Löw tut es, Klopp und Tucheltun es... - Tun Sie es?

| Alice Dehner
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Erstaunlicherweise wird in manchen Chefetagen noch immer darüber diskutiert, ob eine Führungskraft überhaupt coachen kann und sollte. Als Argument wird zum Beispiel angeführt, dass die Führungskraft in einen Konflikt geraten könnte, weil sie ja nicht nur auf die etwaigen Probleme eines Mitarbeiters eingehen könne, sondern ihn auch beurteilen müsse. Außerdem, so wird gelegentlich gesagt, könne man zwischen Mitarbeiter und Chef nicht von einer Begegnung auf Augenhöhe ausgehen. (Zwischenfrage: Ist die Beziehung zwischen Coach und Klient immer auf Augenhöhe? Muss sie das denn sein? Was bedeutet dieses Schlagwort der „Augenhöhe“ überhaupt?)

Kehren wir doch mal zum Ursprung des Coachings zurück. Der Begriff „Coach“ kam aus dem Sport - und dort ist der Coach ja auch heute noch zu Hause. Untersuchen wir einmal die Aufgaben eines Mannschafts-Coachs, egal welcher Sportart, so lässt sich schnell erkennen, dass dieser Coach ganz ähnliche Situationen bewältigen muss, wie sie auch eine Führungskraft tagtäglich hat. Der Coach will sein Team zum Erfolg führen, er kann nicht eingreifen, wenn das Spiel am Laufen ist, er darf nicht mit auf das Spielfeld, er muss darauf vertrauen, dass sein Team umsetzt, was er mit ihm erarbeitet hat, er wählt die Mitspieler aus und er muss sowohl dem einzelnen Team-Mitglied als auch dem gesamten Team Rechnung tragen, er muss auf die Besonderheiten jedes Einzelnen eingehen, ohne das Ziel der Gesamtheit aus dem Auge zu verlieren, er muss unpopuläre Entscheidungen treffen und trotzdem das Vertrauen der Mannschaft behalten. Er muss verdammt gut kommunizieren.

Genau wie eine Führungskraft muss der Sport-Coach „seine“ Leute in fachlicher wie in persönlicher Hinsicht weiterbringen. Was das Fachliche betrifft, so muss er genau erkennen, wo die Schwächen des einzelnen Spielers liegen und er muss wissen, mit welchen Methoden er das ausgleichen, vielleicht sogar in eine Stärke umwandeln kann. Er muss die Stärken jedes Spielers einschätzen und sie entsprechend einsetzen. Dabei geht es nicht nur darum, wie oft geglaubt wird, nur die „Stärken zu stärken“, sondern auch darum, mögliche Schwächen zu beheben.

Aber das Fachliche ist nur die eine Hälfte seiner Arbeit. Ein guter Coach geht auch auf die Persönlichkeit seiner Spieler ein, unterstützt sie bei Unsicherheiten, stärkt ihr Selbstvertrauen und ist für sie da, wenn sie sich an ihn wenden. Das heißt, er muss nicht nur verdammt gut kommunizieren, sondern auch etwas von Psychologie verstehen.

Und bei allem Eingehen auf den Einzelnen muss er immer auch das Team als Ganzes im Blick haben - auch da unterscheidet sich der Bundestrainer nicht von der Führungskraft. Die besten Einzelspieler nützen nichts, wenn sie nicht als Team gut zusammenarbeiten. Deshalb müssen Löw und Co in der Lage sein, ein Team als Ganzes weiterzuentwickeln, den Teamgeist zu stärken, die richtige mentale Einstellung zu erzeugen.

All das sind Aufgaben, die heutzutage auch von Führungskräften erwartet werden. Und genau wie auf dem Fußballfeld die aktuellen Entscheidungen von den Spielern getroffen werden müssen, nicht vom Coach, so muss eine moderne Führungskraft ihren Mitarbeitern Entscheidungsspielräume geben - und sich darauf verlassen, dass sie richtig handeln. Agilitiy management heißt das auf neudeutsch. Dabei wird den Mitarbeitern mehr Verantwortung gegeben, doch sie müssen von den Führungskräften auch dahin geführt werden, dass sie diese Verantwortung tragen können. Das heißt, wie der Fussball-Coach muss die Führungskraft ihre Mitarbeiter auf einer fachlichen Ebene coachen und analysieren: Wie geht jeder an seine Aufgabe heran, was sollte optimiert werden, wo zeigen sich Stärken und Schwächen, wie geht jeder mit Zielen um, wie kann das noch gefördert werden, wie sieht sein Selbst-Management aus, muss das eventuell verbessert werden, weil es eine Stressquelle ist, wo braucht er Unterstützung. Gleichzeitig muss die Führungskraft auch die psychologische Seite im Blick haben und verstehen, wann und warum jemand zu unsicher ist, zu perfektionistisch oder zu voreilig.

Bei alledem muss sie auch ein Verständnis davon haben, wie man ein Team als Team erfolgreich macht, sodass nicht nur alle in einem Boot sitzen, sondern auch alle in dieselbe Richtung rudern.

Das Ganze ist schon wesentlich mehr, als man in früheren Zeiten von einer Führungskraft erwartet hat, wo es genügte, die richtigen Anweisungen zu erteilen, den Arbeitseinsatz zu koordinieren, Feedbacks zu geben, vielleicht noch, Ziele zu vereinbaren.

Insofern ist die Frage heutzutage gar nicht mehr, ob oder ob nicht eine Führungskraft coachen soll - um ihren Aufgaben gerecht zu werden, muss sie ihre Mitarbeiter coachen. Nur dann wird sie erfolgreich sein.