Digitale Dummheit

| Renate Dehner
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Nein, das artet jetzt nicht zu einem Lamento aus über meinen Mangel an Fähigkeiten, mir den Computer zu Diensten zu machen, im Sinne von, er tut, was ich will, denn ich kenne die Befehle. Immerhin ist es mir gelungen, mit ihm zu einem einvernehmlichen Miteinander zu kommen. Wir haben beide akzeptiert, dass ich ihn nicht kapiere - er kommt vom Mars und ich von einem kleinen, unbedeutenden Nebenmond eines weitgehend unbekannten Planetoiden vom äußersten Rand einer weit entfernten Galaxis. So sieht er das jedenfalls und ich lasse ihm den Glauben, dafür räumt er mir die Möglichkeit ein, ihn als Schreibmaschine zu benutzen, so haben wir beide was davon.

Doch, wie gesagt, darum geht es mir gar nicht. In der SZ las ich heute, am 17.September 2018, in der Rubrik „Netzkolumne“ etwas über die sogenannte künstliche Intelligenz. Sogenannt, weil: Die ist ganz schön doof! Weil sie sich nämlich noch leichter betrügen lässt als die einfältige Oma, der man mit dem Enkeltrick ihr Erspartes raubt. Michael Moorstedt schreibt: „Der beste Weg eine selbstlernende Maschine zu täuschen, ist, ihr falsche Dinge beizubringen. Der Fachbegriff dafür lautet Adverserial Example, also feindliches oder gegensätzliches Beispiel. Wenn sie diesen Daten ausgesetzt sind, scheinen die Maschinen zu halluzinieren, sie sehen Dinge als wahr an, die gar nicht da sind.“

Sowas kennt man ja von AfD und Pegida und Konsorten auch. Vielleicht hat man denen auch einfach nur die falschen Dinge beigebracht? Müsste man mal drüber nachdenken, wer da so alles als Geschichtslehrer unterwegs ist… Wie auch immer: Die künstliche „Intelligenz“  jedenfalls wird gerade als das Non-plus-ultra aller neumodischen Hypes gehandelt. Und was die nicht alles kann - mein lieber Herr Gesangverein!

Seit ich den oben zitierten Beitrag gelesen habe, beschleichen mich allerdings unheimliche Zweifel, ob der Jubel nicht doch ein bisschen verfrüht ist: „Die Bilderkennungsalgorithmen erschließen sich ihre Umgebung…nur durch die Analyse einer Ansammlung von Pixeln. Und wenn ein paar dieser Pixel manipuliert werden, kann eine KI vollkommen aus dem Konzept geraten. Für das menschliche Auge sind diese Verformungen nicht wahrnehmbar. Den Computer veranlassen sie dagegen, ein Foto oder einen Satz falsch einzuordnen….Da erkennt ein Algorithmus etwa auf einem Foto ein Gewehr, statt der abgebildeten Schildkröte. Ein Mann mit einer albernen Brille im Gesicht wird als die Hollywood-Schauspielerin Milla Jovovich identifiziert. Eine automatische Foren-Moderationssoftware erkennt derbe Beleidigungen als Komplimente.“

Jetzt versteht man natürlich besser, was zum Beispiel mit dem (Noch-) Verfassungsschutz - Präsidenten Maaßen los war: Sein Bilderkennungsalgorithmus war gestört! Da kann er ja nichts dafür, dass er Nazi-Gebrüll und Hitlergrüße für das Lied „Ein Männlein steht im Walde“ und freundliches Winke-Winke gehalten hat. Seine künstliche Intelligenz hat seine Wahrnehmung so verpixelt, dass die natürlich vorhandene Rest-Intelligenz sich rechts in die Büsche geschlagen hat und weg war sie.

Ein letzter Satz aus dem SZ-Beitrag sei hier noch zitiert, denn er raubt einem jede Hoffnung, dass wir verschont bleiben könnten vor Finsterlingen, die unsere schöne neue künstliche Intelligenz hacken: „Die Erfahrung zeigt, dass einmal identifizierte Schwachstellen auch ausgenutzt werden.“

Und das, liebe Gemeinde, gilt ja nicht nur für Computer und ihre Hacker. Schwachstellen üben eine geradezu phänomenale Faszination auf Bösewichte aller Art aus - also Augen auf im Straßenverkehr!

Ach und übrigens, ich hätte furchtbar gern unsere Fahne zurück! Könnten wir uns bei jeder Demo gegen rechts bitte wieder unsere Fahne zurückerobern? Ich finde es das Allerletzte, wirklich das absolut Aller-Allerletzte, dass unsere schwarz-rot-goldene, demokratische, bundesrepublikanische Fahne fast nur noch von denen geschwungen wird, die sie mitsamt unserer Verfassung eigentlich mit Füßen treten - und ob diese Herrschaften nun künstlich oder natürlich oder gar nicht intelligent sind, ist mir völlig egal! Die haben jedenfalls nicht die Oberhoheit über die Insignien unseres Staates, oder?