Über Fragen

| Alice Dehner
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Kennen Sie das auch? Man hat wunderbare Antworten im Kopf auf Fragen, die einem leider nie gestellt werden. Was könnte man für herrliche Sachen sagen, wenn man nur mal klug genug befragt würde. Von einem Interviewer zum Beispiel, der die ausführlichen, wohlfundierten und scharfsinnig begründeten Antworten dann in einem viel gelesenen und renommierten Magazin einer interessierten, was heißt interessierten, einer begierigen Öffentlichkeit zur Kenntnis bringt, oder so. Womit man sich dann etabliert als jemand, der viel klügere Sachen zu sagen hat als jene Politiker, Managementgrößen oder Marketing-Experten, die so unendlich viel heiße Luft von sich geben, dass das allein vermutlich schon ein Gutteil der drohenden globalen Umweltkatastrophe ausmacht. Das sollte jedenfalls unbedingt mal wissenschaftlich untersucht werden. Titel der Studie: „Der Einfluss, den der Ausstoß von heißer Luft seitens Frau Merkel et alii auf die Klima- Erwärmung nimmt, unter Berücksichtigung der Faktoren Wahlkampf, politische Zugehörigkeit und rhetorischeTagesform.“

Und klügere Sachen würde man sowieso von sich geben als jene halbprominenten Dummerchen, die leider trotz intellektueller Defizite eine Medienpräsenz besitzen, die man sich auch manchmal wünscht, aus vollkommen ehrenwerten Gründen selbstverständlich! Also nicht, um nur dem eigenen Ego zu schmeicheln und dabei auch noch Geld rauszuschlagen wie diese sogenannten It-Girls und Konsorten, sondern um Gutes zu tun.

Wobei die Sache mit dem „Gutes tun“ zugegebenermaßen auch ihre Fallstricke besitzt. Ich habe gerade ein sehr langes Interview mit Larry Page gelesen. Darin versichert der Google Gründer und Chef immer wieder, man wolle Gutes tun für die gesamte Menschheit. Also, damit wir uns recht verstehen: Google arbeitet Tag und Nacht daran, das Wohl der leidenden Weltbevölkerung zu lindern, you see? Selbstverständlich geht es nicht um Marktmacht und Profit! Sie haben doch da hoffentlich keine Zweifel?! Ich muss einräumen, nachdem ich das Interview gelesen hatte, dachte ich: „Der Himmel bewahre uns vor Menschen, die Gutes tun wollen.“ Larry Page scheint mir (sehr frei nach Goethe) in die Kategorie „Er ist ein Teil von jener Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft“ zu gehören - jedenfalls, wenn er selber glaubt, was er sagt! Was man allerdings nicht als selbstverständlich voraussetzen kann. Unter uns, vermutlich ist es eher so, dass die Mitglieder dieser ganzen Mischpoke so ans Lügen gewöhnt sind, dass sie sich noch nicht mal selber glauben, wenn sie sagen, wie sie heißen. Statt Gutes zu tun vielleicht schlicht und ergreifend mal anständig Steuern zahlen - wäre das machbar?

Das ist doch auch eine ganz exzellente Frage! Es ist zwar keine von jenen, die mir jener Interviewer jenes renommierten Blattes mal stellen sollte, als ich oben anfing, von den herrlichen Antworten zu fantasieren, die man im Fall des unwahrscheinlichen Falles eines Interviews geben könnte. Denn erstens würde meine Antwort vermutlich sehr schnell als „naiv“ entlarvt und zweitens fiele sie ja nur sehr kurz aus: „Ja, verdammt nochmal, zahlt endlich Eure Steuern, ihr blöden Konzerne!“

Aber, um auf den Ausgangspunkt und jenes hypothetische Interview zurückzukommen: Wir wollen jetzt nicht größenwahnsinnig werden - man würde sich ja schon freuen, wenn überhaupt mal jemand so fragen würde, dass man endlich das loswerden kann, was man sich unter der Dusche oder im Gartenliegestuhl oder beim Spaziergang so wunderbar zusammenformuliert. Stattdessen muss man Antworten geben auf Fragen minderer Qualität wie: „Schaffst du es, das Angebot bis heute nachmittag zu überarbeiten?“ oder „Warum ist denn die Buchhaltung noch nicht fertig?“ oder „Was gibts heute im Fernsehen?“ Ehrlich, diese Antworten - vor allem die letzte - sind so langweilig, das will doch im Ernst kein Mensch wissen!

Manchmal wundert man sich natürlich auch über die Fragen, die sich andere Menschen stellen. So las ich zum Beispiel, dass es eine erkleckliche Anzahl von Philosophen gibt, die sich fragen, wie das Bewusstsein in den Menschen hineinkommt. Sie liegen übrigens im Clinch mit jenen Philosophen, die sich allen Ernstes fragen, ob es so etwas wie „Bewusstsein“ überhaupt gibt. Nun bin ich kein Fachmann, wage aber trotzdem die Meinung, dass mir eine solche Frage ähnlich tierschürfend und sinnvoll zu sein scheint, wie die, ob Gehen etwas mit den Beinen zu tun hat.

Was nun den Vorgang der Installation des Bewusstseins in das menschliche Corpus delicti angeht, so habe ich dazu auch eine Meinung: Ich glaube nicht, dass wir ein Bewusstsein „haben“, ich glaube, dass wir Bewusstsein „sind“. Und nicht nur wir, selbstverständlich. Ich glaube, dass jede lebendige Zelle Bewusstsein ist. Es handelt sich also nicht darum, dass in unser Hirn oder Herz erst ein Bewusstsein hinein praktiziert werden müsste, quasi nachträglich, als Sonderbonus der Natur, sondern was immer lebt, ist auch Bewusstsein. Durch die neuesten Forschungsergebnisse von Biologen, die Pflanzenverhalten untersuchen, fühle ich mich bestätigt. Zu welchen Intelligenzleistungen und zu welch mitfühlendem Verhalten Pflanzen fähig sind, wird von vielen Beispielen erhellt, die etwa schildern, dass Pflanzen sich entscheiden können, einen besonderen Duftstoff abzusondern, wenn sie von Schädlingen befallen sind. Dieser Duftstoff lockt andere Insekten an, die den Schädlingen den Garaus machen. Oder sie können sich entscheiden, ihr Wasser und ihre Nährstoffe mit Nachbarpflanzen zu teilen.

Zu solch einer Intelligenzleistung und zu solchem Mitgefühl, man muss es leider feststellen, es gibt dafür genügend Beispiele, ist nicht jeder in der menschlichen Gesellschaft fähig! Man sollte also sehr vorsichtig werden mit Äußerungen, die einem anderen die Intelligenz einer Kartoffel attestieren. Das könnte glatt den Tatbestand einer Beleidigung erfüllen - für die Kartoffel, versteht sich.