Selbstführung – eine Kernkompetenz im Leadership

Bei vielen Führungskräften liegt der Fokus auf den Mitarbeitern und den Zielen des Unternehmens. Sie lernen in Coachings, Aufgaben zu delegieren und zu kontrollieren, Feedback zu geben, Konflikte zu lösen und Mitarbeiter zu motivieren. Oftmals vergessen Führungskräfte dabei allerdings, dass sie auch selbst ein Teil des Systems sind. Der Fokus sollte in erster Linie auf ihnen selbst liegen. Denn nur, wer sich selbst gut führen kann, dem folgen auch andere. Die Selbstführung bezeichnet dabei den Umgang mit sich selbst, wie wir uns motivieren, planen, es schaffen an Themen dranzubleiben und dabei als Führungskraft auch eine Vorbildrolle für die Mitarbeiter einnehmen. Selbstführung geht somit noch ein ganzes Stück weiter als Selbstmanagement oder Stressmanagement. Es gibt bereits zahlreiche Publikationen und Fachartikel, die sich dem Thema Selbstführung widmen und sehr gute Ansätze haben. Gerne möchten wir deshalb im Folgenden auf eher unbekannte Aspekte eingehen, die als Teil der Selbstführung, insbesondere für Führungskräfte, persönliche Entwicklung ermöglichen.

Konstruktive Gedankenmuster in der Selbstführung

Gedankenmuster, sprich das Mindset oder die inneren Dialoge mit uns selbst und die daraus resultierenden Verhaltensstrategien, sind ein wichtiger Faktor der Selbstführung. Eine Führungskraft und auch die Mitarbeiter haben einerseits Erfolge, doch anderseits auch Misserfolge. In der Selbstführung ist es wichtig, zu definieren, wie wir damit umgehen. Welche Emotionen und Gefühle dabei in uns aufkommen und wir uns daraufhin verhalten. Bei konstruktiven Gedankenmustern geht es darum, welche Dauer, welchen Geltungsbereich und welche Personalisierung wir dem Erfolg und dem Misserfolg geben. 

Der amerikanische Psychologie-Professor Dr. Martin Seligman hat jahrzehntelang zu negativen automatischen Gedanken geforscht. Er geht davon aus, dass, wenn Menschen sich in schwierigen Situationen in eine Art der Hilflosigkeit hineinmanövrieren, dies mit bestimmten Denkmustern zusammenhängt. Ebenso zeichnet auch besonders erfolgreiche Menschen ein Denkmuster aus. So sind diese bei erfolgreichen Sportlern, Verkäufern, Führungskräften oder Politikern sehr ähnlich. Außerdem erwies sich, dass diese Denkmuster von so entscheidender Bedeutung sind, dass man daran sogar sehr gute Vorhersagen über den Erfolg einer Person treffen kann. Zudem lässt sich auch vorhersagen, wie schnell sich jemand von Fehlschlägen erholt und wie konstruktiv Misserfolge verarbeitet werden. Im Folgenden gehen wir noch ein bisschen tiefer auf die Gedankenmuster ein, die einen Teil der Selbstführung ausmachen. 

Wir wirken automatische Gedanken? 

Professor Seligman stellte fest, dass wir vor allem mit automatischen Gedanken eine Situation einschätzen. Diese können entweder hilfreich oder blockierend sein. Damit eine Person erfolgreich sein kann, geht es darum, wie sie negative oder positive Ereignisse verarbeitet – und nicht darum, ob sie mehr von den einen oder anderen hat. 

Die Dauer 

Mit der Dauer ist gemeint, dass es eine entscheidende Rolle spielt, ob eine Person bei einem negativen Ereignis davon ausgeht, dass es immer so weitergeht. Dazu ein kleines Beispiel: Stellen Sie sich einen Telefonverkäufer vor, der einen Kunden anruft. Der Kunde reagiert negativ und legt schnell wieder auf. Jetzt sagt der Verkäufer: „Immer erwische ich solche Kunden – hört das denn nie auf …“ Er stuft die Dauer somit pessimistisch ein. Passiert es jetzt, dass er nach einem dritten Anruf einen interessierten Kunden und ein gutes Gespräch hat, dann mag er dazu neigen, dies als Ausnahme zu sehen. Somit stuft er auch ein positives Erlebnis in der Dimension „Dauer“ pessimistisch ein. Kommen diese Gedanken nicht nur, wenn ein Tag mal schlecht läuft, sondern werden sie zur Regel, dann ergibt sich schnell ein Kreislauf von der sich selbst erfüllenden Prophezeiung und der Telefonverkäufer wird immer mehr Stress und immer weniger Erfolge erleben. 

Der Geltungsbereich 

Um den Geltungsbereich näher zu erläutern, bleiben wir wieder beim Beispiel unseres Telefonverkäufers. Insgesamt hat er zehn technisch sehr anspruchsvolle Produkte zu verkaufen. Zwei davon sind neu und er kennt sich damit noch nicht so gut aus. Eines dieser Produkte wollte er einem Kunden nahebringen, doch das hat nicht gut funktioniert. Jetzt zieht er den allgemeinen Rückschluss: „Ich kann einfach nicht gut verkaufen.“ Er ordnet dem negativen Ereignis „Kunde kauft nicht“ somit einen sehr weiten Geltungsbereich zu. Durch die Verallgemeinerung stellt er gleich sein ganzes Können infrage und behindert sich damit weit mehr, als wenn er z. B. die Aussage trifft: „Bei diesen beiden Produkten bin ich noch nicht so fit, da muss ich mich noch schulen.“

Die beiden Dimensionen „Dauer“ und „Geltungsbereich“ entscheiden darüber, wie eine Person handelt und welches Verhalten sie an den Tag legt. Wer in diesen beiden Punkten pessimistisch ist, wird sich in seinem Handeln einschränken lassen bis hin zum schlimmsten Fall, dass man vollkommen gelähmt ist und gar nichts mehr tut. Denkt man in den beiden Dimensionen eher konstruktiv, wird man Fehlschläge sehr schnell überwinden.

Personifizierung

Die Personifizierung bezeichnet, wen ein Mensch als Ursache für positive oder negative Ereignisse ansieht. Bleiben wir auch hier bei unserem Telefonverkäufer. Hat dieser einen unfreundlichen, kurz angebunden Kunden und reagiert darauf wie folgt: „Ich hätte meinen Einstieg ganz anders machen müssen. Wäre ich lockerer gewesen, hätte es geklappt!“, sieht er sich selbst als alleinige Ursache für Misserfolg. Doch auch bei einem freundlichen und interessierten Kunden kann er durchaus pessimistisch reagieren und es als Glück abtun, dass dies passiert ist. Dadurch spricht er sich selbst keinen Anteil an den positiven Ereignissen zu. Eine solche Haltung wirkt sich vor allen Dingen auf das Selbstwertgefühl aus. Jemand, der sich bei Misserfolgen immer selbst als Ursache sieht, bei Erfolgserlebnissen aber immer die günstigen Umstände für verantwortlich hält, kann gar nicht viel Selbstwertgefühl entwickeln.

Zusammenfassung: konstruktive Gedankenmuster 

Zusammenfassend kann man sagen, dass die erfolgreichen Denkmuster darin bestehen, Misserfolge als im Moment einmalig zu betrachten, sie sehr spezifisch wahrzunehmen (bei diesem einen Kunden, in dieser besonderen Situation) und sich selbst nicht als alleinige Ursache eines Misserfolgs zu begreifen. Während man bei Erfolgserlebnissen eher davon ausgeht, dass das jetzt so weitergehen wird („meine Glückssträhne hat gerade angefangen!“), das eigene Können eher generalisiert („Verkaufen liegt mir einfach!“) und den eigenen Anteil am Erfolg erkennt. Auch für die Selbstführung ist dieser Gedanke entscheidend. Insbesondere Führungskräfte sollten sich ihre Gedankenmuster bewusst machen. 

Visionen entwickeln – Ziele setzen

Wenn wir hier etwas weiterdenken, so steckt im Wort Führung oder Führungskraft auch verborgen, dass diese sich selbst oder andere zu etwas führen. Auch die Mitarbeiterführung impliziert, dass wir unsere Mitarbeiter zu etwas bestimmen führen. Bei der Selbstführung ist es ähnlich, wir führen uns selbst – die Frage ist nur wohin? Wer sich im Kreis führt, wird nicht weit kommen. Aus diesem Grund ist es wichtig, eine Vision zu haben und sich daraus Ziele abzuleiten. 

Kurzfristig vs. langfristig

Visionen sind grundsätzlich größer und weiter gefasst als Ziele. Wenn wir nach der SMART-Formel vorgehen, dann sollten die Ziele spezifisch, messbar, attraktiv, relevant und terminiert sein. Hierbei gilt es jedoch immer zu bedenken: Wir überschätzen oft, was wir in kurzen Zeiträumen schaffen. Dadurch stecken wir uns oft zu hohe Ziele und hören auf diese zu verfolgen. Auf der anderen Seite unterschätzen wir jedoch auch, was wir über lange Zeiträume erreichen können und halten unsere Visionen deshalb oft zu klein. 

Im der Selbstführung oder im self-leadership, wie es heute gerne genannt wird, leisten Visionen einen wichtigen Beitrag. Es ist wichtig diese zu visualisieren, dabei gibt es allerdings einen kleinen Haken. Unser Gehirn ist nicht besonders gut darin, Fiktion und Realität zu unterscheiden. Daher kann es passieren, dass bei der reinen Visualisierung einer Vision, das Gehirn das als schon geschehen hinnimmt, die entsprechenden Glückshormone ausschüttet und wir dann nichts weiter dafür unternehmen, um unsere Vision wahrwerden zu lassen. 

Die Forschung von Gabriele Oettingen liefert in diesem Zusammenhang interessante Erkenntnisse. Sie hat gezeigt, dass die Umsetzungsrate steigt, wenn man sich zusätzlich mit den zu erwartenden Hürden auseinandersetzt. 

Erfolg durch Wenn-dann-Pläne 

Um den Hürden entsprechend zu begegnen, helfen Wenn-dann-Pläne. Gabriele Oettingen beschreibt und belegt in Studien, wie man es schaffen kann, seine Wünsche in die Tat umzusetzen. Ihr Trick ist folgender: Man beginnt in der Tat mit einem Wunsch. Doch statt damit dann auch aufzuhören, also nichts weiter zu tun, als sich in „Wunschträumen“ zu ergehen, befasst man sich auch mit den Hindernissen, die der Erfüllung dieses Wunsches entgegenstehen. Wenn man nun feststellt, dass es unüberwindliche äußere Hindernisse gibt, dann sollte der intelligente Mensch in der Lage sein, sich zu sagen. „Okay, wir stellen das jetzt mal hintan, bis sich die Verhältnisse ändern!“ sprich, Wünsche, die sich partout (zumindest zum jetzigen Zeitpunkt) nicht erfüllen lassen, in die sollte man auch keine Energie investieren. Doch wenn man einen Wunsch hat, den man für machbar und realisierbar hält, dann sollte man sich auf die Suche machen nach den inneren Hindernissen, die einen bislang davon abgehalten haben, den Wunsch wahr werden zu lassen. 

Nehmen wir als einfaches Beispiel: Herr Müller hat den Wunsch zehn Kilo abzunehmen. Diesen Wunsch hat er schon seit zehn Jahren, aber alle noch so betörend schönen inneren Bilder von ihm mit schlanker Silhouette haben höchstens dazu geführt, dass er vor lauter Frust beim Blick in den Spiegel noch eine Praline als Trost brauchte. Nun versucht es Herr Müller auf dem neuen Weg: Er stelle sich vor, dass er langsam aber stetig so viel abnimmt, wie er es sich wünscht und sich dadurch viel besser fühlt, leichter, gesünder und attraktiver. Dann beschäftigt er sich mit den inneren Hindernissen. Warum kann Herr Müller keine Diät dauerhaft einhalten? Weil es so viele Verlockungen gibt. Weil er insgeheim denkt „Ich schaffe es sowieso nicht“. Weil er denkt „Ich habe jetzt aber so entsetzlich Lust auf ein Stück Sahnetorte“ und wenn er schwach geworden ist, glaubt er „Jetzt ist eh alles egal“ und wirft wieder einen guten Vorsatz über Bord. Nun ist Herr Müller sich über seine inneren Hindernisse im Klaren. Und jetzt macht er sich einen simplen „Wenn-dann-Plan“. Also „Wenn ich etwas Verlockendes zu essen sehe, dann erinnere ich mich sofort daran, was mir eigentlich wichtig ist!“ Oder „Wenn ich denke, dass ich es sowieso nicht schaffe, dann male ich mir aus, wie gut ich mich morgen fühlen werde, wenn ich mich daran erinnere, dass ich es gestern geschafft habe“. Oder „Wenn ich mal schwach geworden bin, dann weiß ich, dass das einmalig war, und mache wie gehabt mit meiner Diät weiter.“  Die Methode, nach den inneren Hindernissen zu schauen, die sich selbst gegenüber zuzugeben und dann einen einfachen Weg zu suchen, mit diesen Hindernissen umzugehen, gibt nicht nur auf der bewussten Ebene eine echte Hilfestellung, sondern verleitet offenbar auch unser Unbewusstes dazu, ebenfalls Strategien zu entwickeln, wie wir diese Hindernisse überwinden können. Und dann ist es plötzlich gar nicht mehr so schwer. 

Sprache und Selbstführung 

Ein Punkt, der beim Thema Selbstführung erstmal gar nicht so offensichtlich ist, ist unsere Sprache. Mithilfe dieser können wir allerdings unser Selbstführung positiv beeinflussen. Mechthild R. von Scheurl-Defersdorf hat die Wirkung des Gebrauchs unserer Sprache auf uns selbst erforscht. Es ist beispielsweise erstaunlich, wie häufig wir das Wort „müssen“ benutzen und welche Wirkung erzielt werden kann, wenn wir den Gebrauch erheblich reduzieren. Dabei hilft es, dass wir Aufgaben umformulieren und daraus „Vorhaben“ machen. Aus „ich muss noch den Kunden anrufen“, „ich muss noch ein Meeting mit den Führungskräften organisieren“ und ich „muss nachher die Kinder von der Schule abholen“ wird dann, „Ich will den Kunden anrufen, dann möchte ich noch ein Meeting organisieren und später werde ich meine Kinder abholen.“ Auch das Wörtchen „aber“, welches wir oft im alltäglichen Sprachgebrauch haben, beeinflusst uns und andere. Dieses scheinbar kleine Wort hat enorme Wirkung. Gerne benutzen wir es selbst, um Ausreden zu finden, warum wir etwas nicht tun können. Zum Beispiel: „Ich möchte jetzt so gerne eine Runde Laufen gehen, aber es regnet, die Wäsche wartet noch und ich fühle mich heute nicht gut.“ Es gibt noch weitere Beispiele, die zeigen welchen Einfluss die Sprache und Worte auf die Selbstführung haben, doch auch die Zeiten spielen eine große Rolle.

Der Einfluss von Zeiten

Der richtige Gebrauch der Zeiten kann einen großen Einfluss auf die Gelassenheit bei der Erledigung von Aufgaben haben. So denken wir häufig „Ich muss noch die Präsentation fertigmachen, meinem Chef Zahlen für das Quartal zusammenstellen, meinen Flug für die Dienstreise nächsten Monat buchen, die Unterlagen für ein Meeting zusammenstellen, hierfür den Raum herrichten, usw.“ Neben dem Wörtchen müssen, dass wir schon zuvor als negativ für die Selbstführung identifiziert haben, suggeriert ein solcher Gedankengang unserem Gehirn, dass im Prinzip all diese Dinge gleichzeitig passieren sollten, und zwar jetzt sofort, da sie im Präsens formuliert sind. Da ist es nicht verwunderlich, dass wir uns schnell überfordert fühlen, obwohl nur die Präsentation jetzt sofort gemacht und alles andere noch Zeit hat. Das heißt, ein Gedankengang wie „Ich mache jetzt als erstes die Präsentation fertig, dann werde ich heute noch meinen Flug buchen. Morgen werde ich die Quartalszahlen aufbereiten und anschließend anfangen, die Unterlagen für das Meeting zusammenzustellen“ entstresst sofort und man kann die Punkte wesentlich gelassener nacheinander abarbeiten. 

Fazit: Selbstführung – eine entscheidende Fähigkeit

Eine erfolgreiche Selbstführung hilft Menschen, ihre Gefühle und Emotionen konstruktiv zu verändern und positiv zu beeinflussen. Das Erlernen von Strategien und Methoden zur Selbstführung während eines Coachings ist hilfreich und stärkt das self-leadership. Ganz nebenbei leisten sie auch noch einen wertvollen Beitrag zu mehr Glück und Gesundheit, da sie durch eine gute Selbstführung Stress und Anspannung erfolgreich abbauen. Gerne unterstützen wir Sie auf diesem Weg: im Coaching, Training, in Seminaren und mit den für Sie passenden Methoden.