Renates Kolumne: Empört euch nicht

| Renate Dehner
Es sind äußerst merkwürdige Zeiten und alle naslang kommt einem die Galle hoch. Brauche ich nicht auszuführen, Sie wissen, was ich meine. Erinnern Sie sich noch an den Bestseller von vor ein paar Jahren, geschrieben von dem französischen ehemaligen Widerstandskämpfer und Diplomaten Stephane Hessel „Empört Euch!“? Es war ein Plädoyer für mehr politisches und gesellschaftliches Engagement. Inzwischen gibt es so viel „Empörung“ von „Engagierten“, so viele „Empörte“, die viel besser die Klappe hielten, dass ich inständig dazu aufrufe: „Empört euch nicht!“
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Leute, habt Geduld und haltet die Entrüstungen flach. Das Geschimpfe und Gezeter, die Wut und der Zorn, das führt leider echt zu nichts. Man muss sie nicht mögen – aber man muss sie auch nicht aufwerten, indem man ihren lauten Blökereien immer noch mehr Aufmerksamkeit und Zeit einräumt. Oder wie es eine meiner Freundinnen so unnachahmlich ausdrückte: „Ist doch bescheuert, dass jeder Furz von den …(hier ein beliebiges schmückendes Beiwort einsetzen) ins Fernsehen kommt!“ Also, lasst euch gesagt sein, ihr Hirnis (m/w/d): „Eure Meinung ist so unerheblich, die ignorieren wir noch nicht mal!“

Ja, es sieht gerade alles eher bescheiden aus, aber, verschließen wir nicht die Augen davor, manches in der Wirtschaft gibt doch zu Hoffnung Anlass. Der unsägliche Mark Zuckerberg zum Beispiel hat sein Unternehmen Facebook in „Meta“ umbenannt – abgeleitet, so nehme ich stark an, von Metastase. Das zeigt doch eine ganz erfreuliche Einsichtsfähigkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte. Dass er selbst die Krebsgeschwürigkeit - ja, zum Kuckuck, ich darf mir auch mal eine blöde Wortneuschöpfung erlauben - seines ekelhaften Konzerns an- und überhaupt erkennt: Respekt! Wir sollten auf die Abkürzung verzichten, und den Konzern immer bei seinem vollen Namen nennen: Mark Zuckerbergs Metastase! So viel Zeit muss sein!

Andere Dinge machen einen leider nicht hoffnungsvoll, sondern sprachlos. Am 13. November war aus dem Wirtschaftsteil der SZ zu erfahren, dass der chinesische Fast-Fashion-Discounter Shein gerade die Jugend Europas mit Wegwerf-Mode begeistert. Ganz ohne Läden, nur über eine App machten diese ausbeuterischen Umweltschweine allein in Deutschland im Jahr 2020 einen Umsatz von 235 Millionen Euro. Möchte nicht wissen, wie es 2021 aussieht. Wissen die Jugendlichen nicht, was sie da kaufen und was Wegwerfklamotten für die Umwelt bedeuten? Oder ist es ihnen egal? Was auch immer der Grund für den schwindelerregenden Erfolg dieser Firma ist: Die Fridays for Future – Jugend scheint doch eine verschwindend geringe Minderheit zu sein. Sehr schade, wenn schon wir Alten zu blöde waren und sind, die Folgen unseres Lebensstils zu erkennen und diese Erkenntnisse in unser Verhalten einfließen zu lassen, hatte ich gehofft, wenigstens die Jugend sei klüger. Sieht leider nicht so aus.

Dabei hat offenbar selbst der VW-Chef Herbert Diess erkannt, dass man etwas gegen Luftverschmutzung tun muss, was einen nun wieder hoffnungsfroher stimmt. Der „Südkurier“ titelte jedenfalls „VW-Chef rudert nun doch zurück“. Zuerst fragte ich mich: „Warum nimmt er denn nicht das Auto?“ Aber dann wurde mir klar, der Mann hat wahrscheinlich einfach etwas begriffen! Wie mieses Arbeitsklima die Luft verpestet. Trotzdem gut, dass er nicht schon in Amerika war, als er seinen Beschluss fasste, doch lieber mit den eigenen Betriebsangehörigen als mit Anlegern aus der Wall-Street zu sprechen - da hätte er verdammt lange rudern dürfen. Aber wer weiß, vielleicht hätte es ihm gutgetan. Rudern soll ja eine sehr meditative Art der Fortbewegung sein.

Wäre doch schön, wenn (wir) alle ein bisschen zurückrudern würden, was Ärger, Aufgeregtheit, Stress, Ängste und Befürchtungen betrifft. In diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern einen entspannten, heiteren Advent und ein friedliches, fröhliches Weihnachten!