Motivation oder der Esel mit der Karotte vor der Nase?

Motivation spielt eine entscheidende Rolle im Arbeitsumfeld. Das Idealbild wäre, wenn Mitarbeitende sich vollständig mit ihrem Unternehmen und dessen Zielen identifizieren, Experten auf ihrem Gebiet und bis in die Haarspitzen motiviert sind. Leider sieht die Realität oft vollkommen anders aus. Viele Führungskräfte fragen sich, wie sie ihr Team besser motivieren können, da sie das Gefühl haben, dass diese zu wünschen übriglässt. Manche Mitarbeitende leisten lediglich Dienst nach Vorschrift oder kommen immer wieder mit der Bitte um Gehaltserhöhungen. Daher stellt sich die Frage, wie sich die Motivation steigern lässt.
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Der Irrweg der extrinsischen Motivation

Sprechen wir von extrinsischer Motivation, denken viele an das Bild des Esels mit der Karotte vor der Nase. Jedoch möchte niemand gerne der „dumme“ Esel sein, der der Karotte hinterherläuft und doch nie sein Ziel erreicht. Und das zu Recht. Denn in Wahrheit funktionieren solche „Karotten“, meist in Form von Geld, nicht wirklich oder nur sehr kurzfristig. Viele von uns haben das selbst erlebt: Wenn wir eine Gehaltserhöhung erhalten, haben wir im nächsten Monat vielleicht 50 oder 100 € mehr auf dem Konto. Anfangs fühlt sich das großartig an, im zweiten Monat ist es immer noch nett, aber spätestens ab dem dritten oder vierten Monat nehmen wir es gar nicht mehr richtig wahr, da es Teil unseres Gesamtbudgets geworden ist und genauso schnell wieder ausgegeben wird. Forschungen haben gezeigt, dass bis zu einem gewissen Gehaltsniveau das Geld eine Rolle bei der Motivation spielt und die Existenzsicherung gewährleistet. Doch ab einem gewissen Punkt wird es zur Kosmetik. Überspitzt ausgedrückt könnte man behaupten, dass, wenn Mitarbeitende nach Geld fragen, bereits im Vorfeld etwas schiefgelaufen ist. Natürlich benötigen die Menschen in Zeiten von Inflation und immer weiter steigenden Lebenshaltungskosten ein höheres Gehalt zur Sicherung ihrer Existenz, aber grundsätzlich gilt die ursprüngliche Überlegung: Was ist im Vorfeld schiefgelaufen?

Menschliche Grundbedürfnisse und ihre Auswirkungen auf Motivation

Kompetenz, Autonomie und Zugehörigkeit sind angeborene psychologische Grundbedürfnisse des Menschen. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse führt laut Forschung zu Motivation und Glück. Extrinsische Motivationsmittel wie Gehalt, Dienstwagen, Bonuszahlungen oder andere Benefits setzen immer eine Form der Überwachung voraus, um festzustellen, wer am Ende welche Belohnung erhält. Diese Überwachung steht jedoch im Konflikt zu dem angeborenen Autonomiegedanken, der nicht befriedigt wird und somit zur Demotivation führt. Fast alle von uns haben es bereits selbst erlebt: extrinsische Motivationsmittel helfen nur kurzfristig und können sogar eher zur Demotivation führen. Heute wissen wir dank moderner Hirnforschung, dass der Mensch von Natur aus immer motiviert ist. Von Geburt an haben wir den Drang, Probleme zu lösen und sind dabei hochmotiviert. Dies lässt sich sehr gut bei kleinen Kindern beobachten, die versuchen, ein viereckiges Bauklötzchen in ein dreieckiges Loch zu stecken. Sie versuchen das Problem zu lösen, bis sie das richtige Loch gefunden haben. Niemand muss sie dazu motivieren oder anregen. Die Motivation ist bereits vorhanden. Daher stellt sich nicht so sehr die Frage, wie man jemanden motivieren kann, insbesondere extrinsisch, sondern vielmehr, was die angeborenen, sehr effizienten Motivationssysteme unseres Gehirns aktiviert. Noch wichtiger ist die Frage, was diese Systeme behindert oder stoppt. Wenn wir dies herausfinden, lässt sich viel besser einschätzen, was wir in Bezug auf Mitarbeitende vermeiden sollten, um deren intrinsische Motivation nicht zu behindern.

Motivationsmuster in der Schulzeit

Hinweise darauf, was Motivation behindert oder stoppt, lassen sich bereits im schulischen Umfeld finden. Die meisten 6-jährigen Kinder gehen hochmotiviert in ihren ersten Schultag und freuen sich darauf. Doch spätestens 1 bis 2 Jahre später sieht es mit der Motivation ganz anders aus. Lernen ist nicht mehr so spannend, wie es zu Beginn war. Hier ist etwas schiefgelaufen. Daher sollten Manager und Führungskräfte sich eher fragen, was sie tun oder lassen sollten, um die Motivation der Mitarbeitenden nicht zu bremsen oder zu stoppen, und wie sie die Motivation wieder steigern können, wenn sie durch das Schulsystem oder vorangegangene Vorgesetzte bereits beeinträchtigt wurde.

Die Lösung: Motive erkennen und fördern

Auf der Suche nach Antworten, wie man die Motivation von Mitarbeitenden aufrechterhält, wollen wir uns drei Motive nach dem Konzept von David McClelland genauer ansehen: das Leistungsmotiv, das Anschlussmotiv und das Machtmotiv.

Das Leistungsmotiv

Herausfordernde Situationen und Gelegenheiten, bei denen wir unsere Handlungen bewerten können, motivieren Menschen mit einem starken Leistungsmotiv. Sie lieben Situationen, in denen sie am Ende ein Ergebnis sehen, etwas erreicht haben und sagen können: „Wow, das habe ich geschafft. Ich habe dieses Problem gelöst.“

Das Anschlussmotiv

Personen mit einem ausgeprägten Anschlussmotiv werden durch Situationen motiviert, in denen sie Kontakt zu anderen aufnehmen und interagieren können. Dabei ist es für sie sogar interessanter, neue Menschen kennenzulernen, anstatt immer nur mit den gleichen Kolleginnen und Kollegen zu arbeiten. In Jobs, die viel Interaktion mit anderen erfordern, können diese Menschen ihre Motivation voll entfalten.

Das Machtmotiv

Personen, die das Machtmotiv haben, lieben es, andere zu beeinflussen, zu bewegen und Macht auszuüben. Sie setzen ihre Motivation in solchen Situationen frei und sind nicht selten vor allem in Führungsposition anzutreffen.

Um die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden zu steigern, ist es von großem Vorteil, ihre individuellen Motive zu erkennen. In Gesprächen lässt sich gut herauskristallisieren, was sie motiviert und wo ihre natürliche Motivation freigesetzt wird. Im Anschluss können Aufgaben dementsprechend angepasst oder neu verteilt werden. Ebenfalls wird durch die Überlegung der verschiedenen Motive deutlich, dass es nicht immer hilfreich ist, den fachlich besten Mitarbeitenden zur Führungskraft zu befördern und die Karriere ausschließlich über Führungsverantwortung zu definieren. Ein Mitarbeitender mit einem Anschlussmotiv kann sich gut in einer Führungsrolle fühlen und darin erfolgreich sein. Es ist jedoch möglich, dass er oder sie auch im Vertrieb gut aufgehoben ist, da dort viel Interaktion mit anderen Menschen stattfindet. In unseren Coachings treffen wir auch Führungskräfte, die die Führung von Mitarbeitenden als lästig empfinden und ihre Energie lieber in kreative Projekte stecken möchten, ohne großen bürokratischen Aufwand. Sie sind leistungsmotiviert, aber für Führungsverantwortung weniger geeignet. Daher lohnt es sich, die gängigen Karrierekonzepte in Unternehmen weiter zu hinterfragen und zu überlegen, wie verschiedene Motivatoren genutzt werden können, ohne dass Mitarbeitende, die nicht für Führungsaufgaben geeignet sind oder darin keine Motivation finden, auf der Strecke bleiben.

Der positive Effekt passender Aufgaben

Generell fallen uns Aufgaben, die zu unserem Motiv passen, viel leichter und wir empfinden sie als weniger mühsam. Dadurch kommen wir schneller in einen „Flowzustand“. Dieser wiederum führt zu einer höheren Motivation für zukünftige Aufgaben und zu einer besseren Energiebilanz. Im Vergleich dazu erfordern Aufgaben, die unserer Motivation widersprechen, mehr Energie und können zu Stress und geringerer Resilienz führen. Führungskräfte sollten daher versuchen, den Mitarbeitenden so wenig wie möglich im Weg zu stehen, indem sie ihre Motivatoren freisetzen und sie nicht behindern. Sie sollten gezielt fördern und entsprechend der Motive coachen – dadurch wird die intrinsische Motivation weiter gestärkt.

Fazit

Die extrinsische Motivation durch äußere Anreize wie Gehaltserhöhungen erweist sich oft als kurzlebig und nicht nachhaltig. Stattdessen sollten Führungskräfte darauf abzielen, die intrinsische Motivation der Mitarbeitenden zu steigern. Indem sie die individuellen Motive der Menschen erkennen und fördern, können sie eine Arbeitsumgebung schaffen, in der sich ihre natürliche Motivation entfaltet. Dies führt zu einer höheren Zufriedenheit, einer verbesserten Leistung und einer besseren Resilienz. Indem Führungskräfte ihre Rolle als Motivator verstehen und die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden berücksichtigen, können sie eine positive und motivierende Arbeitskultur schaffen – ganz ohne Karotten vor der Nase.

Im Business Podcast von Alice Dehner gibt es noch viele weitere Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken.