Tipps zur virtuellen Führung

| Alice Dehner
Auf Distanz führen ist nicht leicht. Die Arbeit im Home-Office kann sowohl für Führungskräfte wie für Mitarbeiter eine ziemliche Herausforderung sein. Aber es gibt ein paar Regeln und Grundsätze, die die Sache wenigstens etwas erleichtern. Im nachfolgenden Beitrag werden ein paar der wichtigsten Erkenntnisse und Erfahrungen, was man beachten sollte, zusammengestellt.
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Manche Führungskompetenzen sollten stärker in den Fokus rücken, wenn man will, dass virtuelle Führung ein Erfolg wird, zum Beispiel Empathie, Kommunikation und Beziehungsgestaltung. Da der direkte Austausch mit den Mitarbeitern fehlt und man nicht jederzeit mitbekommen kann, woran wer gerade arbeitet, braucht die Führungskraft vor allen Dingen eins: Vertrauen. Dieser Faktor sollte ganz entscheidend die Kommunikation prägen. Selbstverständlich brauchen auch die Mitarbeiter Vertrauen in ihre Führungskräfte, weshalb die Führungskräfte ihrerseits alles tun sollten, dieses Vertrauen zu festigen. Im besten Fall sind sich beide Seiten darüber im Klaren, dass Vertrauen immer eine „Vorschuss-Zahlung“ ist, aber vor allen Dingen Führungskräfte müssen bereit sein, diesen Vorschuss zu leisten, um die Motivation und den Teamgeist ihrer Mitarbeiter zu erhalten.

In einer gelungenen virtuellen Führung spielen Vertrauen, Wertschätzung und Beziehungsaufbau eine wesentliche Rolle

Da die bei der Kommunikation eingesetzten Medien viele der Informationen, die man bei einem persönlichen Gespräch erhält, schlicht unter den Tisch fallen lassen, muss die verbale Kommunikation sehr viel expliziter werden. Was sich im direkten Gespräch durch kleine Gesten, durch (manchmal Mikro-) Mimik oder durch Körpersprache vermittelt, das muss praktisch alles ausgesprochen werden – dieser Punkt wird häufig vergessen, wenn man virtuell kommuniziert.

Über Teams, Zoom, Telefon, Emails oder Chats kriegt Ihr Gegenüber das Lob, dass Sie früher so häufig durch ein anerkennendes Schulterklopfen gespendet haben, nicht mit; das Augenzwinkern, so schnell vorbei, aber trotzdem so beredt, lässt sich auch durch den Einsatz von Emojis nicht adäquat wiedergeben; Rückversicherungen zwischen Tür und Angel und Führung so „nebenbei“ sind nicht möglich, Sie müssen es explizit machen. Für viele ist genau das eine echte Herausforderung: Wirklich reden mit den Leuten.

Gerade, wenn informelle Gespräche z.B. an der Kaffee-Maschine oder beim Mittagessen wegfallen, braucht die Gestaltung der Beziehung besondere Pflege!

Um die Auswirkungen von Distanz kompensieren zu können, werden die sozialen und integrativen Kompetenzen der Führungskräfte besonders wichtig. Ein auf Kooperation und Vertrauen setzender Führungsstil hilft, das Team zu motivieren und Beziehung auch auf Distanz fruchtbar zu gestalten.

Laut Studien wird die Distanz, die Mitarbeiter gegenüber ihren Führungskräften erleben, vor allem durch den Eindruck von Status, Autorität und die Häufigkeit des Kontakts bestimmt. Während es in der klassischen Führung jenseits von formalen Meetings, Jour-Fixes und Mitarbeitergesprächen meist auch jede Menge andere Kontaktpunkte im täglichen Miteinander gibt, fallen diese zusätzlichen Kontaktmöglichkeiten in der virtuellen Führung weg. 

Bei Kontakten, die für die Mitarbeiter wichtig sind, zählt tatsächlich nicht die Summe der Zeit, sondern die Summe der Kontakte. Das bedeutet für die virtuelle Führung, dass es eine regelmäßige Kontaktfrequenz geben sollte mit lieber häufigeren statt längeren Meetings. Also sollten Online-Meetings tendenziell kürzer und dafür fokussierter sein als live-Meetings, da die Aufmerksamkeitsspanne online häufig kürzer ist.

Der virtuelle Kaffee-Automat

Für gewöhnlich neigen Führungskräfte bei der virtuellen Führung dazu, jenseits der formalen Mitarbeitergespräche nur dann den Kontakt zu suchen, um fachliche Themen zu besprechen. Diese werden gern sehr fokussiert via E-Mail, Telefon oder Videochat besprochen. Dabei kommen all die informellen Gespräche und der Austausch ohne konkreten Fokus zu kurz, was z.B. bei einem gemeinsamen Mittagessen zustande kommen würde. Um die persönliche Beziehung aufzubauen und das Vertrauen zu stärken, sind aber auch solche Gespräche wichtig. D.h. auch bei der virtuellen Führung sollten Führungskräfte versuchen, einfach mal den Kontakt zu den Mitarbeitern zu suchen, um zu fragen, wie es ihnen geht, vielleicht einmal einen virtuellen Kaffee zusammen zu trinken. Ein Team eines Unternehmens, das ich begleite, hat z.B. regelmäßige virtuelle Treffen organisiert, die immer mit einer Aktion verbunden waren, wie eine gemeinsame online-Weinprobe.

Kleine Gesten der Wertschätzung kommen durch die zielgerichteten Gespräche in der virtuellen Führung oft zu kurz. Deshalb sollten Führungskräfte darauf achten, positives Feedback bewusst in kleinen Gesten zu platzieren. So kann z.B. am Ende jeder Woche ein Feedback zur Woche gegeben werden, mit dem Fokus auf das, was gut gelaufen ist. Auch kleine Gesten, wie via eMail oder im Chat ein schönes Wochenende zu wünschen oder am Montag nach dem Wochenende zu fragen, drücken Wertschätzung aus. Eine besondere Form der Wertschätzung ist es, wenn die Führungskraft von ihren eigenen Herausforderungen und Themen berichtet und Mitarbeiter nach ihrer Meinung dazu fragt. Das Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern immer wieder zu betonen, beugt Illoyalität vor, denn wer ist gerne jemandem gegenüber illoyal, der einem einen großen Vertrauensvorschuss gibt?

Die Rolle der Führungskraft

Aber auch die Kommunikation bezüglich Visionen und Zielen, Aufgaben und Erwartungen muss sehr klar sein, um Missverständnisse in der Zusammenarbeit zu vermeiden. Alle Aufgaben und Ziele sollten in einen Gesamtkontext gesetzt werden, so dass die Mitarbeiter jederzeit den Sinn einzelner Schritte nachvollziehen können.

Außerdem ist es bei der virtuellen Führung meist Ziel führend, dem Team wesentlich mehr Entscheidungsfreiheiten einzuräumen. Hierfür braucht es selbstverantwortliche Mitarbeiter, die in der Lage sind, diese Verantwortung zu übernehmen. Da muss eventuell gelegentlich „Entwicklungsarbeit“ geleistet werden. Die Führungskraft macht sich in solchen selbstverantwortlichen Teams nicht überflüssig, aber sie muss eine andere Rolle einnehmen.

Die Rolle der Führungskraft ist zunehmend eine „dienstleistungsorientierte“, coachende Rolle, bei der es darum geht, die Mitarbeiter zu betreuen und zu entwickeln. Führungskräfte sollten mehr denn je wissen, wie es den Mitarbeitern geht, woran sie arbeiten und was sie beschäftigt. Die Motivation eines Teams wird durch Vertrauen, Lob und Wertschätzung sowie Beziehungsgestaltung seitens der Führungskraft geprägt. Hierfür braucht die Führungskraft viel Empathie und Klarheit.

Zu den oben genannten Kompetenzen kommt die Notwendigkeit, über technische Kompetenz zu verfügen und auch virtuell Präsenz zu zeigen.

Praktisch braucht eine virtuelle Führungskraft natürlich Tools, um die Aufgaben und Prozesse zu organisieren. Die Prozesse und Abläufe müssen an die virtuelle Zusammenarbeit angepasst werden, hierfür braucht es Regeln und Absprachen, z.B. zu Tagesstruktur, Erreichbarkeit, genutzten Kommunikationskanälen oder Reaktionszeiten. Das bedarf eines guten Selbstmanagements für die Führungskraft und das Team.

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