Wie erhöht man den Wirkungsgrad von Führungstrainings?

| Alice Dehner
Ich höre immer wieder die Klage, dass „Führungstrainings eigentlich überflüssig sind, weil sie im realen Alltag nichts bringen.“
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Auf Nachfrage erfahre ich dann zum Beispiel, dass jeder Teilnehmer nach sehr viel Theorie im besten Fall gerade mal ein Rollenspiel gemacht hat, worüber er zum Abschluss drei Seiten mit gefühlten hundert Feedback-Punkten bekam. Selbst wenn jeder einzelne Feedback-Punkt absolut berechtigt und richtig beobachtet war, wie soll ein armer Mensch das jemals umsetzen? In solchen Trainings stimmen Inhalt und Prozess einfach nicht überein. Der Inhalt ist, dass neues Führungsverhalten gelernt werden soll. Der Prozess jedoch macht das ziemlich unmöglich. Zu viele Feedback-Punkte auf einmal verhindern das Lernen eines neuen Verhaltens, statt es zu ermöglichen.

Wenn man auf zu viele Details im Verhalten aufmerksam gemacht wird, kann man das schlicht nicht umsetzen, noch nicht einmal in einer entspannten Situation, denn man hätte einfach auf zu vieles gleichzeitig zu achten. Kommt dann noch hinzu, dass man im Ernstfall womöglich gar nicht entspannt ist, denn man bringt ins Führungstraining ja für gewöhnlich nicht jene Situationen ein, mit denen man sich wohlfühlt, sondern solche, die schwierig sind, ist das, was man anders machen wollte, schnell verschwunden. Um schwierige Situationen zu bewältigen, braucht man eine gewisse Sicherheit. Um diese Sicherheit herzustellen, greift man im Ernstfall aber auf vertrautes Verhalten zurück. Das ist meist noch nicht einmal ein bewusst gewählter Vorgang, sondern es stellt sich von allein ein. Wenn es schwierig wird, wenn man sich unsicher fühlt, macht man einfach das, was man schon immer gemacht hat. Das ist schließlich auch der Grund, weshalb überall, wo es brenzlig werden könnte oder wo es besonders darauf ankommt, dass jeder Handgriff sitzt, geübt, geübt und nochmal geübt wird. Noch kein Feuerwehrhauptmann hat sich damit zufriedengegeben, seinen Neulingen nach einem einzigen Training zu sagen: „So, jetzt lest euch mal meine Rückmeldungen durch und wenn es brennt, macht ihr es genauso, wie es da steht!“ Nun brennt es im Büro zwar hoffentlich nicht, aber ich denke, es ist deutlich geworden, was ich meine – neue Verhaltensmuster müssen sich ihren Weg ins Gehirn erst eingraben.

Nach einem Rollenspiel sollte der Teilnehmer zu maximal drei Punkten ein Feedback erhalten UND anschließend sofort die Möglichkeit bekommen, dieses neue Verhalten auszuprobieren. Ein Trainer sollte im Führungstraining auch immer darauf achten, dass der Herausforderungsgrad im Rollenspiel bewältigbar bleibt. Wenn das gegeben ist, wird der Teilnehmer mit einem Erfolgserlebnis aus der Übung gehen. Dieses Erfolgserlebnis ist enorm wichtig, denn es verstärkt das Zutrauen zu dem neuen Verhalten. Durch dieses Zutrauen wächst die Wahrscheinlichkeit, dass das Neugelernte auch im Alltag gezeigt wird. Wenn man dann erlebt, dass es wirkt, dass das neue Verhalten auch im „echten Leben“ ein Erfolg ist, dann macht der Erfolg den weiteren Erfolg. Das gleiche gilt natürlich auch für Rollenspiele im Coaching. Macht der Klient im Coaching die Erfahrung, dass er seine Rollenspiele mit einem Erfolgserlebnis bewältigen kann, so wird es einen fast hundertprozentigen Umsetzungsgrad geben.

Warum ist Führungstraining so wichtig? Weil Führung weiterhin benötigt wird, und zwar mehr denn je. Wenn weiterhin stimmt, wovon man ausgehen kann, dass alles, was in Amerika passiert, irgendwann auch bei uns ankommt, so wird auch in deutschen Unternehmen, trotz Agilität, Fokus auf Projektarbeit und flachen Hierarchien, in den Firmen erkannt werden, was im Silicon Valley inzwischen state oft he art ist. Hier ein paar Zitate aus einem Bericht über einen Aufenthalt in Firmen im Silicon Valley, erschienen im Personalmagazin von Haufe:

„Die breiten Führungsspannen brachten Probleme mit sich, weil in manchen Fällen nicht klar geregelt war, wer welche Entscheidungen trifft. Ein weiteres Problem war die Zunahme von Kommunikation und Konflikten: Viel mehr musste ausgehandelt werden, was zuvor über die Hierarchie geklärt wurde. Die Unternehmen erkannten: Flache Hierarchien haben den Nachteil, dass keiner wirklich verantwortlich ist. Es ist schwierig herauszufinden, wer letztendlich dafür verantwortlich ist, wenn Teams ihre Ziele nicht erreichen. Hierarchie kann deswegen auch Vorteile haben und schnelle Entscheidungen ermöglichen.“

„In zahlreichen Gesprächen zeigte sich, dass die Unternehmen die Verantwortung klar bei den Führungskräften sehen. Das sind die Personen, die die Verantwortung für die Team-Performance tragen. Sie sind einerseits für das Wohlbefinden des Teams verantwortlich und garantieren auf der anderen Seite den Output. Sie müssen dafür sorgen, dass der Umgang miteinander freundschaftlich ist und dass ein Austausch gegeben ist. Sie sind nicht dazu da, alle Kleinigkeiten zu entscheiden, sondern können auch viel Verantwortung ins Team geben. Aber sie setzen die Meilensteine, sodass klar ist, welche Person was verantwortet.“

„Im Gespräch mit der HR-Verantwortlichen zeigte sich, dass wir unabhängig voneinander die Bedeutung der Führungskraft gestärkt haben, um die Produktivität der Teams sicherzustellen und um als Ansprechpartner für die Mitarbeiter da zu sein.“

„Ein Punkt, den ich verstärkt in die Pflichtenhefte unserer Führungskräfte schreiben will, ist die Verantwortung für die Zufriedenheit der Mitarbeiter. Es ist sinnvoll, Fluktuationsquoten auf Führungskräfte oder Teams herunterzurechnen, um dann zu handeln. Wir können uns schlechte Führungskräfte nicht leisten, die Mitarbeiter vergraulen.“

https://www.haufe.de/personal/zeitschrift/personalmagazin/personalmagazin-ausgabe-32019-organisationsmodelle-personalmagazin_48_484050.html