Turteln Sie doch mal mit den Tauben!

| Alice Dehner
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Wenn Sie zufällig zu denen gehören, die schon mal heftig über die „blöden Tauben“ geschimpft haben, ist jetzt der Zeitpunkt für Sie gekommen, in sich zu gehen. Tauben sind nämlich alles andere als blöd. Sie beeindrucken durch geistige Höchstleistungen, stellen als Kunstkenner menschliche Banausen in den Schatten und besitzen, obwohl sie selbst gar nicht reden, erstaunliche Fähigkeiten im Bereich der Spracherkennung. Sie übertreffen in dieser, aber nicht nur in dieser Leistung, wie ich noch ausführen werde, ihre menschlichen Mitgeschöpfe. Und nicht zu reden, muss ja auch nicht unbedingt als Nachteil gewertet werden. Gibt doch genügend Leute, die zwar nicht über ein Tauben- aber sehr wohl über ein Spatzenhirn verfügen. Würden die alle schweigen, um wieviel besser wäre nicht die Welt?

Wie auch immer, zahlreiche Studien, zum Beispiel an den Universitäten von Kalifornien oder Otago in Neuseeland belegen, dass die häufig so bitter zu Unrecht geschmähten Tauben schon nach kurzem Training imstande sind zu unterscheiden, ob es sich bei Buchstabenkombinationen um echte Wörter oder um unsinnige Silbenabfolgen handelt. Ich weiß nicht, wie lange Trump zur Schule ging, aber diese Aufgabe bewältigt er noch immer nicht zuverlässig, wie etliche seiner Tweets beweisen. Das ist aber nicht das Einzige, was sie von Trump unterscheidet. Forscher um Robert Epstein machten die Erfahrung, dass die Tauben manchmal sogar in Aufgaben glänzen, die sie eigentlich gar nicht beherrschen. Dass mit dem Nicht-Beherrschen von Aufgaben kann Trump auch, okay, aber er hat noch nie darin geglänzt. Jedenfalls ist mir da noch nichts Signifikantes aufgefallen.

Sie wollen wissen, was Tauben noch können? Sie können zum Beispiel ganz zweifelsfrei einen Monet von einem Picasso unterscheiden. Das können Sie auch? Darauf brauchen Sie sich aber echt nichts einzubilden! Doch hätten Sie das einer Taube zugetraut? Eine andere Fähigkeit der Tauben ist jedoch noch viel beeindruckender. Sie wissen zum Beispiel um ihre Grenzen. In der neuesten Ausgabe des Fachmagazins „Animal Cognition“ beschreiben Forscher der Kyoto University folgendes Experiment: Die Aufgabe der Tauben bestand darin, Symbole auf einem Bildschirm in einer vorher gelernten Reihenfolge anzupicken (also das allein beweist schon, dass die Tauben zum Beispiel mir überlegen sind, was den Gebrauch eines Computers betrifft. Ich versuche seit Jahren vergeblich, mir die Reihenfolge bestimmter Schritte auf dem Computer zu merken und wenn ich die engelsgeduldige Selma nicht hätte, hätte ich mich schon längst mit dem W-Lan erhängt).

Bei der oben genannten Aufgabe für die Tauben gab es verschiedene Schwierigkeitsstufen. Die Tauben hatten jedoch auch gelernt, dass sie sich Hilfe holen konnten, indem sie auf ein bestimmtes Symbol auf dem Bildschirm picken. Taten sie das, wurde ihnen gezeigt, welches der Bilder sie laut Testprotokoll als nächstes wählen sollten. Überhaupt imstande zu sein, seine eigenen Grenzen zu erkennen und sich Hilfe zu holen, wenn man allein nicht weiterkommt, hebt die Vögel über das Niveau, sagen wir mal, tja wer fällt einem da nun spontan ein??? - könnte es ein amerikanischer Präsident sein? - weit hinaus. Die Meisterleistung der Vögel bestand nun aber darin, schon bevor sie mit dem Lösen der Aufgabe begannen, einzuschätzen, ob sie Hilfe brauchen oder allein klarkommen würden. Sie betätigten die Hilfetaste häufiger, wenn sie mit einer schwierigen Aufgabe rechneten.

Diese Einsicht in die Reichweite des eigenen Wissens stellt eine enorme kognitive Leistung dar - und ob wir als Menschen die in diesem Ausmaß besitzen, das ist alles andere als sicher. Wie der soeben verstorbene geniale Physiker Stephen Hawking einmal so richtig festgestellt hat: „Der größte Feind des Wissens ist nicht das Unwissen, sondern die Illusion, wissend zu sein.“ Wer wollte bestreiten, dass diese Illusion überreichlich vorhanden ist - bei uns Menschen jedenfalls, offenbar eher seltener bei den Tauben.

Und gerade als ich den verblüffenden Artikel über das intelligente Vermögen dieser klitzekleinen Hirne in den Taubenköpfchen las, hörte ich in den Nachrichten des Bayrischen Rundfunks, dass von nur an das Fütterungsverbot für Tauben in München wieder eingeführt wird, denn, so wird das begründet, durch ihre unkontrollierte Vermehrung kommt es in der Stadt zu erheblicher Verschmutzung.

Haha, der war gut, oder? Ehrlich, ich lach mich scheckig! Dieses Argument aus dem Mund des Vertreters einer Spezies, die sich so unkontrolliert vermehrt, dass der Planet demnächst unter den Milliarden zusammenbricht und die soviel Verschmutzung verursacht, dass sie ihr eigenes Überleben in höchste Gefahr bringt! Wenn ich eine Taube wäre, ich würde mich kringelig gurren…