Persönliche Handlungsfreiheit

| Ulrich Dehner
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Politische Freiheit ist uns gegeben (Zum Glück, möchte man heutzutage hinzufügen), Gedankenfreiheit ist uns gewährt, wir brauchen keinen Souverän mehr darum zu bitten, wir sind frei zu heiraten, wen wir wollen, wir können ein Geschäft eröffnen, wenn es uns beliebt, wir können uns entscheiden, tja… und da hakt es manchmal schon.

Wir uns entscheiden, müsste es eigentlich oftmals heißen. Denn die ganz persönliche Entscheidungsfreiheit - die erleben wir manchmal nicht. Nicht weil irgendein uns das verbietet. Das Verbot kommt von innen. Damit ist es mindestens so wirkungsvoll wie ein von außen kommendes Verbot, wenn nicht wirkungsvoller.

Dieses Defizit in der persönlichen Entscheidungsfreiheit hat mannigfache Auswirkungen, aber die gravierendste ist wohl, dass es unsere ganz persönliche Handlungsfreiheit stark einschränkt.

Wenn ich mich nicht frei entscheiden kann, was ich zum Beispiel studieren werde, weil ich es meinen Eltern recht machen will, dann besitze ich eben nicht die Freiheit, so zu handeln, wie es meinen Wünschen und vielleicht auch meinen Begabungen entspricht.

Wenn ich mich nicht entscheiden kann, mit dem Rauchen aufzuhören, obwohl die krankmachenden Anzeichen meines Zigarettenkonsums schon nicht mehr zu übersehen sind, dann habe ich unter Umständen nicht die Handlungsfreiheit, mein Leben weiterzuleben.

Wenn ich mich nicht entscheiden kann, dauerhaft meine Ess- und Lebensgewohnheiten zu ändern, obwohl ich unter meinem Zuviel (oder manchmal Zuwenig) an Gewicht in mehr als einer Hinsicht leide, dann habe ich nicht die Handlungsfreiheit, meine Lebensumstände selbst zu bestimmen.

Wenn ich mich nicht entscheiden kann, Menschen, die mich ausnutzen, ein entschiedenes „Nein“ entgegenzusetzen, dann habe ich nicht die Handlungsfreiheit, über die Verwendung meiner Kraft und meiner Zeit selbst zu bestimmen.

An Beispielen dafür, wann innere Blockaden uns daran hindern, etwas zu ändern, obwohl unser Leben davon abhängt, mangelt es nicht. Man sollte nicht vor den wuchtigen Worten zurückschrecken: Ob wir erfüllt und zufrieden das tun, was uns begeistert, ob wir stolz auf uns sind, ob wir umsetzen, was wir planen. Und manchmal hängt auch unser Über- Leben von unseren Entscheidungen ab. Wie gesagt, an Beispielen fehlt es nicht.

Was uns jedoch bislang fehlt, ist das richtige Verständnis dafür, weshalb Menschen es nicht schaffen, eine Freiheit für sich in Anspruch zu nehmen, die doch allen gegeben ist.

Veränderungsresistent, wenn es um ganz bestimmte Themen geht?

Weshalb, so fragen sich Viele mehr oder weniger verzweifelt, kann ich mich in diesem Punkt, der mir doch so wichtig ist, nicht ändern, obwohl es mir doch in anderen durchaus gelingt? Die Antwort, die die Betroffenen sich sehr häufig selbst geben, ist falsch!

Denn meistens wird mangelnde Willenskraft oder die Unfähigkeit „aus seiner Haut zu können“, dafür verantwortlich gemacht. Doch das stimmt einfach nicht! Niemand besitzt so viel Willenskraft, wie jemand der eine Diät macht! Und dann gar die fünfte oder sechste! Mehr Willenskraft hat kein Mensch - braucht er auch gar nicht, so viel Willenskraft ist mehr als genug. An der Willenskraft liegt es eher selten, wenn jemand seine Pfunde nicht los wird. Und es liegt auch nicht an der Willenskraft, wenn jemand die sorgfältig zurechtgelegten Worte, mit denen er seinen übergriffigen Kollegen in die Schranken weisen will, zum x-ten Male eben nicht ausspricht. Genauso wenig wie es an der zu engen Haut liegt, wenn jemand die Grenzen dessen, was er sich zutraut, nicht sprengen kann, weshalb er immer unter seinen Möglichkeiten bleibt.

Die Kluft zwischen dem, was man wirklich will und dem, was man an tatsächlichem Verhalten zeigt, lässt sich jedoch erklären. Die Erklärung ist sogar sehr simpel: Dieses Verhalten macht Sinn!

Es macht Sinn, weil man sich auf irgendeine Weise, die einem zunächst überhaupt nicht bewusst ist, selbst beschützt. Wenn man sich nichts zutraut zum Beispiel und deshalb nicht wagt, ein Projekt anzupacken, von dem jeder andere, außer einem selbst, weiß, dass man es locker bewältigen kann, dann liegt das vielleicht daran, dass man aus irgendeinem Grund verinnerlicht hat, dass man nie, niemals einen Fehler machen darf. Ein Fehler, das weiß man im tiefsten Innern ganz genau, hätte tödliche Konsequenzen. Die Ratio spielt dabei überhaupt keine Rolle: Ein solches „Wissen“ spielt sich auf einer viel tieferen Ebene ab. Dieses gefühlsmäßige „Wissen“ ist das, was das Verhalten bestimmt. Wenn ein Fehler fatale Folgen hätte, ist es doch absolut vernünftig, sich gar nicht erst in die Gefahr zu bringen, einen zu begehen. Also lässt man das Projekt bleiben - obwohl man sich „eigentlich“ nichts sehnlicher wünscht, als es anzupacken! Und schier verzweifelt bei dem Gedanken, weshalb man eigentlich „so blöd“ ist und sich diese Chance, zu zeigen, was man kann, mal wieder entgehen lässt, wie vorher vielleicht schon etliche Male.

Was ich mit dem Beispiel erhellen wollte: Verhalten, das resistent gegen Veränderung zu sein scheint, macht auf einer Ebene, die unserem Alltagsbewusstsein nicht unmittelbar zugänglich ist, durchaus Sinn, weil es uns beschützt vor einer Gefahr, die wir in der Vergangenheit einmal gefühlt haben, auch wenn wir uns jetzt nicht mehr daran erinnern. Dass dieses Verhalten inzwischen völlig kontra-produktiv ist, das erleben wir bewusst. Das ist die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit, von der ich oben gesprochen habe.

Mit IntrovisionCoaching lässt sich aufdecken, warum wir handeln, wie wir handeln - damit entwickeln wir ein tieferes Verständnis für uns selbst, was allein schon hilfreich ist: Wir sind keineswegs „blöd“, oder „unfähig“ oder „irrational“ oder „willensschwach“ oder was sonst immer wir uns unterstellen. Das kontra-produktive Verhalten lässt sich aber nicht nur verstehen, sondern auch verändern - hin zu dem, was wir eigentlich wollen. Damit gewinnen wir die Souveränität über unsere Entscheidungen und Handlungen - und besitzen die Handlungsfreiheit, die uns zusteht.