Strom, Strom, Strom und immer noch mehr Strom. Klar, dass das niemand so deutlich vor Augen geführt haben will und stattdessen im Gedenken an die heimatverbundenen herkömmlichen Kraftwerke ein paar Tränen verdrückt. Denn, so sagt Frau Zilles weiter: „Verbreitet ist die Sorge, dass eine Industrielandschaft entsteht. Das wendet sich gegen die Veränderung, den befürchteten Verlust von Heimat.“ Wieviel Heimat ist eigentlich durch den Braunkohle-Tagebau verlorengegangen? Wie viele Dörfer, die da für Menschen Heimat waren, wurden nochmal zerstört? Es geht doch auch nichts über die Ästhetik dieser plattgemachten Flächen, der abgeholzten Wälder! Und erst die zauberhaft watteweichen Dampfwolken, die aus den schon gepriesenen wohlgefällig-runden Kaminen gen Himmel steigen – atemberaubend!
Im Ernst, man möchte meinen, die da so gern gegen Windräder wettern haben noch nie Kohle- oder Atomkraftwerke gesehen. Wenn das keine Industrielandschaften sind, weiß ich auch nicht…Tja, und wer weiß, wie erst unsere Heimat aussieht, wenn die herrlich gelben Fässer mit den auf immer und ewig alles verseuchenden giftigen Atommüll-Resten nicht mehr dicht sind?
Aber nun zu etwas Netterem: Da wir schon bei der Ästhetik sind (ich weiß, ich wage mich jetzt auf ein weites Feld), gibt es auch etwas zu vermelden, das erfreulich zu werden verspricht, wenn es sich denn in der realen Zukunft bewahrheitet. In der Zeitung habe ich unter der Rubrik „Kosmetik-Trends der kommenden Saison“ erfahren, dass die hässlichen Einheits-Balken-Augenbrauen nunmehr „völlig out“ seien. Ich würde das schon aus dem Grund begrüßen, weil dann die Gesichter wieder etwas unterscheidbarer werden. Man weiß doch gar nicht mehr, ob man irgendein junges Ding schon mal getroffen hat oder nicht, weil die sich alle so gleichen: gleiche Augenbrauen, gleiche Lippen, gleicher Lidstrich – nur gelockte Wimpern habe ich in der Tat noch keine gesehen, obwohl ich kürzlich über die Werbung eines sogenannten „Beauty Salons“ gestolpert bin, der Dauerwellen für die Wimpern anpries. Ich wage gar nicht, mir das Ergebnis bildlich vorzustellen!
Wenn dann auch noch die Mode der Volant-Hängerchen, die sich Frauen jeden Alters an die Figur drapieren, obwohl diese Kleider wirklich keiner Frau stehen, die mehr als acht Jahre zählt, aus dem Stadtbild verschwinden, ist für die Ästhetik in den Straßen der Innenstädte doch echt schon was gewonnen. Dafür haben wir dann auf dem Land ein paar Windräder mehr gut…Ich könnte jetzt auch noch was über die Ästhetik der allgegenwärtigen, klobigen Turnschuhe schreiben, ebenfalls von Damen jeden Alters zu jedem Outfit kombiniert, sogar zu den schon erwähnten Hängerchen, aber da mir aus berufenem Mund versichert wurde, die seien unnachahmlich bequem und müssten deshalb sein, halte ich mich zurück. Die Zeiten, wo Schönheit vor Bequemlichkeit ging, sind perdu, und das hat ja auch sein Gutes. Aber, dass vermeintliche „Ästhetik“ vor Umweltvernunft gehen soll, das hat nichts Gutes, aber auch gar nichts.
Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer, nicht zu heiß, nicht zu trocken und vor allen Dingen fröhlich und entspannt!