Homo Capirgarnix oder was Sokrates schon wusste

| Alice Dehner
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Aus der Zeitung erfährt man ja selten etwas Gutes - und selbst wenn es auf den ersten Blick gut scheint, denkt der gewitzte Mensch heute erst mal „Abwarten - c’est ne tout pas d’or qui brille !“ oder so. Entschuldigen Sie mein Französisch, ich übe nur schon mal, sollte das jetzt, Macron sei Dank, die Amerikanismen ablösen, die gerade so unangenehme, um nicht zu sagen degoutante, Assoziationen auslösen. Aber es stehen doch immer wieder interessante Sachen drin.

 

Kürzlich konnte man also in der Zeitung lesen, dass die Entwicklung der Menschheit doch schon um etliches früher begann, als die Wissenschaft bislang geglaubt hatte. In meinen Augen kommt es bei diesen Zeiträumen zwar auch nicht mehr auf ein paar hunderttausend Jahre hin oder her an - das ist wie bei den Bankern, wenn es um Millionen geht. Ein paar hundert hin oder her, ist doch Peanuts, Hauptsache es sind nicht die Boni der Top-Manager, die womöglich gekürzt werden, da können die Leute plötzlich unheimlich penibel rechnen.

 

Ich las also trotz der Tatsache, dass ich mir diese gewaltigen Zeiträume eh nicht vorstellen kann, mit Interesse, dass man Knochen von unseren Altvorderen fand, die nun zweifelsfrei der Sorte „Homo erectus“ zugeordnet werden. Die Sorte ist leider ausgestorben. Das wissen Leser des Politik- und des Wirtschaftsteils der Zeitung schon lange, aber nun weiß es die Wissenschaft auch. Ist doch schön. Was sie noch nicht wissen, was sich jedoch von einer bloßen begründeten Vermutung durchaus bald zu einer gesicherten Erkenntnis verdichten dürfte: Der „Homo sapiens“ ( sapiens: verständig, vernünftig, klug, weise, einsichtsvoll) ist auch ausgestorben - falls es ihn je gegeben hat.

 

Oder wie erklären Sie sich, dass die meisten Menschen bei Gefahr etwas tun, was dem Vogel Strauß im Leben nicht in den Sinn käme? Der wäre niemals so blöd, seinen Kopf in den Sand zu stecken, wenn es brenzlig wird! Wir aber nun! Lugen schlechte Nachrichten mit häßlichem Grinsen um die Ecke, gucken wir angestrengt in die andere Richtung. Je dräuender die Gefahr, desto konsistenter unsere Weigerung, Informationen zur Kenntnis zu nehmen: Stürzen die Aktienmärkte ab, hören Investoren mit hoher Wahrscheinlichkeit auf, ihr Depot zu kontrollieren; je stärker die Symptome, desto geringer die Neigung zum Arzt zu gehen; und auch Manager meiden Nachrichten, die unverschämterweise nicht zu ihren Erwartungen und Wünschen passen, wie die Pest. Das belegen mit ihren Nachforschungen unter anderem die Sozialwissenschaftler Russell Goldman, David Hagman und George Loewenstein von der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh, die einen Haufen Forschungsliteratur ausgewertet haben.

 

Bevor man jetzt vollends in kulturpessimistischen Trübsinn verfällt, will ich jedoch auf die Arbeit anderer Forscher aufmerksam machen, die sich Gedanken gemacht haben, weshalb so viele Studien, die erst gefeiert wurden, sich hinterher als falsch erwiesen. Nachdem sie ebenfalls einen Haufen Literatur gewälzt haben, stellten sich vier Kriterien als verlässliche Anzeichen dafür heraus, dass man eine Studie getrost in die Tonne treten kann, eines davon: Die Studie kommt aus Amerika. Sollten Sie also in Zukunft in der Zeitung lesen „Wie amerikanische Forscher herausgefunden haben…“ : Be on your guard! Oder wie wir Europäer sagen: „Ces informations sont à prendre avec prudence!“

 

Was wir jedoch mit Sicherheit sagen können und zwar in allen Sprachen der Welt und bekanntermaßen ja schon seit den alten Griechen: Wir wissen Nicht - mit großem N! Wir wissen also noch nicht einmal mit wissenschaftlicher Sicherheit, ob wir wirklich so blöd sind oder ob wir nur so tun. Ist doch irgendwie tröstlich, oder? Es lebe der Homo ridens! Der ist eh noch der sympathischste unter den Burschen. Er ist mir jedenfalls lieber als der Homo oeconomicus - den es, inzwischen schon älteren Forschungen zufolge, ja sowieso nie gegeben hat, den hat sich die Wissenschaft bloß ausgedacht, um sich ein Weltbild zu basteln, das ihren Erwartungen und Wünschen entspricht - vom Homo politicus, der ja ganz häufig ein Homo monstruosus ist, ganz zu schweigen. Ach was soll’s, Hunde sind eh die besseren Menschen…und Pferde bekanntlich die besseren Denker.