Renates Kolumne: Ist es Franeutsch? Ist es Deuzösisch?

| Renate Dehner
Denglisch kann ja mittlerweile jeder. Es ist die bevorzugte Kommunikationsform der jüngeren, mittleren und reiferen Jugend, von Managern (früher mal „leitende Angestellte“ genannt, wie hinterwäldlerisch ist das denn? Wo inzwischen jeder Hausmeister Wert darauf legt, ein facility manager zu sein) und ITlern gar nicht zu reden. Brauch ich nicht weiter ausführen, ist ein breitgetretenes Thema. Es spricht ja auch einiges für Englisch, lässt sich gar nicht leugnen, ich liebe diese Sprache, allerdings hauptsächlich, wenn sie korrekt gesprochen und nicht verballhornt wird.
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Ich mag aber auch unsere Muttersprache, obwohl sie wirklich mit Merkwürdigkeiten gesegnet ist, die oft genug jede Logik vermissen lassen. Das ging mir erst neulich durch den Kopf, als mir ein irgendwie dem Denglisch verwandtes, wenngleich quasi gegensätzliches Phänomen auffiel.

Hitzebedingt völlig unfähig zu geistig gehaltvoller Lektüre, nahm ich einige Krimis zu mir, lesen kann man das gar nicht nennen. Man kann sagen, ich inhalierte sie, so leicht dampften sie aus den Seiten in mein runtergeregeltes Hirn. Sie spielen in der Provence, ah, la douce France, Sehnsuchtsort seit hundert Jahren, was gibt es besseres in den Sommerferien? Der Autor zählt zu jener Spezies, die sich, ich nehme an, um authentischer rüberzukommen, ein französisches Pseudonym zulegten und damit fließbandmäßig einen Bestseller nach dem anderen fabrizieren. Die Dinger lesen sich ganz süffig, jedenfalls die ersten sechs oder sieben, bis einem die Redundanz auf den Wecker geht. Dazu kommt noch, dass der Autor die Macke hat, jede Menge französischer Redewendungen – oder was er dafür hält – in den Text zu basteln, die überflüssigerweise dann auch gleich auf deutsch wiederholt werden, weshalb man auf die nächsten sechs oder sieben lieber verzichtet und bei sich denkt: „Arretez de me casser les couilles!“ Oder kann man das als Frau gar nicht sagen?

Jedenfalls stößt man in wahrhaftig jedem Exemplar, das ich gelesen habe, auf den Ausdruck „Je m’excuse“, was so grottenfalsch ist, dass jemand, der als Franzose durchgehen will, es eigentlich wissen sollte. Gäbe es in Bezug auf französisch etwas vergleichbares wie denglisch, also franeutsch oder deuzösisch, um nur mal einen Vorschlag zu machen, gehörte „Je m’excuse“ zweifellos dazu, nur andersrum sozusagen. Wo im Denglischen englische Bezeichnungen völlig falsch ins Deutsche eingewandert sind, ich erinnere nur an public viewing (Leichenschau) oder home office (Innenministerium), soll eine Besonderheit des Deutschen als französisch durchgehen.

Excusez-moi, aber „Ich entschuldige mich“ ist eine absurde Verdrehung der Umstände und jeder Franzose weiß, dass, wenn man einen Fehler gemacht hat, der andere es ist, der einen „ent – schuldigen“ kann oder auch nicht, wenn man ihn darum bittet, es jedoch vielleicht eher arrogant ist, es gleich selbst zu tun: „Ich habe dir wehgetan? Na, macht nichts, ich entschuldige mich, kannst du sehen, wo du bleibst!“ So meint das bei uns natürlich keiner, aber nichtsdestotrotz macht der Ausdruck „Ich entschuldige mich“, doch eigentlich keinen Sinn, oder? „Ich bitte dich um Entschuldigung“ träfe die Sache schon eher.

Dass das gebräuchliche „Ich entschuldige mich“ trotzdem als adäquate Reaktion auf Fehlverhalten durchgeht, ist im Grunde genommen genauso wenig nachvollziehbar, wie das nicht minder merkwürdige „Ich ärgere mich“. Wenn du etwas tust, das mir gegen den Strich geht, wer ärgert dann wen? Und warum finden wir es immer so traurig, wenn wir enttäuscht werden? Ist es nicht eine prima Sache, einer Täuschung weniger zum Opfer zu fallen?

Ich sag’s ja, mit der Logik hapert es manchmal ein bisschen in unserer schönen Sprache. Und was sagen diese Fallstricke des Deutschen über uns und unser Selbstverständnis aus? Schwer zu sagen, aber es sollte einem zu denken geben… „Ich haue mich selbst gern auf die Nase (=ich ärgere mich), aber das nehme ich mir nicht weiter übel (=ich entschuldige mich) und ich bitte inständig darum, angelogen zu werden, denn raube mir bitte nicht meine Illusionen (=enttäusche mich nicht)!“ Nein, nein, das können wir nicht meinen. Ich glaube, unsere europäischen und außereuropäischen Nachbarn sind sich einig, Deutsch ist eine merkwürdige Sprache!