SFH - verzweifelt gesucht!

| Alice Dehner
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Wo hab ich denn bloß.... verflixt, wo versteckt er sich denn! Irgendwo muss er doch sein! Der kann sich doch nicht plötzlich in Luft aufgelöst haben? Aber wo ist er denn bloß abgeblieben? Es ist doch noch gar nicht so lang her, dass ich ihn das letzte mal gesehen habe! Oder doch? Also, ich glaube, das heißt, ich bin fast sicher, das war noch nicht sooo lange her, aber andererseits - wer weiß? Je älter man wird, desto schneller vergeht bekanntlich die Zeit, vielleicht fehlt er mir doch schon länger und ich habe es in der Alltagshektik nur nicht gleich gemerkt. Sie wissen ja, immer Trubel, immer viel zu tun, na, wem sage ich das. Da kann es ja schon mal passieren, dass einem etwas abhanden kommt, ohne dass es einem gleich auffällt.

Also hergegeben habe ich ihn nicht, auch nicht verliehen, und ich habe ihn auch ganz sicher nicht weggeschmissen. Ich muss das an dieser Stelle betonen. Wenn bei uns zuhause etwas verschwunden ist oder nicht gleich gefunden wird, stehe ich immer sofort unter General-Verdacht. Auf der Stelle wirft man mir vor, ich hätte es weggeworfen. Das ist selbstverständlich vollkommen ungerecht. Nur weil meiner Vorliebe für eine halbwegs aufgeräumte Wohnung ein oder höchstens zweimal etwas zum Opfer gefallen ist, das möglicherweise doch kein Müll war, heißt das ja noch lange nicht, dass ich alles gleich entsorge, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringt.

Ich weiß auch deswegen genau, dass ich ihn nicht weggeschmissen habe, weil ich nämlich eigentlich diejenige bin, die immer alles aufbewahrt, solange es noch einigermaßen brauchbar ist. Und er ist zwar zugegebenermaßen etwas strapaziert, aber immer noch gut zu gebrauchen. Das habe ich mir jedenfalls immer eingebildet! So ein bisschen in die Jahre gekommen, an manchen Stellen vielleicht sogar ein bisschen abgenutzt, aber doch längst noch nicht verschlissen. Wie der Lieblingsmantel, den man immer noch im Schrank hängen hat, weil man sich einfach nicht von ihm trennen will. Er war mal richtig teuer und wärmt ganz wunderbar. Jetzt ist er vielleicht etwas altmodisch, aber, du lieber Gott, das ist man schließlich selber auch. Wie gesagt, ein bisschen strapaziert, der alte Mantel, an den Kanten ein bisschen abgestoßen, aber deswegen doch noch nicht schlecht. Er hat ja auch viel mitgemacht.

Genau wie man selbst! Man hat ja doch schon einiges hinter sich und kann darauf auch stolz sein - meistens jedenfalls. Gut, das eine oder andere war möglicherweise überflüssig, darauf hätte man verzichten können. Aber im Großen und Ganzen war doch alles wertvoll und wichtig. Man hat seine Erfahrungen und will im Grunde auf keine verzichten. Das Leben, das man schon gelebt hat, hat einen geformt. Sie waren nötig, all die Jahre, die man schon hinter sich hat!

Und das ist jetzt vielleicht der richtige Moment, um Schluss zu machen mit der frommen Lüge, man sei so alt, wie man sich fühlt - ha! Schön wär’s! Das fünfzig das neue dreißig ist und ähnlicher Quatsch! Das ist eine Erfindung der Kosmetikindustrie und der Sportartikelhersteller, der Fabrikanten, die schicke Autos herstellen und der Modebranche, kurz all derer, die ungeheuer viel Geld damit verdienen, dass die Vergänglichkeit so unpopulär ist, wenn sie die eigene Person betrifft - die im übrigen auch genau wissen, dass sie den (älteren) Herrschaften sehr viel mehr Geld aus den Rippen leiern können, wenn sie ihnen die Illusion verkaufen, noch jung und knackig zu sein. Liebe Damen, findet euch damit ab, dass gefärbte Haare, Make-up und topmodisches Outfit euch nicht eine Sekunde jünger machen, als ihr seid. Liebe Herren, nehmt es dem Alter nicht übel, dass es sich zeigt, auch wenn ihr im Sport-Cabrio, auf dem Rennrad oder in der superschnittigen Yacht aufkreuzt.

Die Spatzen pfeifen es seit längerem von den Dächern, aber noch scheint sich nicht jeder damit abgefunden zu haben: Wir werden ausnahmslos alle älter! Echt! Und die schlichte Wahrheit ist, dass man das auch sieht. Und auch sehen darf, verdammt noch mal! Warum nur hält jeder sich für die berühmte Ausnahme, an der die Zeichen der Zeit spurlos vorübergegangen sind? Eine Freundin, deren Klugheit ich ansonsten überaus schätze, die jedoch keinen Tag jünger aussieht, als sie ist, erklärte mir neulich ganz ernsthaft, dass sie sehr glücklich darüber ist, sich so viel besser gehalten zu haben als ihre Mutter, die in dem Alter, das sie, die Freundin, jetzt hat, schon richtig alt ausgesehen habe. Da hatte ich ihn noch, das weiß ich genau! Ich habe nämlich nichts gesagt, sondern nur ein bisschen in mich hineingegrinst.

Aber gestern fiel mir plötzlich auf, dass er weg ist. Also, wo ist er? Hat jemand meinen Sinn für Humor gesehen? Ich will ihn wiederhaben! Es ist nicht komisch, wenn der auf einmal fehlt, gerade wenn man sich überraschend im Spiegel begegnet. Da hat man nichts zu lachen, das können Sie mir glauben, sondern kann nur erschüttert die Stirn über die Runzeln runzeln.

Ich habe übrigens keineswegs mein Alter, sondern die politische Lage im Verdacht, an seinem hoffentlich temporären Abtauchen beteiligt zu sein. Wenn man erkennen muss, dass sich in Deutschland Fremdenfeindlichkeit, ja, Fremdenhass und rechtes Gesindel mit seinen unglaublich dummen Parolen ( und der unglaublich schlechte Rechtschreibung und Grammatik) breitmachen, da kann einem das Lachen schon vergehen, oder? Diese armen fehlgeleiteten Irren heißen zwar Neo, aber sie sind in ihren Herzen und Hirnen - haben sie überhaupt eines und was ist eigentlich der Diminutiv von Hirn? Spatzenhirn? - so alt, wie man niemals werden möchte. Und ich wünschte, sie würden einfach ausgelacht, wo immer sie blöd herumtönen.