Erfolgreiche Mitarbeiterbindung beginnt im Inneren

„Jeder Mitarbeitende ist ersetzbar“ – ja, selbst heute gibt es noch genug Unternehmen, deren Kultur von diesem Denken geleitet wird. Getreu dem Motto: Wenn jemand den Anforderungen und dem Druck nicht standhalten kann, wird sich schon ein Ersatz finden. Und das war auch viele Jahre so. Die Wirtschaftskrise 2008 katapultierte etliche Menschen in die Arbeitslosigkeit, die deutsche Wirtschaft schrumpfte um 5% – zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg. Wer nach 2008 Arbeit hatte, machte sich Sorgen, sie zu verlieren und tat vieles dafür, sie zu behalten. 

Heute sieht die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt anders aus. Nach und nach vermeldet eine Branche nach der anderen einen Fachkräftemangel. Dieser ist zum Beispiel in Handwerksberufen derzeit exorbitant hoch. Dass wissen alle, die gerade eine solche Leistung einkaufen wollen – die Auftragsbücher sind voll. Aber auch die Gastronomie und Fluggesellschaften vermelden Personalmangel, so stark, dass derzeit Flüge gestrichen werden und Biergärten geschlossen bleiben müssen. Die Situation ist derart prekär, dass sogar Gastarbeit wieder eine mögliche Option ist. Die Kräfte fehlen an allen Ecken und Enden. 

Faktor Mensch

Abgesehen von der Arbeitskraft geht einem Unternehmen durch jeden Mitarbeiterwechsel ein Mensch verloren. Ein Mensch, der eingearbeitet wurde. Ein Mensch, der ein Netzwerk mitbrachte und vor Ort ein neues aufbaute und pflegte. Ein Mensch mit all seinen Erfahrungen, seinem Wissen, seinem Können. Noch nie war der Faktor Mensch eines Mitarbeiters wichtiger als heute. Menschen können exakt das gleiche Ausbildungsprofil aufweisen und doch völlig verschieden wirken. Ihre Werte, ihre Resilienz, ihre Motivation und ihre Interessen sind mittlerweile nicht minder wichtig bei der Auswahl von geeigneten Kandidaten – denn diese persönlichen Eigenschaften beinhalten ihr zukünftiges Potenzial.

Doch diese passenden Mitarbeitenden zu finden, ist Aufwand geworden und schon lange hat der Satz „Jeder ist ersetzbar“ seine beruhigende Wirkung unter Führungskräften und HR-Abteilungen eingebüßt. Hohe Fluktuation kostet. Nicht nur Geld, sondern auch Zeit. Das hat sie zwar schon immer, allerdings nicht in solch einem Maße. Während Mitarbeitende nach 2008 einfach froh waren, wenn sie Arbeit hatten, können sie sich heute ihre Arbeitsstellen aussuchen. Diese Umkehrung hat zu vielen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt geführt. 

Anziehungskraft erhöhen

Aus dieser – sich bereits seit Jahren angekündigten – Situation hat sich die Disziplin des Employer Branding entwickelt. Ziel ist, die Arbeitgebermarke zu stärken, bedeutet im Best Case: die Unternehmen sollen derart attraktiv sein, dass die Mitarbeitenden zu ihnen stürmen, weil sie bei ihnen beschäftigt sein wollen. Damit versuchen Unternehmen sich selbst aus ihrer Bittstellerposition heraus zu entwickeln und gegenüber Wettbewerbern positiv zu positionieren. 

Dabei geht es nicht nur darum, Mitarbeiter zu gewinnen, sondern auch zu halten. Typische Punkte sind Mitarbeiterentwicklung (welche Entwicklungsmöglichkeiten und Karrierechancen haben die Mitarbeitenden?), Unternehmenskultur (beispielsweise auf Augenhöhe, offen und fehlertolerant gegenüber hierarchisch, intransparent und fehlerfokussiert), Work-Life-Balance und Diversity Management. 

Vitamine und Bewegung als Präventionsmaßnahme

Dass Mitarbeiter einen beträchtlichen Anteil ihrer Lebenszeit an ihren Arbeitsplätzen verbringen, hat für ihre Gesundheit nicht immer die besten Folgen. In körperlich anspruchsvollen Berufen, wie im Rettungsdienst beispielsweise, wird der Körper in einer Weise belastet, die einen Ausgleich fordert, um zukünftig keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen davon zu tragen. Denn: Mitarbeitende, die aus gesundheitlichen Gründen ausfallen, sind eine Belastung für Unternehmen – organisatorisch wie finanziell. Vorbeugend werden in einigen Unternehmen betriebliches Gesundheitsmanagement-Konzepte angeboten, um die Gesundheit und Motivation der Mitarbeitenden einerseits, aber auch die Produktivität und Innovationsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen. Betriebliches Gesundheitsmanagement beginnt oft mit Obstkörben und Yoga-Angeboten und endet bei speziell ausgearbeiteten Konzepten, die die Widerstandskraft und Selbstverantwortung der Mitarbeitenden stärkt. 

Reicht das, um Mitarbeitende wirklich zu binden?

Aber reichen Employer Branding und BGM-Konzepte aus, um Mitarbeitende anzuziehen und im Unternehmen zu halten? Klar ist, wenn Mitarbeiter unter ihrer Führung oder der Stimmung im Team leiden, kann das Unternehmen noch so toll positioniert und das BGM noch so förderlich sein – das sorgt nicht für Mitarbeiterbindung. Beides sind zwar wichtige Disziplinen, aber am Ende doch nur Dekoration neben den wirklich relevanten Parametern. 

Und ja, vielleicht gibt ein Mitarbeiter an, dass er das Unternehmen gewechselt hat, weil er für sich keine Weiterentwicklungschancen gesehen hat. Nur: Wer Spaß und Erfolg in seinem Team hat und eine wertschätzende, motivierende Führungskraft, wird sich diesen Schritt zehnmal überlegen. 

Damit Employer Branding und BGM wirklich ihre volle Wirkkraft entfalten können, sollte in Führungskompetenz und Unternehmenskultur investiert werden. Ansonsten verpuffen nämlich alle guten Bemühungen zur Mitarbeiterbindung im Angesicht des Arbeitsalltags, weil die innere Realität nicht zum gut inszenierten äußeren Erscheinungsbild des Unternehmens passt. 

Welchen Wert hat ein Mitarbeiter?

Der Faktor Mensch, der heute so wichtig ist, erfordert von Führung und Unternehmenskultur, dass sie menschlich sind. Nur Mitarbeitende, die das Gefühl haben, unterstützt und respektiert zu werden und nicht nur ein Leistungserbringer auf zwei Beinen zu sein, fühlen sich wirklich in Unternehmen eingebunden. Gerade Wertschätzung ist eines der wichtigsten Instrumente der Mitarbeiterbindung. Echte Wertschätzung schafft eine Zufriedenheit, die mit keinem BGM-Konzept in der Weise erreicht werden kann. 

Doch das mit der Wertschätzung, das ist so eine Sache. Viele Führungskräfte sind dafür bekannt, Lob äußerst sparsam zu vergeben. Mitarbeitende müssen es sich oft hart verdienen. Dabei ist positive Bestärkung das Motivationstool Nummer eins – ganz plakativ kann das bei Kindern und Hunden beobachtet werden. Ein Hund, der für etwas gelobt wird, versteht, dass der Mensch mehr von diesem Verhalten möchte und wird es deshalb häufiger zeigen. Ein Kind, das bestärkt wird und jemanden im Rücken hat, der an es glaubt, wird sich mehr zutrauen und evtl. Hemmnisse und Ängste besser überwinden als eines, dessen strenge Mutter mit verschränkten Armen auf die nächste Niederlage wartet.

Schwierige Mitarbeitende, sind wichtige Mitarbeitende

Natürlicherweise ist es nicht so einfach, jeden Mitarbeitenden zu wertschätzen. Es wird die geben, bei denen es von allein funktioniert und es wird die geben, um die man gern einen Bogen macht. Aber gerade die Mitarbeiter, die Konter geben, schwierig sind und nicht alles abnicken, haben enorm positives Potenzial für ihre Teams. Es lohnt sich also, regelmäßig tiefergehende Feedbackgespräche zu führen und die Menschen hinter den Mitarbeitern näher kennenzulernen. Was treibt sie an? Aus welchem Grund stehen sie morgens auf? Was wollen sie vom Leben? Welche Pläne haben sie? Wie sind sie in dieses Unternehmen, auf diese Position gekommen? Je mehr eine Führungskraft über die Bedürfnisse jedes einzelnen Teammitglieds weiß, desto einfach wird es ihr fallen, sie dahingehend zu fördern.

Würde es einem Mitarbeiter, der eher introvertiert ist, helfen, wenn er zwei Tage in der Woche Homeoffice machen könnte? Kann man eine Kooperation mit einem international tätigen Partner eingehen, damit ein junges Talent im Team Auslandserfahrung sammeln kann, ohne das Unternehmen verlassen zu müssen? Ist es bei der nachtaktiven Kollegin Schmidt wirklich wichtig, wann sie arbeitet oder kann die Fokussierung mehr auf ihre Leistung gerichtet werden?

Vorbild Führung

Die Führungskraft geht stets als Vorbild voran – auch wenn sie ein schlechtes ist. Sobald die Führungskraft aber daran arbeitet, jeden aus dem Team kennenzulernen und entsprechend zu fördern, wird auch eine Veränderung innerhalb des Teams stattfinden. Wer nicht um Lob konkurrieren muss, der kann sein Wissen teilen, muss nicht seine Stellung verteidigen und wird hilfsbereiter. 

Um das erfolgreich zu schaffen, braucht Führung ein anderes Mindset als in den letzten Jahren. Statt sich als allwissend und unangreifbar zu positionieren, braucht es heute Begegnung auf Augenhöhe. Dazu gehört zum Beispiel mit dem Team gemeinsam Entscheidungen und Vorgehensweisen zu entwickeln, statt sie einfach vorzugeben. Dadurch wird – nicht von heute auf morgen, aber mit der Zeit – die Selbstverantwortung der Mitarbeitenden steigen und sie werden sich mehr und mehr trauen, ihre wirklichen Potenziale zu entfalten. Erleben Mitarbeitende damit Erfolge, steigen ihre Selbstwirksamkeit und Motivation. Es gibt kein wirksameres Mittel gegen zurückgelehnten, über alles und jeden meckernden Dienst nach Vorschrift. 

Nur, wie anfangen?

Der erste Schritt ist oft der schwierigste. Wir unterstützen Sie und Ihr Team gerne in diesem Prozess und geben unser Wissen und unsere Erfahrungen weiter, damit die Mitarbeiterbindung in Ihrem Unternehmen nachhaltig verbessert wird.