Geben Sie nicht zu schnell auf!

| Alice Dehner
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Von der Personalabteilung eines Unternehmens wurde ich gebeten, das Coaching einer Mitarbeiterin zu übernehmen, von deren Fähigkeiten man zwar sehr viel hielt, die es jedoch deutlich an Eigeninitiative mangeln ließ. Es dauerte dann auch ziemlich lange, bis die Mitarbeiterin einen Termin für ein Coaching vereinbarte.

Wie sich beim ersten Treffen herausstellte, hatte die Software-Entwicklerin, um eine solche handelte es sich, zunächst eben gar kein Interesse, zu mir zu kommen - sie sah nicht ein, weshalb sie ein Coaching machen sollte - schließlich lag es an den anderen… Sie war mit ihrer beruflichen Situation total unzufrieden, so sehr, dass sie eigentlich auf dem Sprung war, in eine andere Firma zu wechseln. Der Grund ihrer Unzufriedenheit lag darin, dass sie sich immer wieder ausgebremst fühlte. Als Software-Entwicklerin verfügte sie über die neueste Technologie und hatte, wie sie bereitwillig erzählte, auch viele Ideen, wie man diese Tools zum Nutzen der Kunden einsetzen könnte, doch schien in der Firma keiner ein Interesse daran zu haben. Sie beklagte sich ausführlich darüber, dass ihre Kollegen lieber immer alles „wie gehabt“ machen wollten, und ihre Vorschläge vom Tisch wischten. Im Gespräch wurde ihr jedoch schnell klar, dass es auch, wenn sie sich eine andere Stelle suchte, nicht von vornherein erkennbar sein würde, ob sie da bessere Bedingungen vorfinden würde.

Da das, was der Klientin an IT- Erneuerungen vorschwebte, in meinen Ohren sehr plausibel klang, fragte ich sie, warum sie aus ihren Ideen nicht mehr mache. Auf ihre Erwiderung hin „Auf mich hört doch sowieso keiner!“ fragte ich sie, ob sie es denn überhaupt schon einmal probiert habe, ihre Ideen ganz dezidiert ihrem Chef vorzustellen, statt sich nur zu beklagen, dass keiner etwas von ihr wissen wolle. Das war nicht der Fall. Ich fragte sie, was sie dächte, wie ihr Chef darauf reagieren würde, wenn sie ihn um die Möglichkeit bäte, ihm etwas vorzustellen. Darauf konnte sie nur sagen „Keine Ahnung“. Also vereinbarten wir, dass sie ihre Vorschläge in die Form einer Powerpoint-Präsentation bringen würde. Darin wollte sie darstellen, was dem Kunden im Moment auf der Homepage des Unternehmens begegnet und wie es aussähe, wenn man ihre Ideen umsetzen würde, welche Verbesserungen das für die Kunden bedeuten würde. In der Präsentation wollte sie auch den Weg dahin aufzeigen, um ihren Chef von der Machbarkeit ihrer Vorschläge zu überzeugen.

In der nächsten Sitzung berichtete die Klientin, dass ihr Chef von ihrer Initiative überrascht war, sich aber alles angehört hat. Das hatte zunächst keine unmittelbaren Auswirkungen, ihr Chef war nicht vor Begeisterung vom Stuhl gehüpft. Doch in der Folge veränderte sich einiges. Ganz offenbar hatte ihr Chef ihre Vorschläge auf höherer Ebene bekannt gemacht. Die Klientin machte die Erfahrung, dass der Chef ihres Chefs sie in Meetings öfter direkt ansprach, an ihrer Meinung interessiert war und auf sie hörte. Und schließlich endete das Ganze damit, dass sie mit einem Projekt beauftrag wurde, um genau das umzusetzen, was sie sich ausgedacht hatte.

Die Klientin war außerordentlich glücklich, dass sie sich doch noch zu dem Coaching aufgerafft hatte, statt einfach in dem Glauben zu verharren, es seien doch die anderen, die sich ändern müssten. Von allein wäre sie gar nicht auf die Idee gekommen, einfach mal aktiv zu werden, um ihre Pläne voranzutreiben.

Und ich denke, dass es noch viele Mitarbeiter gibt, die es vollkommen unterschätzen, wieviel Einfluss sie tatsächlich haben können - statt still zu leiden oder schlechte Stimmung zu verbreiten „weil ja doch keiner auf sie hört“. Wenn Mitarbeiter Ideen haben, Vorschläge für Verbesserungen, Chancen für Innovatives sehen - dann sollten sie konstruktiv damit umgehen und sich zeigen! Man kann auch auf Mitarbeiter-Ebene Dinge in Gang setzen - man sollte sich wenigsten trauen, es zu versuchen. Wenn es nicht klappt, kann man sich immer noch eine neue Firma suchen.