Wie viele Obstkörbe braucht eine Organisation, um resilient zu sein?

Unternehmen, die agil sein wollen, schaffen Kickertische an. Und Organisationen, die resilient sein wollen? Dort gibt es neuerdings Obstkörbe. Die Frage ist nur: Bringt das was?
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Bevor wir über Obstkörbe und ihren Einfluss auf die Resilienz einer Organisation sprechen, nochmal kurz, was Resilienz überhaupt ist. Der Begriff stammt aus der Psychologie und hat seinen Ursprung in einer Langzeitstudie von 1970, in der hawaiianische Kinder, die in ärmlichen Verhältnissen mit Eltern aufwuchsen, die häufig alkoholabhängig waren oder psychische Erkrankungen hatten, beobachtet wurden. 70 % dieser Kinder entwickelten als Erwachsene destruktive Verhaltensmuster, wurden drogenabhängig, waren arbeitslos etc. 30 % der Kinder jedoch legten einen erfolgreichen Lebenslauf hin.

Wie entsteht Resilienz?

In dem Zuge kam das Wort Resilienz auf – denn diese 30 % schafften es, trotz der widrigen Umstände, in denen sie aufgewachsen waren, gesund und gestärkt aus dieser Phase ihres Lebens hervorzugehen. Nur wie hatten sie das geschafft? Ein wichtiger Faktor war, dass die Kinder eine Bezugsperson im Leben hatten. Lehrer, Tante, Großeltern – jemand, der wirklich an sie glaubte und sie dazu ermutigte, Verantwortung zu übernehmen. Dadurch entwickelten die Kinder mentale, emotionale und spirituelle Muster, die zu resilienten Verhaltensweisen führten.

Bedeutet: Resilienz ist einem nicht angeboren, man kann resilient zu sein lernen. Wer das schafft, kann besser mit traumatischen Erfahrungen, großem Stress und disruptiven Veränderungen umgehen und gestärkt daraus hervorgehen, anstatt eine psychische Erkrankung zu entwickeln. Es gibt genau drei Reaktionsmuster, um mit widrigen Umständen umzugehen: Erstens: nach Außen gerichtete Wut. Zweitens: nach Innen gerichtete Wut. Und drittens: disruptiv mit der Veränderung umgehen. Allein die dritte Gruppe fühlt sich am Ende wohl. Sie hat resiliente Glaubensmuster, die dazu führen, dass sie wirklich agieren, ins Gestalten kommen und auf Stress reagieren können. Menschen aus den Gruppen eins und zwei dagegen fallen in die Opferrolle und werden handlungsunfähig.

Organisationale Resilienz braucht resiliente Mitarbeiter

Auf Organisationen übertragen bedeutet organisationale Resilienz: Anpassungsfähigkeit einer Organisation an widrige Umstände sowie Veränderungen. Und dabei geht es nicht nur ums Überleben, sondern mit der Veränderung am besten zu wachsen. Dadurch wird auch klar, warum das gerade so ein wichtiges Thema für viele Organisationen ist – schließlich gibt es Wandel und widrige Umstände zuhauf. Da aber eine Organisation letztlich immer die Summe der Mitarbeiter ist, braucht es für eine resiliente Organisation auch resiliente Mitarbeiter. Mitarbeiter, die mit ständigen strukturellen Änderungen, Anpassungen und Anforderungen, die an sie herangetragen werden, in der Lage sind zu gestalten, anstatt in die Opferrolle zu verfallen.

Da resiliente Glaubensmuster erlernbar sind, liegt die Verantwortung bei den Organisationen, eine Umgebung zu schaffen, in der genau dieses Mindset gefördert wird. Wie schon erwähnt, sind Beziehungen dafür ein wichtiger Faktor. Gerade nach zwei Jahren Pandemie und wenig realen Begegnungen, muss eine Organisation sich fragen, wie sie Beziehungen gestalten möchte. Wer hybride Arbeitsmodelle eingeführt hat, braucht neue Formen, um Beziehungen zu pflegen und aufzubauen. Zusätzlich braucht es Teams, die aneinander glauben.

Dauer, Geltungsbereich, Personalisierung

Auch das Fachgebiet der positiven Psychologie hat sich bereits mit der Resilienz auseinandergesetzt. Durch Beobachtung, wie Menschen mit Erfolg und Misserfolg umgehen, konnten drei Kategorien definiert werden: Dauer, Geltungsbereich, Personalisierung. Nehmen wir das Beispiel, dass jemand ein Projekt sehr erfolgreich zum Abschluss gebracht hat. Dann kann die Person in Bezug auf die Dauer entweder denken: „Super, dann schaffe ich die nächsten drei auch“ oder „Das war ein Glücksfall“. Bzgl. Geltungsbereich kann die Person denken: „Dass ich das geschafft habe zeigt, dass ich eine kompetente Person bin, deshalb werde ich auch andere Bereiche meines Job gut machen“ oder „Na ja, das habe ich vielleicht geschafft, aber es gibt viele Aspekte in meiner Arbeit, die beherrsche ich nach wie vor nicht“. Und bzgl. der Personalisierung kann die Person denken „Das Projekt ist gut gelaufen, weil ich dazu beigetragen, meine Ideen umgesetzt und viel Arbeit hineingesteckt habe“ oder „Das war ja Teamwork, ich habe nur umgesetzt, mein Anteil war gar nicht so groß“.

Noch ein Beispiel: Eine Person, die im Vertrieb arbeitet und Kaltakquise betreibt, konnte an einem Tag keinen neuen Kunden gewinnen. Bzgl. Dauer kann die Person denken „Ja gut, war heute eben so, morgen ist ein neuer Tag“ oder „Das wird ewig so weitergehen, ich werde keinen Kunden mehr gewinnen“. Bzgl. Geltungsbereich kann die Person denken „OK, Kaltakquise ist nicht meine Stärke, aber in der Kundenbetreuung bin ich spitze“ oder „War ja klar, Kaltakquise liegt mir halt nicht, genauso wenig wie die restlichen Aufgaben meiner Position“. Bzgl. Personalisierung könnte die Person denken „Na ja, da kommen ja ganz viele Faktoren zusammen. Wahrscheinlich waren heute alle Kunden wegen des Regens total mies gelaunt. Das liegt nicht nur an mir“ oder „Das ist absolut meine Schuld, weil ich überhaupt nicht weiß, wie ich so ein Gespräch aufbauen soll“.

Die Führung muss Mitarbeiter zum resilienten Mindset führen

Es ist Aufgabe der Führungskraft zu beobachten, wie die Mitarbeiter mit Erfolg und Misserfolg umgehen und sie, wenn nötig, hin zu einem resilienten Mindset zu führen. Das bedeutet, sie für ihre Leistungen wertzuschätzen und sie wieder aufzubauen, wenn es Misserfolge gab. Ein Schulterklopfen mit „Gut gemacht“ oder „nicht so schlimm“ reicht dazu nicht, stattdessen muss eine Führungskraft Einfluss auf die Interpretation von Dauer, Geltungsbereich und Personalisierung nehmen. Es geht also darum, sich zu überlegen, wie man ein solches Gespräch gestalten und Denkanstöße geben kann, damit der Mitarbeiter ein anderes Mindset entwickeln kann.

Und der Obstkorb?

Dass Mitarbeiter Vitamine durch das gegessene Obst aufnehmen, ist in keinem Fall schädlich. Es fördert aber weder dabei ein resilientes Mindset zu entwickeln noch Beziehungen aufzubauen und zu pflegen. Außer, wenn mit dem Obstkorb beispielsweise ein Ritual etabliert würde, bei dem alle um den Korb herumstehen, miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen. Ansonsten aber hat die Summe der Obstkörbe keinen großen Einfluss darauf, wie resilient ein Unternehmen in Zukunft sein wird.

Im Business Podcast von Alice Dehner gibt es weitere Impulse für Führungskräfte, Business Talk, Management-Input und Gedanken, die Unternehmen für die Zukunft stärken.