Silodenken in Unternehmen – wie lässt es sich aufbrechen?

Steigen wir direkt mit einem typischen Szenario aus der Beratung ein. Zu uns kam eine Führungskraft, die in erster Linie zuständig für eine Produktgruppe in ihrem Konzern ist. Dieser arbeitet momentan an einer neuen Digitalisierungsstrategie für die verschiedenen Produkte, um sie so noch mehr zu vernetzen und der Digitalisierung Rechnung zu tragen. Es wurde ein Projekt aufgesetzt und in übergreifenden Meetings sollten nun die verschiedenen Produktgruppenleiter eine Strategie entwickelt, wie die Digitalisierung aussehen kann, sodass alle Produktgruppen davon profitieren. Doch jetzt machte sich das Silodenken deutlich bemerkbar …
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Die Führungskraft hatte im Prozess das Gefühl, dass jeder versucht, nur sein eigenes Thema durchzudrücken und lediglich das Beste für die eigene Produktgruppe rauszuholen. Niemand war auch nur im Ansatz bereit, zugunsten des großen Ganzen Abstriche zu machen. Es wurde nicht produktübergreifend gedacht und auch der Blick über den eigenen Tellerrand ließ zu wünschen übrig, weshalb sich die Führungskraft sehr über ihre Kollegen ärgerte.

Silodenken verhindert den Fortschritt

Der Ärger über das Silodenkens ist in vielen Unternehmen zu beobachten. Jede Abteilung fokussiert sich nur auf ihr eigenes Tun, und der gedankliche Austausch zwischen den verschiedenen Teams findet kaum statt. Es werden häufig Sätze wie „Dafür sind wir nicht zuständig“ oder „Wir können nicht weiterarbeiten, solange die andere Abteilung ihre Probleme nicht gelöst bekommt“ geäußert. Die Kommunikation sowie das Betriebsklima leiden darunter und auch ein gemeinschaftliches Streben nach den besten Lösungen wird durch diese Abschottung gehemmt. Die kollaborative Zusammenarbeit, die sich die Führungskraft in ihrem Projekt wünschte, um eine gute Strategie zu entwickeln, blieb auf der Strecke. Die Gründe hierfür sind oftmals unzureichende Kommunikation, unorganisierte Arbeitsabläufe, Rivalitäten unter den Abteilungen und mangelnde Zusammenarbeit. All das führt dazu, dass Unternehmen unfähig werden, eine Einheit zu bilden und als großes Ganzes zu funktionieren. Das Silodenken verhindert somit den Fortschritt in Richtung Unternehmenserfolg und bremst innovative Ansätze, wie in diesem Beispiel, eine Digitalisierungsstrategie, aus.

Die Ursachen des Silodenkens

Es ist offensichtlich, dass Silodenken den Erfolg eines Unternehmens behindert. Doch warum kommt es dennoch so häufig vor? Silos bilden sich in der Regel nicht plötzlich, sondern sie schleichen sich ein. Das kann an einem Konflikt in der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Teams liegen, der nicht gelöst wurde – so war es bei unserer Führungskraft der Fall. Als wir darauf zu sprechen kamen, schilderte sie verschiedene Vorfälle zwischen den Produktgruppen, die zu Missverständnis und letztlich auch zu Konflikten führten. Diese wurden allerdings nie sauber gelöst, sondern ausgesessen und von weiteren Themen überlagert.

Um generell zu verstehen, wie Silodenken entsteht, lohnt es sich einen genaueren Blick auf zwei psychologische Prozesse zu werfen.

1 – Konkurrenzdenken

Konkurrenzdenken und Silos entstehen häufig im Wettbewerb um eine sehr geschätzte, aber gleichzeitig knappe Ressource. Das sind etwa Budgets aber auch Lob und Wertschätzung für die eigene Arbeit. Auch das ist eine Ressource, die nur bedingt von den Führungskräften weiter oben zugesprochen wird. Im Kampf um diese knappen Ressourcen entstehen Rivalität, Silodenken und der Wettbewerb wird damit zu einem realen Konflikt. Das bestätigte auch die Führungskraft in der Beratung. Die Abteilungsleiter waren in jeder Situation, in der höhere Hierarchien anwesend waren, massiv darauf bedacht, wer die Lorbeeren einheimst – waren mehrere Abteilungen beteiligt, wurde mit noch härteren Bandagen gekämpft. Es ist nicht schwer, sich jetzt vorzustellen, wie es den Abteilungsleitern ergangen ist, als sie dazu aufgefordert wurden, gemeinsam eine Digitalisierungsstrategie zu erarbeiten. Die Frage nach dem Lob, das vielleicht den nächsten Karriereschritt vorantreibt, war ebenso präsent wie die nach der Schuld, wenn es nicht funktionieren sollte.

2 – favorisierte Gruppen

Ein zweiter Hintergrund, warum Silos entstehen, ist, dass Menschen generell die eigene Gruppe favorisieren und dazu neigen, eine Fremdgruppe abzuwerten. Das ist ein natürliches psychologisches Phänomen. Während in der eigenen Gruppe ein Wir-Gefühl herrscht, das positive Emotionen auflöst, wird eine fremde Gruppe hingegen eher abgewertet. In diesem Fall wird auch weniger Kontakt zu den anderen gesucht, was wiederrum schneller zu Vorurteilen und falschen Annahmen führt.

Silodenken ist somit ein natürlicher Prozess, der aufgrund von vorgegebenen Strukturen in jedem Unternehmen vorkommen kann. Es bringt allerdings viele Nachteile mit sich, die den Erfolg eines Unternehmens schmälern. Dazu zählen die erschwerte abteilungsübergreifende Zusammenarbeit oder das Ausbremsen innovativer Ansätze. Um Silodenken aufzubrechen, sind in der Regel Umstrukturierungsprozesse erforderlich. Dabei gilt es zu beachten, dass dies nicht von heute auf morgen geht, denn festgefahrene Verhaltensmuster zu verändern, nimmt immer Zeit in Anspruch und braucht einen gut gestalteten Changeprozess, bei dem alle Beteiligten mitgenommen werden. Um die organisatorische Veränderung einzuleiten und eine innovative Zusammenarbeit zu fördern, bedarf es auch einer guten Führung.

Überblick verschaffen und Ziele festlegen

Im ersten Schritt ist es sinnvoll, sich einen Überblick über die aktuelle Situation zu verschaffen:

  • Wie ist die Organisation aufgebaut?
  • Welche Abteilungen arbeiten momentan zusammen und welche nicht?
  • Welche Barrieren gibt es?
  • Welche Kommunikationsmuster behindern die Zusammenarbeit?

Dabei sollten nicht einzelne Mitarbeitende oder Teams beschuldigt werden. Vielmehr geht es darum, ein möglichst genaues Bild der aktuellen Situation zu bekommen, um anschließend die richtigen Maßnahmen und Ziele ableiten zu können. Im Ergebnis sollte dann eine kollaborative Zusammenarbeit entstehen. Wird diese angestrebt, stehen flexible Lösungen und Herausforderungen im Fokus. So bildet sich mehr und mehr auch eine agile Organisation – je flexibler Teams zusammengestellt werden, zum Beispiel in verschiedenen heterogenen Teams, desto mehr Agilität findet sich letztlich darin. Da die Abteilungsgrenzen, die das Silodenken prägen, verwischen werden Organisationen agiler. Das Zusammenstellen von interdisziplinären Teams bildet dafür eine hervorragende Grundlage. In diesen kommen Mitarbeitende aus verschiedenen Bereichen zusammen, um gemeinsam am Projekt zu arbeiten. Dadurch entsteht eine Dekatigorisierung, das bedeutet, dass die Barriere zwischen den Abteilungen durch den vermehrten Kontakt verringert wird. Die Mitarbeitenden kommen wieder in Kontakt, arbeiten zusammen und können so Vorurteile abbauen.

Die Lösung in der Praxis

Mit der Führungskraft aus unserer Beratung haben wir verschiedene Maßnahmen erarbeitet, um das Silodenken in ihrem Unternehmen aufzubrechen. So hat sie zunächst auf ihrer Ebene den informellen Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen gesucht und sich mit ihnen ausgetauscht, um ein besseres Verständnis für ihre jeweiligen Herausforderungen zu entwickeln. Zudem hat sie versucht kleinere Gruppen aus ihrer Ebene einzuladen, um in einem unverbindlichen Rahmen die Gespräche zu intensivieren. Auch die Bildung von Subgruppen auf Mitarbeiterebene wurde in Gang gebracht, um die Zusammenarbeit zu fördern und das „Wir gegen die“-Denken aufzubrechen.

Ein weiteres wichtiges Element war die Kommunikation des gemeinsamen Ziels, nämlich der Digitalisierungsstrategie. Es wurde deutlich gemacht, dass alle Abteilungen gemeinsam an diesem Ziel arbeiten sollten. Wichtig war es hierbei, eine Situation zu schaffen, in der es eine positive Bindung zwischen den einzelnen Gruppen gibt, die durch Kooperation und den Abbau wechselseitiger Vorurteile Vorteile schafft. Generell konnte die Führungskraft anstoßen, dass das gemeinsame Ziel noch besser kommuniziert wurde. Das war nämlich gehörig aus dem Fokus geraten. Die Führungskraft konnte durch gezielte Maßnahmen das Silodenken in ihrem Unternehmen erfolgreich aufbrechen. Die Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen verbesserte sich durch die interdisziplinären Teams, und es entstand ein Teamgefühl. Durch eine klare Kommunikation des gemeinsamen Ziels und die Lösung von Konflikten wurde die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit gefördert.

Um Konkurrenzdenken zu vermeiden oder abzuschaffen, ist es außerdem hilfreich, über ein abteilungsübergreifendes Belohnungssysteme nachzudenken. Dadurch wird nicht nur eine bestimmte Abteilung belohnt, sondern es wird genau betrachtet, welchen Beitrag jeder Einzelne zum Erreichen der Gesamtunternehmensziele geleistet wurde. Anstelle von ausschließlich individuellen Zielen sollten auch Gruppenziele oder Projektziele definiert werden. Ein weiterer wesentlicher Punkt ist die Stärkung der Identifikation der Mitarbeitenden mit dem gesamten Unternehmen. Je stärker sich die Mitarbeitende mit dem Unternehmen identifizieren, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich als Teil einer großen Gruppe fühlen.

Die Organisation von Veranstaltungen und Events spielt ebenfalls eine Rolle bei der Förderung eines kooperativen Arbeitsumfelds. Hierbei sollte darüber nachgedacht werden, ob diese nur auf einzelne Abteilungen beschränkt sein sollten oder ob man ein abteilungsübergreifendes Muster finden kann. Indem Führungskräfte den Mitarbeitenden Raum geben, einander kennenzulernen und zusammenzuarbeiten, können gemeinsame Ziele gefunden und die Identifikation mit dem Gesamtunternehmen gestärkt werden.

Teamgefühl statt Silodenken

Unserer Führungskraft ist es gelungen, gemeinsam mit den anderen Abteilungsleitern ein Teamgefühl aufzubauen. Durch die klare Definition von Zielen seitens der Führung und die Schaffung informeller Austauschmöglichkeiten konnte auf dieser Ebene ein Teamgefühl etabliert werden. Dieses Gefühl wurde dann durch verschiedene Aktionen weiter in kleinen Subteams getragen, um die Mitarbeitenden miteinander in Kontakt zu bringen.

Es war entscheidend, dass die Führungskräfte eine Vorbildfunktion einnehmen und die kooperative Zusammenarbeit auf Abteilungsebene fördern. Es lohnt sich, Zeit zu investieren, um eine gute Zusammenarbeit zu erreichen und somit weniger Silodenken zu haben. Der Weg zu einer erfolgreichen abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit erfordert Geduld und Durchhaltevermögen – aber die Ergebnisse sind es wert.

Im Business Podcast von Alice Dehner gibt es noch viele weitere Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken.