Rezension: “Transaktionsanalyse im Coaching” von Ulrich & Renate Dehner

Falls Sie noch eine Sommerlektüre brauchen: Auf dem sehr interessanten und empfehlenswerten Blog des Diplom-Psychologen Rainer Müller www.psyche-und-arbeit.de finden sich jede Menge Buchbesprechungen, unter anderem auch die Rezensionen zweier Bücher von Renate und Ulrich Dehner.
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Bin ich okay? Bist Du es auch?

Als ich mir überlegte, eine Coaching-Ausbildung zu absolvieren, war ich schnell geneigt, mich für ein systemisch arbeitendes Institut zu entscheiden. Individuenzentrierte und insbesondere tiefenpsychologisch ausgerichtete Ansätze scheinen seit Jahren etwas aus der Mode gekommen zu sein. Dennoch macht es in vielen Fällen Sinn, sich auch mit den Ideen dieser Modelle zu beschäftigen. Beim Lesen des Buches „Transaktionsanalyse im Coaching“ von Ulrich und Renate Dehner wird sofort klar, warum das so ist. In dieser praxisorientierten Anleitung wird deren Nutzen im Rahmen einer professionellen Gesprächsführung aufgezeigt und anhand vieler Beispiele und leicht verständlicher Erläuterungen dargelegt, warum die TA zu den grundlegenden Werkzeugen eines guten Coachs gehören sollte. Selbst wenn man bereits mehrere Bücher über das Thema gelesen hat, lohnt sich die Anschaffung. Warum das so ist, wird anhand einiger ausgewählter Beispiele schnell deutlich:

  • Interessant ist der Vorschlag Ulrich Dehners, die sechs Ich-“Zustände“ als Haltungen zu betrachten, die sich wiederum in jedem der drei echten Ich-Zustände (Eltern-Ich, Erwachsenen-Ich und Kind-Ich) finden lassen. Dieser Gedanke erweitert das klassische Verständnis der TA und lässt spezifische Verhaltens- bzw. Kommunikationsmuster von Klienten mit einer deutlich höheren Auflösung verständlich werden, als dies bei der gängigen Anwendung des Modells möglich wäre.
  • Besonderer Schwerpunkt des Buches ist die Hervorhebung der Prozessebene im Coaching. Unabhängig von einer rein intellektuellen Deutung, werden der Coach und sein eigenes Verhalten unmittelbar in das Modell integriert und die Bedeutung des Vorbildcharakters für viele Fragestellungen akzentuiert herausgearbeitet. Damit steht das Buch im Einklang mit all dem, was auch durch neuere neurowissenschaftliche Erkenntnisse (z. B. durch die Erforschung der Spiegelneuronen) immer mehr zu Tage kommt. Nur wenn der Coach als Vorbild agiert, können nachhaltige Verhaltensveränderungen beim Klienten bewirkt werden.
  • Differenzierung zwischen einem Ego- und einem Psychogramm und deren Wechselwirkungen in Betracht auf die dadurch entstehenden Probleme, mit denen viele Klienten sich herumplagen, zeigt die mannigfaltigen Bedeutungen auf, die innerpsychische Vorgänge in der Interaktion in bzw. mit Systemen mit sich bringen können. Hierbei wird immer wieder auch auf die kontextuelle Ebene eingegangen, wodurch erkennbar wird, dass das Systemische trotz einer individuenzentrierten Betrachtungsweise stets mit einbezogen wird.
  • Im Rahmen meiner eigenen Coachig-Ausbildung wurde sehr viel über die sogenannten „Erlauber“ gesprochen, die man jenen Glaubenssätzen entgegenhalten sollte, die man in der eigenen Kindheit verinnerlicht hat. Dass dieses Vorgehen in den meisten Fällen wenig hilfreich ist, erklären die Autoren, indem sie die Bedeutung der sogenannten Skripte, nach denen Menschen ihr Leben organisieren, anhand zahlreicher Beispiele aufschlüsseln und deutlich machen, mit welcher Raffinesse Menschen sich selbst immer wieder ein Bein stellen. Die Lösungsansätze, die die Autoren anbieten, sind stets angereichert mit einleuchtenden Ideen und Coaching-Tools, die zwar teilweise hinlänglich bekannt sind, im jeweiligen Kontext allerdings eine neue Bedeutung bekommen.

Des Weiteren finden sich interessante Hinweise zu vielen klassischen Modellannahmen in dem Buch. So werden zum Beispiel die sogenannten „Spiele der Erwachsenen“ beleuchtet und es wird dazu aufgerufen, bei der Anwendung des berühmten Drama-Dreiecks bspw. genau hinzuschauen, ob die darin zu findenden Positionen im Einzelfall tatsächlich nur als bevorzugte Rollenmuster betrachtet werden können?

Man könnte den Autoren vorwerfen, dass manche Beispiele sehr komplexe Zusammenhänge stark vereinfachen und einige Interventionsmöglichkeiten nur oberflächlich abgeleitet werden. Dem lässt sich jedoch entgegenhalten, dass Beispiele immer nur einen kleinen Auszug aus der Wirklichkeit beschreiben können und dass es für die Verständlichkeit manchmal besser ist, gewisse Ungenauigkeiten in Kauf zu nehmen. Auch sollte sich jeder Leser bewusst sein, dass das Geschriebene nur so verstanden werden kann, wie die eigene Wahrnehmung dies aufgrund der individuellen Prägung zulässt. Durch die Vielzahl der dargelegten Fälle, mit denen die Autoren die Annahmen des Modells plausibel zu machen versuchen, wird diesem Vorwurf jedoch wirkungsvoll entgegengewirkt! Die theoretischen Ausführungen zur Transaktionsanalyse werden im ausreichenden Maße detailliert und praxisbezogen dargeboten und lassen sich somit unmittelbar anwenden. Dieses Buch ist eine gelungene Erweiterung des methodischen Handwerkskoffers, mittels dessen Klienten dazu verholfen werden kann, sich von ihren intuitiven Verhaltensmustern hin zu einer reflektierten und selbstbestimmten Wirkungsweise zu entwickeln und somit die eigenen Handlungsspielräume und Einflussmöglichkeiten auf ihr Leben zu erweitern.

Dehner, U. & Dehner, R. (2013). Transaktionsanalyse im Coaching. managerSeminare Verlags GmbH, Bonn.

Rezension von Rainer Müller, www.psyche-und-arbeit.de