Konflikte – nervig oder konstruktiv?

Treffen Menschen in Unternehmen aufeinander, sind Konflikte unvermeidbar – und sie sind leider auch anstrengend. Nicht selten ist gerade die Führungsebene genervt. Da fällt auch gerne mal der Satz: „Wenn ich im Kindergarten arbeiten wollte, wäre ich Erzieher geworden.“ Konflikte fühlen sich oft so an, als wäre man im Kindergarten. Gleichzeitig steht in vielen Managementbüchern und Fachartikeln, dass Konflikte positiv sind und konstruktiv zu neuen Lösungen führen können. Doch was sind Konflikte jetzt: nervig oder konstruktiv?
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Generell haben alle Konflikte etwas gemeinsam: Es geht um zwei verschiedene Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache. Nun ist die Welt nicht so, wie sie für jeden Einzelnen zu sein scheint – jeder interpretiert sie vor dem Hintergrund seiner eigenen Werte und Erfahrungen. Je nachdem, wie unterschiedlich diese ausfallen, kann es sein, dass jemand die gleiche Sachlage komplett anders bewertet als eine Kollegin oder ein Kollege. Und plötzlich haben wir zwei komplett verschiedene Sichtweisen auf die gleiche Situation.

Konflikten vorbeugen – mit Kommunikation

Konflikte beginnen schon im Kleinen. Wir alle kennen das leidige Thema „lüften“ in einem gemeinsamen Büro. Die Kollegin, die immer friert, möchte das Fenster am liebsten gar nicht öffnen und der Frischluftfanatiker will es gar nicht mehr schließen. Auch Urlaube an Brückentage oder zu Schulferien sind ein beliebtes Konfliktthema. Diese Sorte von Streitigkeiten ist in der Tat einfach nur nervig. Hier gilt es, präventiv zu handeln und die Zusammenarbeit sowie die Rollen, die jeder im Team einnimmt, zu thematisieren. Fragen dazu können sein: Wie wollen wir unsere Zusammenarbeit gestalten? Wer übernimmt welche Aufgaben? Wie wollen wir kommunizieren? Wie offen sprechen wir darüber, wenn uns etwas stört? Je klarer das Miteinander gestaltet und je klarer thematisiert wird, wer was erwartet und wie gemeinsam kommuniziert werden soll, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Konfliktherde minimiert werden. Durch eine transparente Kommunikation kennt zudem jeder die Eigenheiten es anderen, weiß, was ihm wichtig ist und worauf man achten sollte. Dennoch räumt das noch nicht alle Konflikte aus dem Weg.

Zwei Welten prallen aufeinander

Nehmen wir das Beispiel einer Entwicklerin in einem Unternehmen: Sie ist natürlich daran interessiert, neue Wege zu finden. Sie möchte Neues ausprobieren und ist bereit, dafür gewisse, auch finanzielle, Risiken einzugehen, schließlich ist das ihr Job. Im Unternehmen arbeitet sie eng mit einem Projektmanager zusammen. Dieser hat in seinem Leben bislang die Erfahrung gemacht, dass er am besten arbeitet, wenn er einen sicheren, kalkulierbaren Weg einschlägt. Seine ganze Karriere fußt auf einem zuverlässigen Weg, der dem Unternehmen stabilen Profit beschert. Jetzt können Sie sich wahrscheinlich vorstellen, dass es an diesen beiden Stellen immer wieder kracht. Sowohl die Entwicklerin als auch der Projektmanager sind regelmäßig frustriert und die Zusammenarbeit läuft auch nicht rund. Es geht sogar so weit, dass sich das Gefühl der Blockade innerhalb eines Projekts einstellt. Die Entwicklerin war bei uns im Coaching und klagte ihr Leid bezüglich des Kollegen. Aus ihrer Sicht war dieses nachvollziehbar, als wir sie allerdings danach fragten, was eigentlich dem Projektmanager wichtig sei, hatte sie zunächst keine Antwort parat.

Alles eine Frage der Perspektive

Erst als sich die Projektmanagerin auf unsere Fragen einließ und wirklich näher über ihren Kollegen nachdachte, wurde ihr klar, dass sein oberstes Bestreben die Suche nach Sicherheit ist. Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen und sie sagte: „Da habe ich wohl alles falsch gemacht, als ich vor ein paar Tagen zu ihm sagte, dass wir einen neuen Weg ausprobieren sollen. Und ich auch noch nicht wisse, ob es funktionieren wird, aber es seien doch nur 10.000 Euro Investment.“ Bei solchen Aussagen müssen dem Projektmanager sofort alle Haare zu Berge gestanden haben und es ist nur logisch, dass dieser jetzt blockierte. Für Außenstehende ist das mehr als offensichtlich, doch wenn man selbst in einem Konflikt steckt, nimmt man das gar nicht so wahr. Für gewöhnlich versuchen wir mit allen Mitteln, dem anderen unsere Sichtweise „aufzuzwingen“. Und wenn dieser mit für uns haarsträubenden Argumenten kontert, fällt der Satz: „Das können Sie doch nicht so sehen.“ Der andere beweist allerdings gerade, dass er es genau so sieht – wir geben uns nur keine Mühe, diese Sichtweise zu verstehen.

Verständnis trägt zur Lösung bei

In Konflikten wollen wir alle verstanden werden. Wenn dies über Argumente und immer neue Formulierung nicht funktioniert, versuchen manche es über Lautstärke oder sogar ausfallende Bemerkungen. Dadurch eskaliert die Situation immer weiter und im schlimmsten Fall kommt es sogar zu Handgreiflichkeiten. Das Problem ist, wenn alle verstanden werden wollen, gibt es niemanden, der zuhört und versteht. Geht man allerdings in Vorleistung und versucht ehrlich, den Blickwinkel des anderen zu verstehen, indem man Hintergründe, die für das Thema relevant sind, und Werte sowie Erfahrungen hinterfragt, kommt man meist zu einem Punkt, an dem man die Sicht des anderen versteht. Das öffnet in Konflikten für gewöhnlich auch die andere Partei. Treffen beide Perspektiven auf Verständnis, werden häufig tatsächlich neue und konstruktive Lösungen gefunden, die den Erfahrungsschatz beider Parteien berücksichtigt und dadurch letztlich auch für das Unternehmen hilfreich ist. Dieses Verständnis ist die Grundlage, um in Zukunft Themen so zu platzieren, dass das Gegenüber schneller mitgehen kann und sich nicht überfahren fühlt und erst mal blockiert. Der Entwicklerin aus dem Beispiel ist es durch mehr Verständnis gelungen, viel besser mit dem Sicherheitsbedürfnis des Projektmanagers umzugehen, wodurch die Zusammenarbeit wesentlich erfolgreicher wurde.

Die Zukunft liegt jenseits der Schuld

Neben dem fehlenden Verständnis steht der Konfliktlösung oft auch die leidige Frage nach der Schuld im Weg. Denn vorwiegend entstehen Konflikte, wenn in einem Projekt bereits etwas schiefgelaufen ist. Hier wird nicht konstruktiv nach Lösungen, sondern nach dem Schuldigen gesucht. Doch lässt sich die Vergangenheit wirklich so rekonstruieren, wie sie wirklich war, wenn wir doch schon Probleme haben, die Gegenwart gleich oder zumindest ähnlich wahrzunehmen und zu interpretieren? Die Forschung zu Zeugenaussagen im juristischen Bereich hat eindeutig gezeigt, dass unsere Erinnerung sehr plastisch ist und von Überzeugungen, nachträglich Gesagtem etc. überlagert werden kann und nicht besonders zuverlässig ist. Die Vergangenheit sollte daher in Konflikten nur so weit interessant sein, wie sie zur Analyse zukünftiger Fehlervermeidung dient. Lösungen liegen fast ausschließlich in der Zukunft und damit jenseits der Schuld. Das bedeutet, um den „Nervfaktor“ der vielen kleinen Konflikten zu minimieren, braucht es im Team vorangehend viel Klarheit über Aufgaben, Rollen, die Art und Weise der Zusammenarbeit, der Kommunikation und des Feedbacks.

Fazit

Kommt ein Konflikt auf, dann sollten wir nicht verlangen, als erstes verstanden zu werden, sondern in Vorleistung gehen und versuchen, das Gegenüber zu verstehen. Zudem sollte der Fokus immer auf die Zukunft und damit in Richtung Lösung ausgerichtet sein und nicht auf der Schuldfrage verweilen. Das sind einige Möglichkeiten, Konfliktherden das Feuer abzudrehen und sie konstruktiv zu nutzen. Gelingt das, werden die Parteien zudem mit der Erfahrung angereichert, dass das gegenseitige Verständnis hilft, Themen voranzubringen und sie können andere von vornherein besser mitnehmen.

Im Business Podcast von Alice Dehner gibt es weitere Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken.