Renates Kolumne: Wir sollten uns dringend mal wieder aussprechen…

| Renate Dehner
Das Leben spielt sich gerade nur noch als Realsatire ab. Wie soll man da eine Glosse schreiben?! Ich habe mir wirklich Mühe gegeben meine Kreativität diesbezüglich auf Vordermann zu bringen, aber es gang einfach nicht, wie eine meiner Enkelinnen so wunderbar zu sagen pflegte, dass das jetzt in den Kanon des Dehnerschen Haus-Idioms eingegangen ist.
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Wenn andere ihren denglischen Neusprech kultivieren (siehe dazu meinen Blog www.alteschachteln.online), ist in meinen Augen nichts dagegen einzuwenden, wenn jeder seine, respektive jede ihre, Privatsprache kreiert.

Sprache dient ja offenbar ohnehin nicht mehr in erster Linie dazu, sich zu verständigen. Nein, sie hat jetzt ganz andere Aufgaben übernommen. Image auf Hochglanz polieren, zum Beispiel. Weshalb sie für die einen ein Mittel ist, sich so unverständlich wie möglich auszudrücken, damit auch der letzte Dödel kapiert, wie unvergleichlich weit er mit seinem eigenen, vernachlässigbaren Verständnis, hinter dem des Experten zurückliegt und aus diesem Grund sowieso die Klappe zu halten hat. Sollte jetzt jemandem spontan ein universitäres Umfeld einfallen, kann ich auch nichts dafür und lehne jede Verantwortung ab.

Für andere wiederum ist Sprache hörbarer Ausweis dafür, wie weit er oder sie auf der Karriereleiter nach oben gestiegen sind. Denn auch das Wirtschaftskauderwelsch treibt immer weitere Blüten, die einzig und allein dazu dienen, den zu schmücken, der so unendlich viel besser bezahlt wird als diejenigen, die sich dieses Gequatsches nicht so virtuos bedienen. Unvergleichliches Beispiel dafür gab jüngst der VW-Chef Diess. Sprechen Sie eigentlich noch von Autos? Wie old school von Ihnen! Das heißt laut Diess jetzt „mobile devices“! Fragen Sie mich nicht, weshalb das nötig war – ich verstehe es auch nicht!

Wer das Gequatsche allerdings oft genug gehört hat, der plappert es halt irgendwann nach, nimmt es in seinen eigenen Kanon an Phrasen auf und verbreitet so überflüssiges denglisch und/oder Wortneuschöpfungen, ob sie sinnvoll sind oder nicht. Da will ich mich nicht lumpen lassen: Ich hätte auch eine Wortneuschöpfung anzubieten, und ich hoffe inständig, sie in ein, zwei Jahren im Duden zu lesen – als Beitrag zu einer Vertiefung der gender-gerechten (ohlala, ist das nicht eine wunderbare neue Formulierung, die meine Fortschrittlichkeit aber so was von unter Beweis stellt!) Sprache. Kennen Sie den Konsum-Erpel? Ich hoffe, den hat nicht schon irgendwer vor mir erfunden! Wenn es Konsum-Enten gibt, sollte doch zwingend klargemacht werden, das Power-Shopping keine rein weibliche Leisure-Time-Activity ist.

Es gibt inzwischen leider noch eine weitere Spielart der Sprache als Entzweiungs-Instrument: Für viel zu viele Irregeleitete besteht das Wesen der Sprache darin, auszuloten, wie viele Schimpfwörter, Dreck und Schund man in einer einzigen mail unterbringen kann, um ein möglichst hohes Maß an Hass rüberzubringen, was in der Konsequenz der Verständigung ebenfalls ziemliche Knüppel zwischen die Beine wirft, und somit einen gedeihlichen Austausch gegensätzlicher Ansichten unwahrscheinlich bis unmöglich werden lässt.

Für wieder andere hat Sprache keine andere Funktion als Befehle und Forderungen zu bellen – verstanden werden wollen die ohnehin nur in dem Sinne, dass man nach ihrer Pfeife tanzt, und zwar dalli dalli. Haben Sie das jetzt endlich kapiert!? Na also, geht doch!

Auch noch auf Behörden- und Juristen-Sprache einzugehen, verkneife ich mir, die Witze darüber kennen sie eh. Bleibt also nur noch eines, Ihnen was zu wünschen. Ostern fällt ja nun allerdings aus…Statt Eiern suchen wir eine Strategie – aber gut, dass die Kanzlerin und die Ministerpräsidentinnen und -Präsidenten wenigstens mal darüber gesprochen haben.

Also frohen Lockdown weiterhin!