Was tun gegen Zeitfresser
| Alice DehnerZu einer guten Arbeitsorganisation gehört, Rückdelegationen zu erkennen und sie konsequent abzulehnen. Rückdelegationen führen dazu, dass Führungskräfte während ihrer Arbeitszeit mit den falschen Problemen beschäftigt sind. Sie lösen die Probleme ihrer Mitarbeiter und ihre eigenen müssen dann in zahllosen Überstunden abgearbeitet werden. Dadurch erhöht sich nicht nur die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden, auch der Verantwortungsgrad steigt, was wiederum den Druck erhöht.
Umgang mit Rückdelegation/ Querdelegation
Führungskräfte verteilen und delegieren Arbeit, das ist der größte Teil ihres Jobs. Wenn es nicht klappt, ist das jedoch nicht immer die Schuld der Mitarbeiter. Beim Delegieren werden gelegentlich auch Fehler gemacht in der Art und Weise, wie Aufgaben delegiert werden. Es kommt gar nicht so selten vor, dass ein Mitarbeiter/ eine Mitarbeiterin zwar die Aufgabe erhält, aber nicht die nötigen Entscheidungskompetenzen, um diese Aufgabe zu einem sinnvollen Ende zu bringen oder sie sinnvoll zu lösen. Zum mindesten muss der andere genau wissen, was er selbst entscheiden darf und wobei er einen Kollegen oder Vorgesetzten braucht. Darf jemand gar nichts selbst entscheiden, ist es auch unmöglich, komplexe Aufgaben zu bewältigen – dafür ist Entscheidungsfreiheit zwingend nötig. Zu einer gelungenen Delegation gehört deshalb auch das Delegieren von Verantwortung.
Das mag, auch für den anderen, nicht immer angenehm sein, weshalb es auch andere Gründe für Rückdelegationen gibt. Mitarbeiter, die von dieser ungewohnten Verantwortung bedrückt werden, neigen möglicherweise dazu, sich zu drücken – sprich, sie rückzudelegieren. Rückdelegationen oder Querdelegationen zu akzeptieren zählt jedoch zu den großen Fehlern, die eine Führungskraft tunlichst vermeiden sollte, denn das ist oft ein Pflasterstein auf dem Weg in den Burnout. Der Weg, wie es zu einer Rückdelegation kommt, verläuft typischerweise so: Der Mitarbeiter kommt und bekennt, ein Problem mit der Aufgabe zu haben. Das sollte schon genügen, um sämtliche Alarmglocken schrillen zu lassen: Denn das „Besprechen“ des Problems führt häufig dazu, dass die Führungskraft eine Entscheidung trifft, und damit selbst die Verantwortung wieder übernimmt.
Besser ist es, sich das Problem zwar anzuhören, wenn nötig auch Verständnisfragen dazu zu stellen, dann aber die Lösungsfähigkeiten der anderen herauszukitzeln – also zu fragen, was sie selbst schon unternommen haben, um das Problem zu lösen, bzw. welche Wege sie sich in Zukunft vorstellen. Dabei ist ganz deutlich zu machen, dass es Job der Mitarbeiter ist, für eine Lösung zu sorgen. Hat man im Unternehmen nämlich erst einmal den Ruf weg, dass man ein wunderbarer Problemlöser für die anderen ist, steckt man mit einem Bein schon in der Überlastungsfalle. Andererseits lernen die anderen sehr schnell, dass man bei manchen Vorgesetzten/Kollegen nicht einfach ein Problem abladen kann, sondern selbst nachdenken muss.
Viele sind schon der Gefahr entgangen, eine Rück- oder Querdelegation zu akzeptieren, weil sie sich an eine Metapher erinnert haben, die aus einem Führungsbuch stammt. Sie ist inzwischen längst nicht mehr neu, aber so treffend, dass sie hier noch einmal erwähnt werden soll: Stellen Sie sich vor, die Aufgabe und Verantwortung ist ein Affe, der auf der Schulter des Mitarbeiters/ Kollegen sitzt, wenn er zu Ihnen kommt, um sein Problem mit Ihnen zu besprechen. Wo sitzt der Affe, wenn der andere wieder geht? Auf Ihrer Schulter oder auf seiner?
Ein weiterer Fehler, der beim Delegieren häufiger vorkommt, ist, dass den Mitarbeitern zu wenig Hintergrundinformationen gegeben werden. Immer wieder scheitern sie an Aufgaben, weil sie nichts darüber wussten, warum etwas so und nicht anders gemacht werden soll, und deshalb falsche Entscheidungen getroffen haben. In Untersuchungen ist zu Tage getreten, dass erschreckend viele Mitarbeiter sich in der Situation fühlen, nicht genau zu wissen, was genau von ihnen erwartet wird. Fehlen Ihnen selbst Wissen über den Gesamtzusammenhang oder Hintergrundinformationen für die Erledigung von Aufgaben, dann fordern Sie das doch sicher ein. Fehlt es jemand anderem, dann geben Sie diese Informationen!
Mitarbeiter, die von einem Chef überrascht werden, weil er, z.B. nach einem Coaching oder Training, keine Rückdelegationen mehr akzeptiert, reagieren für gewöhnlich auf unterschiedliche Weise. Die einen sind froh über das Mehr an Verantwortung und fühlen sich wertgeschätzt durch das Zutrauen, sie blühen auf. Andere hingegen vermissen die bequemen vorherigen Abläufe und setzen gelegentlich kleine Psycho-Spiele in Gang, um Chef oder Chefin doch noch dazu zu bringen, wieder wie früher zu funktionieren. Sie kommentieren das geänderte Auftreten und die neuen Anforderungen vielleicht wenig schmeichelhaft und versuchen, die Führungskraft wieder in das alte Muster zu bekommen. Aussagen wie: „Früher haben Sie sich mehr für unsere Probleme interessiert!“ oder „Man kann gar nicht mehr mit Ihnen reden, für uns haben Sie ja keine Zeit mehr!“, sollen die Führungskraft dazu bewegen, in sich zu gehen, ein schlechtes Gewissen zu kriegen und wieder brav ihre Arbeit – also die Arbeit der Mitarbeiter – zu machen. Auf solche Spiel-Versuche sollten Vorgesetzte vorbereitet sein und sich dadurch nicht in die Irre führen lassen.
Und gelegentlich muss auch ziemlich viel Konsequenz gezeigt werden: Wenn Chefin oder Chef ein Meeting anberaumen unter der ausdrücklichen Maßgabe, dass jeder Vorschläge für ein bestimmtes Problem mitzubringen hat, dann sollte das Meeting konsequent abgebrochen und auf den nächsten Tag verschoben werden, wenn sich herausstellt, dass keiner oder kaum einer mit Lösungsvorschlägen gekommen ist. Mitarbeiter lernen auf diese Weise sehr schnell, dass Chefin oder Chef meinen, was sie sagen. Und die haben einen Zeitfresser weniger.