Renates Kolumne: Happy Birthday!

| Renate Dehner
Bei uns feiert eine üppige Schönheit, die weit über die Region hinaus bekannt ist, ihren dreißigsten Geburtstag. Das erfüllt einen, wenn man gerade seinen siebzigsten gefeiert hat, mit einem gewissen Neid. Darüber hinaus ist sie in dieser Zeit um keinen Tag gealtert, was, ohne Namen nennen zu wollen, nicht jeder von sich behaupten kann. Dabei hatte sie einiges an Stürmen zu überstehen, im wortwörtlichen wie im übertragenen Sinne. Direkt an der Einfahrt zum Konstanzer Hafen lebt man natürlich auch an sehr exponierter Stelle. Da pfeift es einem manchmal ganz schön um die Ohren. Und so leichtbekleidet wie sie ist, darf man schon ordentlich abgehärtet sein – aber das musste sie als Dirne während des Konstanzer Konzils im ausgehenden Mittelalter vermutlich ohnehin sein.
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Die gute Imperia, um die handelt es sich, wie Sie vielleicht bereits erraten haben, hatte jedoch nicht nur mit den Wetterbedingungen zu kämpfen. Ganz am Anfang ihres irdischen Daseins auf - tja, eben nicht Konstanzer Boden – hatte sie es mit heftigem Gegenwind ganz anderer Sorte zu tun. Die Konstanzer CDU, die damals das Rathaus und den Gemeinderat fest im Griff hatte, setzte alles daran, dieses „unmoralische Weibsbild“, die als stadtbekannte und –begehrte Kurtisane sowohl die weltliche als auch die geistliche Obrigkeit in ihren willigen Händen hielt, wieder loszuwerden. In einer Nacht- und Nebel-Aktion eroberte sie ihren Standplatz und provozierte augenblicklich nicht nur die Vertreter eines Vereins, den ich kürzlich in einem Schaufenster ausgerechnet in Eichstätt als „die Kinderschänder-Sekte“ bezeichnet sah, sondern auch die ach so christlich-züchtigen Herren der Stadtverwaltung, bot sie ihre Reize doch sehr freizügig feil. Und mit dem hässlichen kleinen Kaiser in der einen und dem verschrumpelt geilen Papst in der anderen Hand, wusste man ja gleich, was man von ihrer Gottesfurcht und Obrigkeitsverehrung zu halten hatte.

Die wackeren Gemeinderatsmitglieder beschlossen also flugs: „Die Schlampe muss weg!“ Allerding hatten sie die Rechnung ohne den Wirt, sprich den Eigentümer ihres Standplatzes gemacht. Das Gelände, auf dem das Kunstwerk des Bildhauers Peter Lenk noch heute steht, gehörte nicht der Stadt, sondern der Bundesbahn. Und selbst das Landesdenkmalamt, das man eifrig einschaltete, konnte nicht erkennen, dass die Imperia in irgendeiner Weise die pittoreske Silhouette der Stadt beeinträchtigen würde. Keine Handhabe also, um das Ärgernis zu entfernen! So eine Schande!

Der größte Witz dabei ist, dass die CDU heutzutage genauso wenig von der damaligen moralischen Empörung über das „Hurendenkmal“ wissen will, wie Herr Söder von seinem ehemaligen Einsatz für die Abschaltung der AKWs. Die Imperia hat sich inzwischen zum Wahrzeichen der Stadt gemausert, zu dem jeder auswärtige Besucher hingeführt wird: „Unsere Imperia, ist sie nicht ein Prachtweib!“ Das gelingt den AKWs allerdings vermutlich eher nicht, weder in Bayern noch sonstwo, sie werden wohl eher als Schandmale einer Energie-Politik, der die nächsten hunderttausend Jahre egal sind, in die regionale Geschichte eingehen.

Ach ja, die Politik! Selbst die Kleingeister eines Gemeinderats sind da nicht anders als deren „Größen“ – und sie erlauben sich auch heute noch merkwürdige Aktionen. Eine der verkehrsreichsten Straßen in Konstanz ist die „Laube“, die zwar sehr idyllisch heißt, aber nun echt kein romantischer Wandelgang ist. Es ist eine zweigeteilte vierspurige Straße, eine der Hauptzufahrtsstraßen zur Innenstadt und zur Schweizer Grenze, in der Mitte mit Parkplätzen, aber immerhin auch mit großen Bäumen ausgestattet. An diesem lauschigen Plätzchen hat die Stadtverwaltung, für bestimmt nicht unbeträchtliches Geld, Parkbänke aufstellen lassen. Man kann sich das richtig vorstellen, wie naherholungsbedürftige Konstanzer und Touristen seufzen: „Ach, lass uns doch ein bisschen Abgasluft schnuppern und dem malerischen Verkehr beim Fließen und Stauen zusehen.“ Das ist mindestens so gut wie die Bänke mit dem Rücken zum Meer, die an meinem belgischen Lieblingsurlaubsort aufgestellt sind, von denen aus man so schön auf die Fußgängerpromenade und die Front der Ferienappartementhäuser sehen kann. Ich denke mal, um auf diese Art und Weise Bänke aufzustellen, sei es in Konstanz, sei es anderswo, darf das offenbar vollständige Vakuum zwischen den Ohren nicht durch auch nur eines einzigen Gedankens Blässe getrübt sein.