Renates Kolumne: Auf zu neuen Ufern!

| Renate Dehner
„Man reist ja nicht um anzukommen, sondern um zu reisen“ Hier irrte Goethe. Jedenfalls was mich betrifft. Man muss ihm zugutehalten, dass er weder die Deutsche Bahn, noch streikende Beschäftigte in allen möglichen reiserelevanten Bereichen, noch Mitarbeitermangel bei Flugabfertigungen kannte, von kilometerlangen Staus gar nicht zu reden. Gut, in Postkutschen soll es auch nicht so gemütlich gewesen sein und ich konzediere, dass es heutzutage schneller gehen könnte als damals, mit starker Betonung auf „könnte“. Wenn ich nicht so schrecklich gern manchmal an anderen Orten wäre, wäre ich ein vehementer Unterschreiber jenes anderen Zitates, das besagt, dass das ganze Unglück der Menschheit daher rühre, dass keiner ruhig in seiner Stube zu verweilen vermöge.
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Reisen ist eine Vorform der Hölle! Andererseits – tja, andererseits! Das brauche ich gar nicht näher ausführen, das kennen Sie wahrscheinlich besser als ich, es ist nämlich nicht so, dass ich so sonderlich weit in der Welt herumgekommen wäre. Meine sogenannten Fernreisen sind erstens verdammt lang her und lassen sich zweitens locker an einer Hand abzählen. Aber es gibt so viele Städte und Landschaften, die ich entweder gern noch kennenlernen würde oder schon kenne und so sehr mag, dass ich immer wieder hinwill. Was soll man also machen? Man begibt sich auf die Reise. Der heldenhafte Entschluss dazu ist der letzte Moment ungetrübter Vorfreude. Je näher die Reise nämlich rückt, desto konkreter werden die Vorbereitungen. Im modernen Leben beginnt und endet jede Unternehmung in einem gnadenlosen Kampf mit den Tücken des Internets. Wenn man da auch nur einen Moment der Schwäche zeigt, hat man app-solut verloren. Ob mit App-sicht oder nicht, der Computer sorgt immer dafür, dass ich mich klein, dumm und ausgeliefert fühle. Spätestens, wenn man zum dritten Mal die immer gleichen Daten eingegeben hat, fragt man sich, warum man sich das eigentlich antut, man hat doch ein gemütliches Zuhause und ob London nicht doch schwer überschätzt wird.

Aber auf irgendeine geheimnisvolle Weise schafft man es schließlich doch, alles zu buchen, was nur gebucht werden muss; dann weiß man dass es kein Zurück mehr gibt; dann bangt man, ob womöglich irgendeiner auf dem Weg zum Ziel, dass man nun auch erreichen will, wo man sich schon dazu durchgerungen hat, anfängt zu streiken; dann überwindet man einchecken, Securitiy, das wie immer verspätete Boarding; dann hat man gefühlt sieben Mal seinen Reisepass kontrollieren lassen; und dann! Und dann kommt der Moment, wo man zum ersten Mal im Leben vor dem unglaublichen Westminster steht und man ist hin und weg. Oder besser, man ist da, man ist tatsächlich da und hört Big Ben schlagen, der Himmel ist blau, die Sonne lacht und man weiß: Dafür hat es sich gelohnt und man wird es immer wieder machen, solange man kann! Städte wie London, Paris, Rom, Brüssel, um nur ein paar zu nennen, sind eine Reise wert, weil sie einen umhauen mit ihrer Schönheit, ihren Museen, Opern, Theatern und dem Flair, das man spürt. Tja, lieber Johann Wolfgang, ich überlasse dir gern das Reisen um des Reisens willen – ich will ankommen!

Ich hoffe, dass für Sie die Reisezeit in den nächsten Wochen eine wunderbare Zeit wird, die Sie uneingeschränkt genießen können und verabschiede mich bis zum Frühherbst, denn im Sommerurlaub steht natürlich auch für mich die nächste Reise an. Drücken wir uns gegenseitig die Daumen, dass alles glatt geht mit dem Losfahren und wieder Heimkommen. Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Sommer!