Renates Kolumne: Anregungen für den Gabentisch

| Renate Dehner
Diese Kolumne lässt sich ja niemals lumpen, wenn es um angewandte Lebenshilfe geht. Und was bräuchte man im besinnlichen Advent, oder in der stillen Weihnachtszeit dringender an angewandter Lebenshilfe als Geschenktipps. Nachfolgend habe ich die besten Vorschläge für Sie zusammengetragen.
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Sehr freudig dürfte bei der reiferen Jugend ein aus kostbarem heimischen Holz geschnitztes und reich verziertes Schatzkästlein für grauenvolle Wortungeheuer in Empfang genommen werden. Wenn einem zum Beispiel einer krumm kommt, kann man dieses Schatzkästlein öffnen und ihm das Wortungetüm um die Ohren hauen. Physische Gewalt ist ja so degoutant mit Rechten und Nazis konnotiert (oje, drei Fremdwörter in einem halben Satz: Stecken Sie den sofort in Ihr neuerworbenes Schatzkästlein!), und gehör sich darüber hinaus sowieso nicht, aber wenn man jemandem zum Beispiel „Multiparadigmatizität“ auf den Kopf haut, sobald die Situation „konfliktiv“ (das habe ich vor ein paar Tagen in der Süddeutschen gefunden, das kriegen Sie gratis dazu) wird, kann der einem noch nicht einmal „hate speech“ und Hetze vorwerfen. Schließlich habe ich die „Multiparadigmatizität“ (lernen Sie erst mal, das auszusprechen!) auf dem Philosophie-Blog praefaktisch.de entdeckt. Oder soll ich sagen: Es sprang mich an und überwältigte mich? Seither ist es ein besonderes Schmuckstück in meinem Schatzkästlein.

Ein nützliches Geschenk für Alt und Jung ist der Falsche-Anglizismen-Schredder. Er sollte in keinem Haushalt fehlen und auch in Redaktionen ein würdiges Plätzchen finden. Wäre es nicht schön, wenn aus dem Stadtbild die Einladung zur öffentlichen Leichenschau (public viewing) verschwände, und wenn wir nur noch ein Innenministerium (home office) statt Millionen solcher hätten? Das wäre doch echt praktisch (handy)! Vollkommen überflüssige Anglizismen, wie sie in praktisch jeder Werbung zu finden sind, dürfen auch da rein.

Selbstverständlich lassen sich Anglizismen nicht gänzlich vermeiden, sollen sie ja auch gar nicht, sie sind manchmal eben kurz, treffend und ihr Gehalt im Deutschen nur umständlich wiederzugeben. Außerdem wollen wir uns nicht unserer Weltläufigkeit entledigen und Sprache entwickelt sich nun mal.

Deshalb akzeptieren wir die Anglizismen in den folgenden beiden Geschenkideen, die beide von hohem Gebrauchswert sind, sich in jedem Lebensbereich wunderbar einsetzen lassen und das Leben definitiv leichter machen. Ich empfehle also von ganzem Herzen a) den Wokeness-Exzess-Entschärfer und b) den Politicalcorrectness-Lachsack. Beides sind hervorragende Geschenke für die hunderfünfzigprozentigen unter den Moralaposteln, Besserwissern und Rechthabern, die sich bislang vergeblich um den Posten als Chef der Gesinnungspolizei beworben haben und die Cancel Culture für Kultur halten. Das, ganz nebenbei gesagt, kommt davon, wenn man nicht sooo gut Englisch kann und es trotzdem spricht.

Da sich die sozialen Medien, trotz der hingebungsvollen Bemühungen von Elon Musk, wahrscheinlich auch im nächsten Jahr anhaltend hoher Beliebtheit erfreuen werden, empfehle ich allen sogenannten „Usern“ das Propaganda-Entlarver-Set für Fortgeschrittene. Es ist ein extrem nützliches Werkzeug für alle, die ihre Informationen ausschließlich aus dem Internet beziehen und am liebsten nur das glauben, was ohnehin ihrer Meinung entspricht. Der richtige Gebrauch dieses formschönen und wertstabilen Werkzeugs erfordert zwar ein wenig Übung, doch mit ein bisschen Grips ist es für jeden erlernbar. Ein schöner Nebeneffekt dabei: Die Welt könnte glatt eine bessere werden, wenn man nicht auf jeden Schwachsinn hereinfiele.

Für hartnäckige Fälle kann man das Geschenk mit einem zweiten kombinieren: dem Dumpfbackenenergieausschalter. Gibt es als preisgünstiges Zweier-Set und wird viele Augen unter dem Christbaum zum Leuchten bringen, weil sie zum ersten Mal über den Tellerrand sehen – ein wahrhaft erhellendes Erlebnis.

Oder wie wäre es mit einem bunten Hasskulturmüllbeutel mit extragroßem Fassungsvermögen, damit wirklich jeder Scheiß reinpasst? Dazu passt hervorragend der Zivilisationsbruchstellenkitt, der in jedem Notfall kittet, was noch zu kitten ist, wenn sich im zivilisatorischen Lack doch erste Risse zeigen, weil man nicht rechtzeitig den Dumpfbackenenergieausschalter betätigt hat.

Und zum Schluss lege ich Ihnen noch den Freundlichegesichterzauberstab ans Herz. Wie der funktioniert, steht detailliert in der Gebrauchsanweisung – gelingt garantiert jedem, der mit einem Lächeln an die Sache rangeht.

Bleibt mir nur noch, fröhliche Weihnachten allerseits zu wünschen! Kommen Sie gut ins Neue Jahr, möge es ein friedvolleres werden als das zu Ende gehende!