Mitgedacht, aber nicht mitgenannt?

Warum ist Gendern überhaupt Thema? Wieso reicht das generische Maskulinum nicht mehr aus? Sprache hat einen enormen Einfluss auf unser Denken – und so hat auch das Nicht-Einbeziehen anderer Geschlechter Folgen. Dazu durchgeführte Studien bestätigen: Wo ausschließlich die männliche Form genutzt wird, da wird auch nur an Männer gedacht.
kw7-gendern.jpg

Das Thema Gendern hat also tatsächlich einen sprachpsychologischen Hintergrund. Was nicht heißt, dass jahrelang das generische Maskulinum eingesetzt wurde, um andere auszuschließen. Man hatte sich nur nicht damit befasst, welche Assoziationen die Worte wecken – nämlich vornehmlich auch männliche.

Dazu ein Beispiel. In einer Studie bekamen die Probanden verschiedene Satzkombinationen präsentiert und wurden danach gefragt, ob der jeweils zweite Satz eine sinnvolle Fortsetzung des ersten Satzes sei. Eine Kombination hieß: „Die Sozialarbeiter liefen durch den Bahnhof. Aufgrund der schönen Wetterprognose trugen mehrere der Frauen keine Jacke“. Wie lange die Probanden für ihre Antwort brauchten, zeichnete eine Reaktionszeitmessung auf. Die Studie verfolgte das Ziel herauszufinden, wie gut die Sprache mit den dabei im Kopf hervorgerufenen Bildern zusammenpasste.

Haben Sie beim Beispielsatz auch kurz gestockt? Das würde zum Ergebnis der Studie passen. Die Reaktionszeit war immer dann verlangsamt, wenn im zweiten Satz von Frauen die Rede war. Daraus können wir schließen, dass das im ersten Satz genutzte generische Maskulinum in unseren Köpfen Bilder von Männern erzeugt. Sobald im Anschlusssatz von Frauen die Rede ist, sind wir irritiert.

Ein weiteres Beispiel ist der Beruf „Physiker“. Höchstwahrscheinlich stellen Sie sich dabei eher einen Mann im Kittel vor, der experimentiert. Jetzt ist dieser Beruf hinzukommend stereotyp männlich besetzt, doch dasselbe passiert, wenn von Kosmetiker und Tänzer die Rede ist. Obwohl es stereotypisch weiblich besetzte Berufsfelder sind, erscheint das Bild eines Mannes vor unserem inneren Auge.

Die positiven Effekte

Gendern macht Frauen sowie andere Geschlechter sichtbar und hilft somit, Geschlechterstereotype zu reduzieren. Eine Studie zeigte, dass sobald Stellenanzeigen nicht im generischen Maskulinum verfasst und weniger männliche Attribute wie Wettbewerb oder Führung genutzt wurden, sich tatsächlich mehr Frauen auf die Stelle bewarben. Auch an Kindern geht die Macht der Sprache nicht spurlos vorüber. Ein Experiment, das mit 600 Grundschulkindern durchgeführt wurde, zeigte, dass Mädchen sich viel eher an stereotypisch männliche Berufsfelder herantrauten, sobald diese gendergerecht präsentiert wurden. Auch die Jungen wählten wesentlich häufiger stereotype Frauenberufe.

Die negativen Effekte

Gendern irritiert, ist mühselig und anstrengend – die Sprachforschung zeigt, dass Menschen Sprachwandel eher als negativ empfinden. Hinzukommt, dass Gendern im Deutschen aufgrund unserer Grammatik komplex ist, im Englischen sieht das schon anders aus. Gendern beeinträchtigt die Lesbarkeit von Texten und wirkt zuweilen überbetonend – nämlich dann, wenn das Geschlecht überhaupt keine Rolle spielt. Durchs Gendern tritt dann der Unterschied von Mann und Frau unverkennbar hervor. Somit hat es oft etwas Trennendes statt Verbindendes.

Sinnvoller ist, eine neutrale Sprache zu verwenden – also eine, die sich an kein bestimmtes Geschlecht richtet. Damit ergeben sich Lesefluss massiv behindernde Sternchen, Schrägstriche, Unterstriche oder Doppelpunkte von selbst.

Im Business Podcast von Alice Dehner gibt es noch viele weitere Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken.