Gedanken zur Persönlichkeitsentwicklung: Wie redest du eigentlich mit mir?!

| Ulrich Dehner
Es ist seit langem bekannt, wieviel hausgemachten Stress es gibt. Aber wie genau entsteht der eigentlich? Klar ist, hausgemachter Stress hat sehr viel mit inneren Dialogen zu tun. Dazu gibt es ein paar interessante neue Untersuchungen, die im Folgenden vorgestellt werden. Außerdem eine Anregung, wie man die neuen Erkenntnisse zur eigenen „hausgemachten“ Persönlichkeitsentwicklung nutzen kann.
Gedanken.jpg

Wenn man untersucht, was genau passiert, wenn man in inneren Stress gerät, stößt man schnell auf die internen Dialoge, die in nicht enden wollender Folge ablaufen. Das hat wahrscheinlich jeder bei sich selbst schon mehr oder weniger aufmerksam oder bewusst wahrgenommen. Es ist etwas geschehen, das man sich anders gewünscht hätte oder man hat etwas gemacht, das man besser gelassen hätte, und schon geht die innere Stimme auf Angriff über: „Wie konnte ich nur?“ „Wie konnte mir das passieren“ „Wieso habe ich nicht schon viel früher…?“ „Daran hätte ich wirklich denken müssen!“ „Ich bin doch wirklich ein Schaf (kann ersetzt werden durch andere Lieblingsbeschimpfungen)!“

Diese inneren Kommentare finden bei den allermeisten Menschen in der oben dargestellten Ich-Form statt. Psychologen haben sich nun dafür interessiert, ob und wenn ja welchen Einfluss die Form, in der man mit sich selbst spricht, auf die Gefühlslage und das Stress-Level hat. Man hat also in Experimenten ausprobiert, was passiert, wenn Menschen konsequent die Ich-Form verwenden und was passiert, wenn man sie anleitet, in der Du-Form mit sich selbst zu kommunizieren. Also statt „Was habe ich mir bloß dabei gedacht? Was mache ich denn jetzt?“ „Was hast du dir dabei gedacht? Was machst du jetzt?“

Allein durch diesen Wechsel war die Gefühlslage schon entspannter. Doch dann haben die Psychologen festgestellt, dass dieser Effekt sich noch erhöht, wenn die Versuchspersonen sich auch mit ihrem Namen ansprachen, also etwa „Ulrich, was machst du jetzt?“ Wer sich selbst in einer unangenehmen oder belastenden Situation mit dem eigenen Namen und in der Du-Form anredete, hatte ein signifikant geringeres Stress-Level, als wenn er das in der Ich-Form tat.

Dieser Effekt lässt sich zurückführen auf die Distanzierung, die stattfindet, wenn man den inneren Dialog in der Du-Form führt.

Normalerweise geraten wir deshalb in inneren Stress, weil wir uns vollkommen mit den Gefühlen, die eine unangenehme, bedrohliche oder belastende Situation auslöst, identifizieren. Wir springen mitten in diese Gefühle hinein, weshalb sie uns fest im Griff haben. Die Du-Form scheint dazu zu führen, dass wir eine Art der Distanzierung herstellen können. Wir können den Stress erzeugenden Dialog quasi wie von außen beobachten.

Parallelen zum Introvision Coaching

Das ist interessanterweise ein ähnlicher Mechanismus, wie er im Introvision Coaching angewendet wird. Im Introvision Coaching wird so gearbeitet, dass der Coach den Klienten mit seinem Alarm auslösenden Gedanken, zum Beispiel „Es kann sein, dass ich total scheitere“, konfrontiert und ihn anleitet, einfach nur zu beobachtend wahrzunehmen, was dabei emotional, mental und körperlich alles passiert. Diesen Alarm auslösenden Gedanken können wir genauso gut Stress auslösenden Gedanken nennen. Bei der Introvision wird die Distanzierung von einem Gedanken wie „Es kann sein, dass ich total scheitere“ dadurch erreicht, dass man einen inneren Beobachter einrichtet, der das Stress-Geschehen in Körper und Geist einfach nur bewusst zur Kenntnis nimmt. Man versucht nicht, gegen den Stress anzugehen, ihn zu unterdrücken oder zu entfernen, man lässt sich aber auch nicht davon wegschwemmen, mitreißen, sondern es gibt einen inneren Beobachter, der lediglich wahrnimmt, was passiert.

Zu lernen, mehr als Beobachter auf die Dinge des Alltags zu blicken, statt sich mit allem zu identifizieren, kann in jedem Fall nur empfohlen werden.

Statt sich mit jedem seiner Gedanken zu identifizieren und das für das eigene Ich zu halten, lieber zu beobachten „Es gibt diesen Gedanken, es gibt jenen Gedanken“ sorgt für deutlich mehr Gelassenheit im Alltag.

Wir neigen dazu, unsere Gedanken mit unserem „Ich“ zu verwechseln. Wenn man sich daran gewöhnt hat, dass es einen inneren Anteil gibt, der die Gedanken wahrnimmt, wird schnell klar, dass die Gedanken nicht „Ich“ sein können. Wenn „Ich“ das Subjekt ist, das auf ein Objekt, die Gedanken, blickt, ist es logisch, dass die Gedanken nicht „Ich“ sein können – jedenfalls nicht ausschließlich – sie sind, wie der Beobachter, höchstens ebenfalls ein Anteil in mir. „Ich“ bin im Grunde genommen die umfassende Bewusstheit, die Gedanken, Gefühle und körperliche Zustände wahrnehmen kann.

Machen Sie doch vielleicht einfach einmal ein Experiment mit sich selbst: Finden Sie heraus, wann Sie mit sich selbst in der Ich-Form kommunizieren und beobachten Sie, was passiert, wenn Sie sich namentlich mit der Du-Form ansprechen. Mit ein bisschen Glück wird das neue Jahr dadurch deutlich entspannter als das letzte, mag die Situation als solche auch nichts an Schwierigkeit eingebüßt haben. Wir wünschen Ihnen mit Gelassenheit und Souveränität einen guten Start ins Neue Jahr!