Was nachhaltiges Coaching auszeichnet

| Alice Dehner

(1. Artikel: Nachhaltiges Coaching)

Eine ehrgeizige junge Führungskraft war fest entschlossen, Karriere zu machen. Im Weg stand ihr dabei nur ihr Führungsverhalten. Bei ihren Vorgesetzten war bekannt, dass sie viel zu autoritär und selbstherrlich führte, dass sie ihren Mitarbeitern keine Entscheidungsfreiheiten ließ, wenig beliebt war und es in ihrem Team deshalb ungewöhnlich hohe Fluktuation gab. Da sie trotz dieses dominanten Verhaltens als fachlich sehr gut anerkannt war, legte man ihr ein Coaching ans Herz, um ihr den Weg in die nächsthöhere Hierarchie-Ebene zu ermöglichen.

Das Coaching verlief auch zur allgemeinen Zufriedenheit, es wurde erfolgreich am Rollenverständnis einer Führungskraft und auch am Verhalten gearbeitet, für die Mitarbeiter trat eine spürbare Verbesserung ein, und auch “oben” war man angetan von der positiven Entwicklung – so angetan, dass der gewünschte Karriereschritt tatsächlich vorgenommen wurde. Einige Zeit nach der Beförderung schlich sich jedoch peu á peu das alte Verhaltensmuster wieder ein und schließlich war es so, als hätte gar nie ein Coaching stattgefunden. Die Führungskraft wurde also ein zweites Mal ins Coaching geschickt.

Um es klipp und klar zu sagen: Das erste Coaching ist ganz offensichtlich schiefgegangen. Immer wenn so etwas passiert – und ich denke, man darf davon ausgehen, dass es öfter vorkommt – ist das Wasser auf die Mühlen derjenigen Coaching-Kritiker, die behaupten, dass Coaching eine viel zu oberflächliche Maßnahme sei, die nicht wirklich etwas bewirken könne und tiefergehende Probleme nicht löse. (Eine Skepsis, die in etlichen Personalabteilungen anzutreffen ist.) Ehrlicherweise muss man auch als Coach zugeben, dass daran ein Körnchen Wahrheit ist – jedenfalls dann, wenn in bestimmten Fällen kein nachhaltiges Coaching gemacht wurde.

Ich möchte zunächst erläutern, auf welchen Ebenen ein Coach die Arbeit mit einer Führungskraft ansetzen kann, um dann zu meinem Konzept des nachhaltigen Coachings zu kommen.

Die erste oder einfachste Ebene, auf der ein Coach arbeitet, ist die der Reflexion. Wenn es für eine Führungskraft darum geht, ihr eigenes Führungsverhalten neu zu reflektieren, spielt sich das hauptsächlich auf der Verstandesebene ab und erfordert nicht mehr als Einsicht oder Verständnis. Also wenn beispielsweise jemand dazu neigt, ständig Rückdelegationen anzunehmen, weil er glaubt, es sei seine Aufgabe als Führungskraft, den Mitarbeitern so viel wie möglich an Schwierigkeiten abzunehmen, kann man mit ihm reflektieren, dass Führungsaufgaben anders aussehen und was das alles beinhaltet. Wenn dem Klienten einleuchtet, dass es seine Aufgabe ist, die Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, ihre Probleme selbst zu lösen, hat er seine Einstellung zu seiner Rolle geändert und kann mit dieser veränderten Einstellung (wenn nichts anderes hinter seiner Haltung stand) auch ein dauerhaft verändertes Verhalten zeigen. Solch ein Coaching wird sich dann als bleibend erfolgreich erweisen.

Schwieriger stellt sich das Coaching dar, wenn die Reflexion allein nicht ausreicht. Hat die gerade als Beispiel angeführte Führungskraft durch ihre vorangegangenen prägenden Erfahrungen absolut verinnerlicht, dass es wichtig ist und einen hohen Wert darstellt, anderen Menschen jederzeit zu helfen und sie zu unterstützen, gerät sie jedes Mal, wenn sie das durch Reflexion und Einsicht gewonnene neue Verhalten zeigt, in einen inneren Konflikt. Sie hat erkannt, dass es wichtig ist, die Mitarbeiter manchmal “auf sich selbst zurückzuwerfen” und fühlt trotzdem den fast Zwang, unterstützend einzugreifen. Das kann zu einem erhöhten inneren Stress führen, der sie letztlich zu ihren alten Verhaltensweisen zurückkehren lässt.

Die zweite Ebene, auf der im Coaching gearbeitet werden kann, ist die Ebene der direkten Verhaltensübung. Diese Ebene braucht man, wenn eine Führungskraft bestimmte Verhaltensweisen einfach nie gelernt hat – es stehen ihr keine inneren Hemmnisse im Weg, sie weiß schlicht und ergreifend nur nicht, wie sie es anpacken soll. Wie sie zum Beispiel ein gutes Beurteilungsgespräch zu führen hat, wie sie Rückmeldungen so geben kann, dass sie beim Mitarbeiter ankommen, wie Zielvereinbarungsgespräche zu guten Resultaten kommen oder ähnliches. Wenn das im Coaching erarbeitet wurde, hat die Führungskraft keine Probleme, es in der Realität umzusetzen, also ein bleibender Erfolg. Es sei denn, hinter den Kommunikationsproblemen steckten noch andere Schwierigkeiten, die ihn beim Umsetzen des gelernten Verhaltens auf Dauer in innere Konflikte bringen.

Solche Schwierigkeiten können zum Beispiel die in der Transaktionsanalyse so genannten Antreiber sein: Etwa wenn jemand gelernt hat, dass er immer perfekt sein muss und sich deshalb keinerlei Fehler erlauben darf, oder wenn er verinnerlicht hat, dass etwas nur zählt, wenn er sich so richtig dafür angestrengt hat, also alles, was ihm leicht fällt, eigentlich nichts wert ist. Manchmal hilft auch in solchen Fällen allein schon die Einsicht, doch oft kann mit Einsicht allein der innere Konflikt nicht aufgelöst werden. Gerade bei früh und dadurch stark geprägten Verhaltensmustern, geraten Menschen in erhöhten Stress, wenn sie – und sei es auf Grund besserer Einsicht – auf sie verzichten sollen und wollen. Sie geraten in noch stärkere innere Konflikte, denn nun kommt auch noch dazu, dass sie sich innerlich abstrafen für ihr Unvermögen, sich anders zu verhalten.

Am schwierigsten wird eine dauerhafte Verhaltensänderung, wenn es um das geht, was die Transaktionsanalyse als Skript bezeichnet. Skript bedeutet in der TA, dass ein unbewusstes Lebensmuster entstanden ist, oft schon in der Kindheit und aus einer kindlichen Haltung heraus – eine Haltung, der das kritische Unterscheidungsvermögen und die Fähigkeiten des Verständnisses, die ein Erwachsener besitzt, noch fehlen. So entstand beim Kind die Angst, seine Sicherheit zu verlieren, bis hin zu der Angst, tatsächlich nicht überleben zu können, wenn es sich nicht in einer ganz bestimmten Art und Weise, also dem, was wir Skript-Glaubenssätze nennen, gemäß, verhält.

Wenn ein Kind zum Beispiel durch massive und schmerzvolle Erfahrungen gelernt hat, dass es keinen Ärger zeigen darf, kann es dieses Verhalten als Erwachsener nicht ablegen, wie ein altes Kleidungsstück. Jemand mit diesem Hintergrund, der fachlich gut ist, aus diesem Grund die ersten Sprossen der Karriereleiter erklimmt, wird an die ersten Grenzen stoßen, wenn es darum geht, dass er sich nun durchsetzen müsste, um noch weiter zu kommen. Führen bedeutet eben auch, andere zu konfrontieren, Forderungen zu stellen, Kritikgespräche zu führen, Controlling zu machen, alles Dinge, die zu Ärger führen könnten, zu einer Ablehnung seiner Person und damit zu genau dem, was seiner inneren Einschätzung nach niemals passieren darf.

Das führt zu inneren Konflikten, denen man allein mit Reflexion oder mit Rollenspielen, um auf der Verhaltensebene etwas zu ändern, nicht beikommen kann. Zwar kann so ein Verhalten im Rollenspiel durchaus gezeigt werden, in der Realität wird es aber beim Betroffenen solchen Stress auslösen, dass er es vermutlich lieber bleiben lässt. In solchen Fällen muss im Coaching etwas passieren, das geeignet ist, den inneren Konflikt, in dem sich der Klient befindet, dauerhaft aufzulösen. Dazu muss man jedoch keineswegs in der Vergangenheit graben und gerät auch nicht, wie manche Coaches vielleicht befürchten, in die Nähe von Psychotherapie, sondern man kann sich einer Technik bedienen, die sich als sehr probat erwiesen hat und ursprünglich aus der Pädagogik kommt. Wie ein nachhaltiges Coaching damit gelingt, werde ich im nächsten Newsletter beschreiben.