Der Stress mit den Selbstzweifeln

| Alice Dehner
Über das sogenannte Impostor-Syndrom wird derzeit vermehrt gesprochen. Gelegentlich auch „Hochstapler-Syndrom“ genannt, hat es nichts mit Betrug zu tun. Es geht dabei um kompetente Menschen, nicht selten ausgewiesene Experten ihres Fachs oder sehr erfolgreiche Führungskräfte, die unter erheblichen Selbstzweifeln leiden. Diese Selbstzweifel bewirken, dass sie ihre eigene Leistung nicht anerkennen können. Das geht so weit, dass sie fürchten, eines Tages als „Hochstapler“ entlarvt zu werden, wenn die Außenwelt endlich erkennt, dass sie „in Wirklichkeit“ gar nichts können.
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Das Impostor-Syndrom ist insofern ein interessantes Phänomen, als die Selbstzweifel, die ihm zugrunde liegen, nicht zu einer Verminderung der Leistung führen. Üblicherweise lassen sich Menschen von Selbstzweifeln eher ausbremsen: Sie trauen sich nichts zu und packen vieles deshalb gar nicht erst an. Sie halten sich selbst klein und verstecken ihre Fähigkeiten, weshalb sie auch von Kollegen und Chefs oft unterschätzt werden. Bei Menschen, die unter dem Impostor-Syndrom leiden, sind jedoch Erfolg und Leistung nach außen sichtbar. Sie ersteigen Karriere-Leitern, bewegen sich oft auf höheren oder hohen Hierarchie-Ebenen, sind geschätzt und anerkannt – nur nicht von sich selbst. Das Misstrauen gegenüber ihren eigenen Fähigkeiten beeinträchtigt zwar nicht ihre Leistungen, stellt allerdings eine starke Beeinträchtigung ihrer persönlichen Zufriedenheit dar. Sie sind ständig getrieben von der Angst: „Wann werden die anderen merken, dass ich im Grunde genommen keine Ahnung habe? Oh mein Gott, wird das peinlich!“

Wie kommt es zu solchen Ängsten und Zweifeln? Wie kann so etwas entstehen, wenn man doch im Gespräch mit Betroffenen immer wieder feststellt: Sie haben in den allermeisten Fällen gute Schulleistungen gezeigt, gute Studienabschlüsse erreicht, im Job immer erfolgreich gearbeitet, es gab eigentlich nie kritische Ereignisse – also sollte doch alles bestens sein?

Ein Konzept, um solche Muster zu erklären, kommt aus der Transaktionsanalyse (TA). Es handelt sich dabei um das von Eric Berne entwickelte Konzept des „Skripts“. Unter Skript versteht man in der TA ein unbewusstes Lebensdrehbuch, das sich die Betroffenen irgendwann in Kindheit oder Jugend angeeignet haben, und dem sie aufgrund eines inneren Zwangs folgen müssen. Der innere Zwang entstand, weil sie als Kinder oder Jugendliche sogenannte Einschärfungen verinnerlicht haben. Einschärfungen sind Botschaften, die dem Kind oder Jugendlichen quasi „eingebläut“ wurden, sei es durch Eltern oder andere Bezugspersonen, durch Lehrer, durch die Peergroup oder manchmal auch einfach dadurch, dass das Kind eine Situation vollkommen missverstanden hat oder sich für eine belastende Situation eine seinem kindlichen Verständnis entsprechende, aber völlig falsche Erklärung angeeignet hat.

Die Einschärfungen, die immer als Verbote formuliert sind, müssen, um zu wirken, entweder sehr dramatisch gegeben werden, dann reicht vielleicht sogar einmal. Oder sie müssen mit großer Konsequenz über einen langen Zeitraum immer wieder ausgesprochen werden. Eine der Einschärfungen, die für das Impostor-Syndrom von Bedeutung sind, ist die Einschärfung „Schaff’s nicht!“ Diese Einschärfung wird zum Beispiel vermittelt, wenn Eltern immer wieder an den Fähigkeiten des Kindes zweifeln. Sie sorgen sich zum Beispiel beständig, dass das Kind die Schule nicht schaffen könnte, auch wenn eine solche Sorge durch die Noten überhaupt nicht gerechtfertigt ist. Wenn sie vor jeder Klassenarbeit unken, dass das Kind sie womöglich verhauen könnte, vor jeder Prüfung erwarten, dass das Kind durchfällt, beginnt das Kind schließlich selbst an seiner Leistungsfähigkeit zu zweifeln. Solche Zweifel können natürlich auch auf Kosten schlechter Lehrer gehen, die das Kind vielleicht einmal lächerlich gemacht haben oder in hochnotpeinlichen Situationen innerhalb der Peergroup entstehen.

Den Menschen, die die Einschärfung „Schaff’s nicht“ verinnerlicht haben, stehen für gewöhnlich zwei Wege zur Verfügung, um damit klarzukommen. Entweder sie übernehmen sie, glauben selbst daran, dass sie nichts können und organisieren unbewusst immer wieder ihr eigenes Scheitern: Sie lernen versehentlich das falsche vor einer Prüfung, sie kommen zu spät zu wichtigen Terminen, sie vergessen oder verwechseln wichtige Daten und ähnliches mehr. Oder sie stemmen sich gegen die Einschärfung! Sie gehen dagegen und versuchen ständig zu beweisen, dass sie es doch können. Das führt meistens zu sehr guten Leistungen, weshalb sie im Job auch gefördert werden und oft „beneidenswert“ erfolgreich sind.

Das ist jedoch mit hohen Kosten verbunden, denn unter der erfolgreichen Oberfläche sitzt die permanente Angst, es in Wirklichkeit eben doch nicht zu können. Die Selbstzweifel müssen täglich aufs Neue beschwichtigt werden, weil sie nie aufgelöst, sondern immer nur mit „Gegenbeweisen“ niedergebügelt wurden. Aber kein „Beweis“ ist endgültig. Es muss immer wieder aufs Neue bewiesen werden, dass man etwas kann. Kein Studienabschluss, kein akademischer Titel, keine noch so hohe Position im Unternehmen schützt vor dem eingeimpften Glauben „eigentlich kann ich es gar nicht.“ Dadurch erleben die Betroffenen sehr viel Stress, wodurch ihr Wohlbefinden und ihre Selbstsicherheit permanent beeinträchtigt sind.

Im Coaching lässt sich zum Beispiel mit einer Kombination aus Transaktionsanalyse, sodass die Menschen verstehen, was eigentlich los ist, und Introvision Coaching, sodass sie in der Lage sind, den Stress aufzulösen, erfolgreich das Impostor-Syndrom bearbeiten.