ADE, AU REVOIR, BYE BYE, SERVUS!

| Renate Dehner
Manches geht gerade futsch, Regierungen, politische Kultur, Vertrauen in alles mögliche, das Ersparte, da ist es doch an der Zeit, an die unsterblichen Worte eines leider längst vergessenen Liedermachers zu erinnern:
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„Wie sprach schon Tom der Reimer, wenn alles auch im Eimer ist, so bleibt uns doch der Eimer!“ Ich will mich heute also aus gegebenem Anlass einem von vielen Menschen ungeliebten Thema widmen, dem Abschied, den kann man immerhin nehmen, wenn das Leben freiwillig nichts gibt.

Manche unter uns gehen zwar soweit, zu behaupten „Ich hasse Abschiede!“ Das nützt aber nichts. Abschied ist im normal-menschlichen Leben ein Dauerthema, da kommt man nicht drum rum! Wir wollen in unserer Untersuchung jedoch die tragischen Varianten der endgültigen Abschiede außen vor lassen, sondern uns auf die Soziopathologie der alltäglich sich ereignenden beschränken.

Es gehört der Abschied zum Leben wie der Stuhlgang. Auch wenn wahrlich nicht jeder Abschied Scheiße ist, bleibt es doch dabei, man muss sich täglich von irgendwas verabschieden: Von der Jugend, damit verbunden von der Schönheit, von so manchen Illusionen, etwa um die vierzig rum vom Glauben an die eigene Unsterblichkeit und wer sich vom Glauben an die eigene Bedeutung verabschiedet, der zählt zu den Anwärtern auf Erleuchtung. Reinhold Messner, der letztgenannten Glauben wahrscheinlich noch besitzt, hat sich gerade vom Mount Everest verabschiedet: „Das ist nicht mehr mein Berg“ hat er gesagt, wobei mir ehrlich gestanden gar nicht bewusst war, dass der Mount Everest das Eigentum von Reinhold Messner war. Aber Schwamm drüber, Hauptsache die Ortsansässigen kriegen ihn zurück.

Doch kommen wir vom rein Persönlichen zum Allgemeinen: Im Moment scheint mir der Abschied besonders präsent zu sein im sogenannten öffentlichen Leben. Da regnet es sozusagen Abschiede. Es gibt welche, die wollen sich von der EU verabschieden, suchen aber seit drei Jahren vergeblich den Ausgang, was die, die ihnen mehr oder minder wohlwollend hinterherwinken wollten, inzwischen so ermüdet hat, dass sie nur noch abwinken. Wobei das mit dem Hinterherwinken allerdings überhaupt eine prekäre Sache ist. Wenn man sich mit vielen „Herzlichen Dank für das schöne Fest“ – Sagungen verabschiedet hat und beim Abfahren winkt einem die Gastgeberin so heftig hinterher, dass sie dabei wie ein wildgewordener Schachtelteufel auf und nieder hampelt, beschleicht einen doch das ungute Gefühl, dass die aber schon sehr froh ist, dass man endlich geht. Da haben die Briten vielleicht Glück, dass es soweit noch nicht gekommen ist. Kann aber noch werden.

Der österreichische Ex-Kanzler Kurz hat sich im Zusammenhang des Abschieds von seiner unsäglichen Koalition als ausnahmsweise zurückhaltend gezeigt, als er schlicht vermerkte „Genug ist genug!“ Nicht, dass es stimmen würde – also, nicht für jeden. Für Sie und mich vielleicht, was bleibt uns auch anderes übrig. Aber wem von denen, die meistens ohnehin schon sehr viel mehr haben, als ihnen von Rechts wegen zusteht, war genug je genug? Man kennt genügend traurige Beispiele von Typen, die offenbar nach dem Motto leben „Es muss im Leben mehr als alles geben!“ und den Hals nicht voll genug kriegen können. Also HC Strache zum Beispiel, der würde doch alles, was ihm nicht gehört, den österreichische Staat zum Beispiel, verscherbeln und wahrscheinlich doch niemals genug kriegen.

In der „Zeit“ vom 23. Mai war, wenig überraschend, das Ibiza-Video Titelthema. Was mich aber doch mächtig überrascht hat, war eine gewisse Wortwahl im Beitrag auf der Seite 3. Man weiß ja nun mit absoluter Sicherheit, dass die Nichte mitnichten eine Nichte war, aber war sie deshalb eine „Oligarchen-Neffin“? Was soll das sein, eine „Neffin“? Ist das womöglich die in Mitteleuropa nur noch selten vorkommende, daher vom Aussterben bedrohte, Abkömmlingin einer wildlebenden russischen Onkelin? Oder wollte da jemand einen gänzlich Ironie-freien und sachlichen Beitrag mit Ironie würzen und ich habe es nicht gemerkt? Kann ja passieren, dass die Ironie so verstohlen um die Ecke kommt, dass unbedarfte Männinen wie ich das nicht checken.

Da will sich die deutsche Sprache – nein, tun wir ihr nicht unrecht, es ist nicht die Sprache, die das will, sondern ein paar übereifrige Aktivistinnen – gerade von einer Männer- dominierten Ausdrucksweise verabschieden, was zu den dämlichsten (wahlweise herrlichsten) Auswüchsen führt, da wird ein grundehrlich nicht-diskriminierend geschlechtsspezifischer Begriff über die Zuordnungen in familiären Beziehungen in etwas verwandelt, was doch bestimmt nicht Gender-neutral zu nennen ist. Oder ist das österreichisch? Dann wäre alles klar, auch wenn man es nicht versteht. Davon, die Österreicher verstehen zu wollen, muss man sich schließlich auch verabschieden. So, jetzt ist aber gut! Ich schleich mich und sag zum Abschied leise Servus.